Ein Lackierer aus dem Raum Osnabrück befand sich in Elternzeit. Von Beginn an gab es Streit mit dem Arbeitgeber über eine vereinbarte Teilzeittätigkeit während der Elternzeit. Der Mann musste zur Durchsetzung seines Rechts vor das Arbeitsgericht ziehen. Dort schloss er mit dem Arbeitgeber einen Vergleich.

Ein Vergleich mit detaillierten Vereinbarungen

Von April bis August 2020 wurde eine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden vereinbart. Dienstplan und Urlaub legten die beiden für diesen Zeitraum genau fest. Im April war der Mann bis Anfang Juni 2020 der Familienvater arbeitsunfähig erkrankt. Darin waren sich beide einig. Gemäß der Vereinbarung im Vergleich rechnete der Arbeitgeber die Arbeitszeit auf der Basis von 25 Wochenstunden ab.

Der Betroffene meinte nun, tatsächlich fehlten insgesamt 38 Stunden in den Abrechnungen. Er legte seine Arbeitszeitnachweise vor, die seine Annahme bestätigten. Ein Gespräch mit dem Arbeitgeber und einem Betriebsratsmitglied brachte nicht den gewünschten Erfolg. Der Chef schrieb ihm die Stunden nicht gut.

Im Dezember 2020 forderte der Lackierer seinen Chef dazu auf, die fehlenden Stunden seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.

Die Ausschlussfrist des Tarifvertrages

Der Chef weigerte sich. Die Geltendmachung sei zu spät erfolgt, hielt er seinem Mitarbeiter vor. Der anwendbare Tarifvertrag sehe eine Frist von drei Monaten vor. Diese habe der Mann nicht eingehalten.

Mit Unterstützung der Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Osnabrück ging es sodann zum Arbeitsgericht.

Der Arbeitgeber konnte das Gericht nicht überzeugen. Der Kläger habe seine Ansprüche nicht zu spät geltend gemacht, heißt es im Urteil. Kläger und Beklagte hätten zwar vereinbart, das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden abzurechnen. Dies schließe allerdings nicht aus, dass eine höhere tatsächliche Arbeitszeit, zu welcher die Beklagte den Kläger herangezogen habe, vergütet wird.

Die Arbeitszeitnachweise des Klägers

Die eingeklagten 38 Arbeitszeitstunden ergäben sich aus den vom Kläger vorgelegten Arbeitszeitnachweisen. Die Beklagte habe diese zu Unrecht nicht der Lohnberechnung zugrunde gelegt.

Auf den Tarifvertrag könne sich die Beklagte nicht berufen. Dieser gelte zwar für das Arbeitsverhältnis und der Kläger habe auch nachweislich die Zeitgutschrift erst nach Ablauf der darin festgelegten Frist von drei Monaten gefordert.

Darauf komme es jedoch nicht an. Ansprüche aus dem Arbeitszeitkonto würden zum einen nicht monatlich fällig, sondern erst dann, wenn das Arbeitszeitkonto geschlossen werde, beispielsweise am Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies sei geradezu der Sinn eines Arbeitszeitkontos, auf welchem fortlaufend Mehr- und Minderleistungen im Arbeitsverhältnis eingestellt würden.

Die Schließung des Arbeitszeitkontos

Das Arbeitszeitkonto beinhalte Arbeitszeiten, die weder tag-, noch wochen- und auch nicht monatsgenau abgerechnet würden. Erst mit Schließung des Arbeitszeitkontos stelle sich heraus, ob Minusstunden oder Mehrstunden fällig würden. Bei Klageerhebung sei das Arbeitszeitkonto des Klägers nicht geschlossen gewesen, was die Beklagte im Verfahren auch bestätigt habe.

Der Kläger hätte seine Ansprüche nicht schriftlich geltend machen müssen. Er habe seine Stunden mit Zeitnachweisen belegt. Auf Grund dieser Nachweise würden die betreffenden Arbeitsstunden des Klägers als vom Arbeitgeber anerkannt gelten.

Die Situation sei vergleichbar mit derjenigen, in welcher der Arbeitgeber die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ins Arbeitszeitkonto korrekt eingetragen habe und eine weitere Geltendmachung durch den* die Arbeitnehmer*in nicht mehr erforderlich sei.

Das Beschwerderecht des Betriebsverfassungsrechts

Im Übrigen habe der Kläger im Vorfeld des Verfahrens seine Ansprüche gemeinsam mit einem Mitglied des Betriebsrates schon mündlich vorgebracht. Der Kläger habe damit sein Beschwerderecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrgenommen. Der Arbeitgeber müsse anschließend über die Behandlung der Beschwerde entscheiden und - soweit er die Beschwerde für berechtigt erachte - ihr abhelfen.

Der Arbeitgeber habe auf die Beschwerde seines Mitarbeiters nichts Gegenteiliges geäußert. Darin liege eine Anerkennung der bislang nicht berücksichtigten Arbeitsstunden mit der Pflicht, diese ins Arbeitszeitkonto aufzunehmen.

Der Arbeitgeber habe darüber hinaus um die Beschwerde des Klägers gewusst. Deshalb könne er nun keine weitere schriftliche Geltendmachung mehr verlangen.

Das Urteil des Arbeitsgericht Osnabrück vom  3. August 2021 – 3 Ca 60/2 hier im Volltext


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Rechtliche Grundlagen

§ 84 BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz
§ 84 Beschwerderecht

(1) Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen.
(2) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Behandlung der Beschwerde zu bescheiden und, soweit er die Beschwerde für berechtigt erachtet, ihr abzuhelfen.
(3) Wegen der Erhebung einer Beschwerde dürfen dem Arbeitnehmer keine Nachteile entstehen.