Durch die Arbeit im Betriebsrat und anderen sozialpolitischen Aktivitäten sei die Erzieherin zu oft nicht in der Kita. Damit nötige sie ihre Kolleg*innen. Copyright by sp4764/Adobe Stock
Durch die Arbeit im Betriebsrat und anderen sozialpolitischen Aktivitäten sei die Erzieherin zu oft nicht in der Kita. Damit nötige sie ihre Kolleg*innen. Copyright by sp4764/Adobe Stock

Die AWO (Arbeiterwohlfahrt) betreibt als Verband der Freien Wohlfahrtspflege bundesweit unter anderem Kindertagesstätten. So auch im Bezirk Hagen - Märkischer Kreis. Der dortige Verein ist Arbeitgeberin der Klägerin.

Probleme wegen Betriebsratsarbeit?

Es gab in den 28 Jahren, in denen die Klägerin als Erzieherin für die AWO tätig ist, einige Veränderungen zur Vergütung und Arbeitszeit. Der Einsatz erfolgte in verschiedenen Kitas, zumeist und zuletzt ausschließlich in ihrem Wohnort Lüdenscheid.

Die Klägerin ist Mitglied im Betriebsrat. Angeblich gab es von den Kolleg*innen in der letzten Lüdenscheider Kita Beschwerden. Es sei zu Abstimmungsproblemen gekommen, wenn die Klägerin für die Arbeit im Betriebsrat freigestellt war. Deshalb kam es Ende 2018 sowie im Januar 2019 zu Personalgesprächen.

„Massives unkollegiales Verhalten bis hin zur Nötigung“

Das warf man der Klägerin vor. Die Arbeitgeberin ordnete an, die Klägerin solle ab Februar 2019 als eine Springerkraft in einer Kita in Hagen tätig sein.

Die Klägerin zog mit Unterstützung des DGB Rechtsschutzbüros in Hagen vor das Arbeitsgericht.

Zeitlich unbegrenzte Zuweisung eines anderen Arbeitsortes

Eine Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die

  • voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet,
  • oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

Bei der Weisung der Beklagten, die Klägerin solle ab Februar 2019 in der Kita in Hagen arbeiten, handelt es sich um eine Versetzung. Eine solche einseitige Anordnung ist Arbeitgebern grundsätzlich aufgrund ihres arbeitsrechtlichen Weisungsrechtes möglich.

Direktionsrecht des Arbeitgebers hat Grenzen

Das Direktionsrecht bezeichnet den Spielraum, den Arbeitgeber haben, um Änderungen ohne eine Zustimmung des Mitarbeiters oder eine Änderungskündigung durchzusetzen. Den Rahmen dafür, was der Arbeitgeber zu Inhalt, Zeit und Ort der Tätigkeit frei bestimmen kann, stecken die vertraglichen Regelungen ab.

Wer sich im Prozess auf sein Direktionsrecht beruft, muss darlegen, dass er sich mit den wesentlichen Aspekten auseinandergesetzt und die eigenen Interessen mit den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers abgewogen hat.

Tarifvertrag beschränkt die möglichen Gründe für eine Versetzung

Bei der Klägerin kommt hinzu, dass der Tarifvertrag für die Arbeiterwohlfahrt in Nordrhein-Westfalen gilt. Nach § 10 können die Beschäftigten aus unternehmerischen oder betrieblichen Gründen in zumutbarem Umfang versetzt oder abgeordnet werden.

Dabei kann ein betrieblicher Grund auch in der Person des Arbeitnehmers liegen. Streitigkeiten zwischen Kolleg*innen können dabei auch eine Rolle spielen, wenn die Differenzen erheblich sind und sich nicht anders lösen lassen, als einen Mitarbeiter aus dem Spiel zu nehmen.

Kein betrieblicher Grund erkennbar

Doch genau an diesem entscheidenden Punkt war der Vortrag der Arbeitgeberin viel zu dünn. Dem Gericht lagen keine schriftlichen Beschwerden von Arbeitskollegen der Klägerin vor. Probleme wurden pauschal behauptet, aber nicht konkret genannt. Die Richter hörten deshalb die von der Arbeitgeberin benannte Zeugin auch nicht. Die Vernehmung wäre auf eine Ausforschung gerichtet und damit unzulässig gewesen.

Die Arbeitsrichter konnten also einen betrieblichen Grund für eine Versetzung nicht erkennen. Sie erklärten die Weisung der AWO für rechtsunwirksam.

Rechtsstreit ist in der Berufung

Die Arbeitgeberin gab sich mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Hagen nicht zufrieden. In der zweiten Instanz aber vermochte sie die Gründe für eine Versetzung der Klägerin nicht plausibler zu machen.

Ein Urteil gibt es zunächst beim Landesarbeitsgericht Hamm nicht. Auf Vorschlag des zuständigen Richters versuchen die Parteien über ein freiwilliges gerichtliches Güterichterverfahren zu einem Kompromiss zu kommen.

Hier geht es zum Urteil

LINKS:
Weitere Infos zur Versetzung gibt es hier:
Müssen Arbeitnehmer*innen Versetzungen akzeptieren?

Das sagen wir dazu:

Bei der AWO bezeichnet man sich als soziales Dienstleistungsunternehmen mit den Werten Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. An der Einhaltung dieser Werte gegenüber den eigenen Mitarbeitern muss man zumindest in diesem Fall zweifeln. So kündigte der Prozessbevollmächtigte der AWO bei der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht unverhohlen die nächste Versetzung an, falls es mit der strittigen nichts wird. Manche Arbeitgeber greifen auf eine angebliche Störung des Betriebsfriedens zurück, wenn sie sonst nichts auf der Hand haben. Auch hier hat die Arbeitgeberin behauptet, es gäbe für die anderen Mitarbeiter in der Kita keine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin. Belegen konnte sie das aber nicht, was eigentlich schon alles sagt. Die Klägerin ist nicht nur Mitglied im Betriebsrat, sondern auch in der Tarifkommission der Gewerkschaft. Zudem ist sie als Ehrenamtliche Richterin tätig. Dazu heißt es von der Arbeitgeberin, ein Teil der Problematik im Kollegkreis ergebe sich daraus, dass die Klägerin „im Rahmen ihrer Tätigkeiten sozialpolitische Aktivitäten entfalte“. Dazu stellt das Arbeitsgericht erfreulicherweise fest: Diese Aktivitäten stellen keinen Grund für eine Versetzung dar!