Eine Videokonferenz ist für Betriebsräte zwar möglich, aber nicht zwingend. Copyright by Adobe Stock / Вадим Пастух
Eine Videokonferenz ist für Betriebsräte zwar möglich, aber nicht zwingend. Copyright by Adobe Stock / Вадим Пастух

Um die Funktionsfähigkeit der Betriebsratsarbeit zu sichern, hat der Gesetzgeber die zeitlich befristete Möglichkeit geschaffen, als Betriebsrat auch virtuell zusammenzutreten, um in den schwierigen Zeiten der Pandemie seine Aufgaben, etwa beim Gesundheitsschutz oder der Kurzarbeit erfüllen zu können. Manche Arbeitgeber nutzen diese Möglichkeit aus, um den Betriebsrat in seinen Möglichkeiten zu beschränken.

 

 

 

 

Arbeitgeber untersagt Präsenzsitzung wegen Corona

So hatte ein Betreiber von Rehabilitationskliniken seinem Gesamtbetriebsrat verboten, persönlich an einem Ort zusammenzukommen und eine Sitzung abzuhalten. Stattdessen sollte die Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz stattfinden.


Ein tatsächliches Zusammentreffen der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats sei aufgrund der Risiken der Covid-19-Pandemie nicht zu vertreten. Das Virus könne sich sonst in allen Kliniken verbreiten, aus denen die Sitzungsteilnehmer anreisen.

Der Gesamtbetriebsrat hat diese Untersagung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angegriffen. Er wolle die Sitzung des Gesamtbetriebsrats wie geplant als Präsenzveranstaltung durchführen. Dies sei auch möglich, da die gesetzlichen Maßgaben zum Infektionsschutz eingehalten werden könnten.

Betriebsratssitzung jetzt auch virtuell möglich

Bis zum 31. Dezember 2020 haben Betriebsräte die Möglichkeit, Beschlüsse auch via Video- und Telefonkonferenz zu fassen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.

Die Regelungen gelten auch für den Gesamtbetriebsrat, den Konzernbetriebsrats, die Jugend- und Auszubildendenvertretung, die Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss.

Findet eine Sitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz statt, müssen die Teilnehmenden ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform, beispielsweise in Form einer E-Mail, bestätigen.

Landesarbeitsgericht billigt Präsenzsitzung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab dem Gesamtbetriebsrat Recht. Die geplante Präsenzsitzung müsse der Arbeitgeber hinnehmen. Es liege im Entscheidungsspielraum des jeweiligen Vorgesetzten, in welcher Form er eine Sitzung durchführt und damit auch über den Sitzungsort.

Im konkreten Fall sei eine Videokonferenz schon deshalb nicht möglich, weil geheim durchzuführende Wahlen anstünden, was im Rahmen einer Video- oder Telefonkonferenz nicht möglich sei.

Die Einhaltung der Beschränkungen der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung seien am Veranstaltungsort gewährleistet. Das verbleibende Restrisiko berechtige den Arbeitgeber nicht, die Sitzung als Präsenzveranstaltung zu untersagen.

Dies gelte jedoch, wie das Landesarbeitsgericht einschränkt, nur im konkreten Einzelfall. Es versagte dem Gesamtbetriebsrat daher die generelle Erlaubnis für Präsenzsitzungen. Abhängig von der Dringlichkeit der Sitzung und dem Infektionsgeschehen sei auch eine andere Entscheidung denkbar.
 

Links

Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg

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Das sagen wir dazu:

Das war vorauszusehen: findige Arbeitgeber versuchen, die neu eingeführte Regelung, die es Betriebsräten ermöglicht, ihre Sitzungen auch per Video-oder Telefonkonferenz durchzuführen, zu ihren Gunsten umzudrehen und den Betriebsrat zu verpflichten, auf Präsenzveranstaltungen zu verzichten.

Kein Kostensparmodell für Arbeitgeber

Die Vorteile für den Arbeitgeber liegen auf der Hand: Grade, wenn die Sitzungsteilnehmer längere Anfahrtswege haben, was beim Gesamtbetriebsrat die Regel sein dürfte, fallen für den Arbeitgeber erhebliche Fahrtkosten an. Die Sitzungsteilnehmer sind zudem in dieser Zeit nicht am Arbeitsplatz, so dass der Arbeitgeber eine Vertretung organisieren muss. Durch die Videokonferenz kann der Arbeitgeber die Kosten deutlich reduzieren. Dies war aber nicht der Sinn und Zweck der Rechtsänderung: vielmehr wollte der Gesetzgeber den Betriebsrat in die Lage versetzten, auch in Zeiten, in denen ein persönliches Treffen schwierig ist, Entscheidungen zu fällen. Ob Kurzarbeit, Home-Office oder Gesundheitsschutz – der Betriebsrat ist bei all diesen Fragen zu beteiligen und muss handlungsfähig sein. Folgerichtig ist es auch in erster Linie Aufgabe des Betriebsratsvorsitzenden darüber zu entscheiden, in welcher Form die Sitzung stattfinden soll. Eine Untersagung ist wohl nur in ganz außergewöhnlichen Fällen möglich, wenn nämlich eine erhebliche Gesundheitsgefahr droht.

Videokonferenzen sind die Ausnahme, nicht die Regel

Solange jedoch die Teilnehmenden die Abstandsregeln eingehalten können, gibt es für eine solche Untersagung wenig Raum. Im konkreten Fall kam hinzu, dass geheime Wahlen anstanden. Diese sind ohnehin nicht per Videokonferenz möglich. Aber auch ansonsten spricht einiges für Präsenzsitzungen, die das Gesetz nicht ohne Grund als Regelform vorgesehen hat. Eine Videokonferenz ist kein Ersatz für eine persönliche Zusammenkunft: Körpersprache, Mimik und Gestik sind für die Meinungsbildung unerlässlich und lassen sich rein virtuell nur unzureichend abbilden. Für die Beschlussfassung ist auch wichtig, dass sich Betriebsratsmitglieder vor und während der Sitzung in Gesprächen untereinander verständigen. Auch Nachbar- und Flüstergespräche sind nur in persönlichen Treffen möglich – jedenfalls dann, wenn die Abstandsregeln nicht mehr gelten. Es fehlen daher wichtige Elemente des persönlichen Austausches. Betriebsräte sollten – wie im vorliegenden Fall geschehen – allen Versuchen entgegentreten, sich auf Videokonferenzen reduzieren zu lassen.

Rechtliche Grundlagen

§ 129 BetrVG

§ 129 BetrVG Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie

(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen. Gleiches gilt für die von den in Satz 1 genannten Gremien gebildeten Ausschüsse.

(2) Für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.

(3) Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.