Gesundheitsschutz, Homeoffice und anderes: der Betriebsrat hat in vielen Bereichen ein Mitbestimmungsrecht. Copyright by Adobe Stock/magele-picture
Gesundheitsschutz, Homeoffice und anderes: der Betriebsrat hat in vielen Bereichen ein Mitbestimmungsrecht. Copyright by Adobe Stock/magele-picture

Während der Corona-Pandemie sind wir vielem ausgesetzt, das für uns ungewöhnlich ist. Der Gesetzgeber hat quasi „so nebenbei“ einige Grundrechte stark eingeschränkt, wie etwa die Freizügigkeit, das Recht sich zu versammeln und die Religionsfreiheit. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist aber von diesen Einschränkungen nicht betroffen.
 

Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen anordnet?

Es gibt daher keinen Grund für Arbeitgeber, die Rechte des Betriebsrates in Zeiten von Corona außer Acht zu lassen. Im Gegenteil: Gerade in dieser Zeit sind Betriebsräte gefordert, gibt ihnen das Gesetz doch die Pflicht auf, die Interessen der Arbeitnehmer*innen zu vertreten und vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Belegschaft zusammenzuarbeiten.
 
Der Betriebsrat bestimmt bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mit. Wenn der Arbeitgeber also das Tragen von Schutzkleidung oder Schutzmasken anordnet, unterliegt das der Mitbestimmung. Er hat auch ein echtes Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz.
 
Ebenfalls dürfte es der Mitbestimmung unterliegen, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen wie Fiebermessen anordnet. Der Betriebsrat sollte sich aber fragen, ob eine solche Maßnahme im Regelfall überhaupt angemessen ist, wenn es im Betrieb nicht einmal einen Verdachtsfall gibt.
 

Kann der Betriebsrat seinerseits vom Arbeitgeber Schutzmaßnahmen wegen der Ansteckungsgefahr verlangen?

Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht, weil Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen der Mitbestimmung unterliegen. Der Weg ist aber im Zweifel ein viel zu langer, wenn bereits während der Krise erst auf eine Betriebsvereinbarung hingearbeitet wird, gegebenenfalls mit Entscheidung durch eine Einigungsstelle.
 
Deshalb ist es sinnvoll, durch Gespräche mit den Kolleg*innen herauszufinden, welche Maßnahmen sinnvoll sind und diese mit dem Arbeitgeber zu besprechen. Das Ergebnis sollte man in einer schriftlichen Betriebsabsprache festlegen. Das betrifft etwa die üblichen Verhaltensregeln, die die Behörden vorgeschlagen:
 

  • Begrüßung ohne Handschlag oder Umarmung
  • Mindestabstand von anderen Personen 2 Meter
  • regelmäßige Händereinigung
  • Menschenansammlungen meiden

 
Zudem könnte der Betriebsrat den Arbeitgeber auffordern, für notwendige und sinnvolle Schutzeinrichtungen wie Schutzkleidung und Desinfektionsmittel zu sorgen. Der Betriebsrat sollte den Arbeitgeber aber deutlich darauf hinweisen, dass der Betriebsrat von seinem Initiativrecht Gebrauch macht und im Zweifel das Verfahren bis zur Einigungsstelle durchführen wird. Es ist kaum zu erwarten, dass es der Arbeitgeber in der derzeitigen Situation darauf ankommen lassen wird.
 

Bestimmt der Betriebsrat mit, wenn der Arbeitgeber Homeoffice anordnet?

Der Arbeitgeber kann Homeoffice anordnen, wenn es der Arbeitsvertrag zulässt. Wenn dies der Fall ist, kann der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen Homeoffice anordnen.
 
Ist Arbeitsort nach dem Arbeitsvertrag eindeutig der Betrieb, kann der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht einfach per Direktionsrecht „nach Hause“ versetzen. Es ist vielmehr eine Änderungskündigung notwendig.
 
Lesen Sie insoweit unseren Artikel „ Homeoffice: Was darf ich? Was muss ich?“


Bei der Anordnung des Arbeitgebers, im Homeoffice zu arbeiten, handelt es sich in vielen Fällen um eine Versetzung

Ordnet der Arbeitgeber Arbeit im Homeoffice an, bestimmt er für den Beschäftigten einen anderen Arbeitsort.
 
Weist der Arbeitgeber einen anderen Arbeitsbereich zu, handelt es sich um eine Versetzung wenn:
 

  • Die Zuweisung voraussichtlich länger als einen Monat andauert oder
  • sie mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist.

