Die Corona-Pandemie beeinflusst auch die Arbeit des Betriebsrates. Das Virus zwingt uns dazu, persönliche Kontakte zu vermeiden. Das Gespräch am Arbeitsplatz mit Kolleg*innen ist in gewohnter Weise kaum noch möglich. Mitglieder des Gremiums sind im Homeoffice oder stehen sogar unter Quarantäne. Aber in Zeiten einer Krise ist gute Betriebsratsarbeit besonders wichtig.
1. Soll der Betriebsratsvorsitzende Mitglieder und Ersatzmitglieder zur Sitzung einladen, die gerade greifbar sind?
Davor ist abzuraten. § 29 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt, wie zu einer Betriebsratssitzung einzuladen ist. Auch die Zusammensetzung des Gremiums ist nicht beliebig. Ersatzmitglieder rücken nur nach, wenn ein ordentliches Mitglied ausscheidet oder zeitweilig verhindert ist. Auch dafür gibt es Regeln, die unbedingt zu beachten sind.
Ausführlich unser Artikel: „Betriebsratsarbeit in Zeiten von Corona“
2. Ist es sinnvoll Betriebsratssitzungen in einer Videokonferenzabzuhalten?
Grundsätzlich ist eine Videokonferenz kein Ersatz für eine Betriebsratssitzung, an der die Mitglieder körperlich teilnehmen.
In seiner Sitzung am 22. April 2020 hat der Bundestag eine Ergänzung zum Betriebsverfassungsgesetz beschlossen. Betriebsräte haben die Möglichkeit, Beschlüsse vorerst auch via Video- und Telefonkonferenz zu fassen. Diese Regelung gilt bis zum 31. Dezember 2020. Sie tritt rückwirkend ab dem 1. März 2020 in Kraft, damit die bereits in Videokonferenzen gefassten Beschlüsse rechtswirksam bleiben.
Der Betriebsrat muss sicherstellen, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.
Eine entsprechende Regelung gilt auch für den Gesamtbetriebsrat, den Konzernbetriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung, die Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss.
3. Wer entscheidet, ob eine Betriebsratssitzung als telefon- oder Videokonferenz durchgeführt wird?
Der Betriebsratsvorsitzende entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die Betriebsratssitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz stattfindet. Allerdings hat er das Ermessen nur, wenn wichtige Voraussetzungen gegeben sind: Er muss sicherstellen können, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können und dass keine Aufzeichnungen der Konferenz stattfinden.
Kann der Vorsitzende nur eines dieser beiden Voraussetzungen nicht garantieren, darf er nicht zu einer Betriebsratssitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz einladen. Angesichts der derzeitigen technischen Möglichkeiten dürfte das allerdings schwierig sein. Auf jeden Fall muss die Kommunikation nicht über das offene Internet geführt werden, sondern über ein virtuelles privates Netzwerk (VPN), das einen verschlüsselten Fernzugriff auf Unternehmensanwendungen erlaubt.
Der Vorsitzende muss zunächst feststellen, dass eine Präsenzsitzung unter Einhaltung der Hygienevorschriften und des Abstandsgebotes nicht möglich ist. Die Vorschrift regelt nämlich ausdrücklich eine Ausnahme vom Präsenzprinzip mit Blick auf die besondere Situation aufgrund der Pandemie. Kann der Betriebsrat seine Sitzung unter Einhaltung der Pandemie-bedingten Verhaltensregeln durchführen, kommt weder eine Telefon- noch eine Videokonferenz in Frage.
4. Gibt es in Videokonferenzen Teilnehmerlisten?
Das BetrVG schreibt vor, dass über jede Sitzung des Betriebsrates ein Protokoll geführt werden muss und dass diesem eine Anwesenheitsliste beizufügen ist, in die sich jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eigenhändig einzutragen hat (§ 34 Absatz 1 BetrVG). Findet die Sitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz statt, müssen die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) definiert die Textform als eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird (§ 126b BGB). Es reicht also eine E-Mail.
5. Kann man einen Betriebsratsbeschluss im schriftlichen Umlaufverfahren treffen?
Das kann man nur mit einem klaren „NEIN“ beantworten.
Im Umlaufverfahren versendet der Betriebsratsvorsitzende eine Beschlussvorlage an die einzelnen Betriebsratsmitglieder. Diese haben dann die Möglichkeit über den Beschluss mit "Ja", "Nein" oder einer Enthaltung abzustimmen.
Bei dieser Vorgehensweise sind die Betriebsratsmitglieder entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht körperlich anwesend. Eine vorherige Beratung über den zu fassenden Beschluss und die direkte Einflussnahme auf die Willensbildung der Betriebsratskollegen ist nicht möglich. Beschlüsse können auf diesem Weg daher weder schriftlich noch telegrafisch oder fernmündlich gefasst werden.
6. Darf der Betriebsrat während der Corona-Pandemie zu einer Betriebsversammlung einladen?
Während der Kontaktsperre dürfte das ohnehin nicht erlaubt sein. Aber auch nach der Kontaktsperre sollte der Betriebsrat sorgfältig überlegen, ob eine Betriebsversammlung nötig ist.