 
Ordnet der Arbeitgeber Arbeiten im Homeoffice für länger als einen Monat oder auf unbestimmte Zeit an, handelt es sich im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes um eine Versetzung.
 
Üblich ist derzeit in Zweiwochenzeiträumen zu planen. Ordnet der Arbeitgeber also Homeoffice etwa „für die kommenden zwei Wochen“ an, kommt es darauf an, ob damit eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist.
 

Wann liegt eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände vor?

Ob eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände vorliegt, beurteilt sich in einer Gesamtschau aller Umstände, unter denen die konkrete Arbeit zu leisten ist. Nach der Rechtsprechung des BAG sind Arbeitsumstände die äußeren Umstände, unter denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit zu verrichten hat.
 
Dazu zählen etwa die zeitliche Lage der Arbeit, die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit technischen Hilfsmitteln und zudem Faktoren wie Lärm, Schmutz, Hitze, Kälte oder Nässe. Nach einer Entscheidung des LAG Niedersachsen spielt es eine Rolle, ob sich in Bezug auf Kundenkontakte durch die Anordnung etwas ändert.
 
Man kann also nur die typische Antwort eines Juristen geben: „Es kommt darauf an“. Für denjenigen, der ohnehin die Möglichkeit hatte, zu Hause oder mobil seine Arbeit zu verrichten, ändern sich die Arbeitsumstände nicht wesentlich. In vielen Fällen dürften sich auch bei einer kurzzeitigen Abordnung die Arbeitsumstände so erheblich ändern, dass eine Versetzung vorliegt.
 

Individualrechtlicher und betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff

Was eine „Versetzung“ ist, ist im Rahmen des BetrVG anders zu beurteilen, als nach dem Arbeitsvertragsrecht. Hinsichtlich der Mitbestimmung kommt es auf die objektiven betrieblichen Gegebenheiten an. Auch wenn die Versetzung individualrechtlich möglich ist, darf sie nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats erfolgen, selbst wenn der Beschäftigte zugestimmt hat. Der Betriebsrat hat nämlich die Interessen aller Arbeitnehmer*innen des Betriebes zu berücksichtigen. Und die Veränderung der Arbeitsbedingungen bei einzelnen Beschäftigten kann sich auf die Arbeitsabläufe im Betrieb auswirken.
 
Für die Arbeit des Betriebsrates ist gleichwohl interessant, ob eine Versetzung arbeitsvertraglich nur durch eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers erfolgen kann oder eine Änderungskündigung nötig ist. Unabhängig davon, ob letztere erfolgen muss, stellt die Versetzung stets eine personelle Einzelmaßnahme dar, die der Betriebsrat zustimmen muss. Die Änderungskündigung führt nämlich nur dazu, dass das Arbeitsverhältnis auf eine neue Grundlage gestellt wird. Vorausgegangen ist die Kündigung des alten Arbeitsvertrages, zu der Arbeitgeber den Betriebsrat parallel angehören muss.
 
Ordnet der Arbeitgeber also Homeoffice an, ist die Zustimmung des Betriebsrats für jede einzelne Versetzung „nach Hause“ erforderlich. Er darf er seine Zustimmung aber nur aufgrund einer der im Gesetz genannten Gründe verweigern.
 

Kann der Betriebsrat hinsichtlich Homeoffice die Initiative ergreifen?

Dem Betriebsrat steht in allen Bereichen das Initiativrecht zu, in denen das Gesetz eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und bei Scheitern der Einigung die Entscheidung einer Einigungsstelle vorsieht.
 
Beim Gesundheitsschutz hat der Betriebsrat ein solches Mitbestimmungsrecht. Während der Pandemie kann eine allgemeine Bestimmung zur Arbeit im Homeoffice eine allgemeine Maßnahme zum Gesundheitsschutz darstellen. Insoweit gilt also dasselbe, was wir oben bezüglich der Schutzmaßnahmen dargestellt haben.
 
 
Links
Schwerpunktthema Beteiligungsrecht des Betriebsrats
Mitbestimmung des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz
Die Mitbestimmung bei Fragen der Ordnung des Betriebs


Lesen Sie auch:
Alles zu Corona und was Beschäftigte dazu wissen müssen in unserem großen Schwerpunktthema

Rechtliche Grundlagen

§ 87 I BetrVG

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:


1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;

[…]

7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;

[…]

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.