Das BAG hat in einem Urteil vom März 2019 gesagt, dass der Betriebsrat gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung verstößt, wenn er trotz erhöhter Ansteckungsgefahr der Belegschaft zu einer Betriebsversammlung einlädt.
Bis Ende des Jahres können auch Betriebsversammlungen, Jugend- und Auszubildendenversammlungen sowie Betriebsräteversammlungen auch mittels audio-visueller Einrichtungen durchgeführt werden. Es muss dabei allerdings sichergestellt sein, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.
Anders als bei einer Betriebsratssitzung sind Telefonkonferenzen nicht möglich, da die Vorschrift insoweit ausdrücklich audio-visuelle Einrichtungen vorschreibt.
7. Wenn der Arbeitgeber Dienstreisen untersagt, gilt das auch für Reisen zu Schulungsveranstaltungen?
Nein, Reisen zu Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist sind keine Dienstreisen. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Betriebsrat beschließt, ein Mitglied zu einer Schulungsveranstaltung zu entsenden.
Derzeit dürften aufgrund der Kontaktsperre ohnehin keine Schulungen stattfinden. Auch nach Aufhebung der Kontaktsperre gilt hier: Der Betriebsrat sollte gründlich überlegen, ob die Teilnahme angesichts der Corona-Epidemie überhaupt sinnvoll ist.
8. Darf der Arbeitgeber den Betriebsrat anweisen, wegen der Corona-Pandemie seine Arbeit im Homeoffice zu verrichten?
Der Betriebsrat entscheidet grundsätzlich selbst, wo und wann er seine Arbeit verrichtet. Der Arbeitgeber hat diesbezüglich kein Weisungsrecht. Untersagen kann der Arbeitgeber eine Betriebsratssitzung in Hinblick auf Corona nicht.
9. Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen anordnet?
Es gibt keinen Grund für Arbeitgeber, die Rechte des Betriebsrates in Zeiten von Corona außer Acht zu lassen. Im Gegenteil: Gerade in dieser Zeit sind Betriebsräte gefordert, gibt ihnen das Gesetz doch die Pflicht auf, die Interessen der Arbeitnehmer*innen zu vertreten und vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Belegschaft zusammenzuarbeiten.
Der Betriebsrat bestimmt bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mit. Wenn der Arbeitgeber also das Tragen von Schutzkleidung oder Schutzmasken anordnet, unterliegt das der Mitbestimmung. Er hat auch ein echtes Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz.
Ausführlich unser Artikel : „Corona und Mitbestimmung des Betriebsrates“
und unser Artikel: „Mitbestimmung des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz“
10. Kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber Schutzmaßnahmen wegen der Ansteckungsgefahr verlangen?
Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht, weil Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen der Mitbestimmung unterliegen. Der Weg ist aber im Zweifel ein viel zu langer, wenn bereits während der Krise erst auf eine Betriebsvereinbarung hingearbeitet wird, gegebenenfalls mit Entscheidung durch eine Einigungsstelle.
Deshalb ist es sinnvoll, durch Gespräche mit dem Kolleg*innen herauszufinden, welche Maßnahmen sinnvoll sind und diese mit dem Arbeitgeber zu besprechen. Das Ergebnis sollte man in einer schriftlichen Betriebsabsprache festhalten.
11. Bestimmt der Betriebsrat mit, wenn der Arbeitgeber Homeoffice anordnet?
Der Arbeitgeber kann Homeoffice anordnen, wenn es der Arbeitsvertrag zulässt. Wenn dies der Fall ist, kann der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen Homeoffice anordnen.
Ist Arbeitsort nach dem Arbeitsvertrag eindeutig der Betrieb, kann der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht einfach per Direktionsrecht „nach Hause“ versetzen. Es ist vielmehr eine Änderungskündigung oder Einvernehmen mit dem Beschäftigten notwendig.
Ausführlich unser Artikel: „Rechte des Betriebsrates beim „Home Office““
und „Homeoffice: Was darf ich? Was muss ich?“
sowie „Homeoffice in Corona-Zeiten“
Was eine „Versetzung“ ist, ist im Rahmen des BetrVG anders zu beurteilen als nach dem Arbeitsvertragsrecht. Hinsichtlich der Mitbestimmung kommt es auf die objektiven betrieblichen Gegebenheiten an. Auch wenn die Versetzung individualrechtlich möglich ist, darf sie nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats erfolgen, selbst wenn der Beschäftigte zugestimmt hat. Der Betriebsrat hat nämlich die Interessen aller Arbeitnehmer*innen des Betriebes zu berücksichtigen. Und die Veränderung der Arbeitsbedingungen bei einzelnen Beschäftigten kann sich auf die Arbeitsabläufe im Betrieb auswirken.
Ordnet der Arbeitgeber Homeoffice an, ist die Zustimmung des Betriebsrats für jede einzelne Versetzung „nach Hause“ erforderlich. Er darf seine Zustimmung aber nur aufgrund einer der im Gesetz genannten Gründe verweigern.
Ausführlich unser Artikel: „Corona und Mitbestimmung des Betriebsrates“