Der Weltfrauentag und die Nelke: ein Zeichen der Gleichberechtigung. Copyright by Adobe stock/Elenglush
Der Weltfrauentag und die Nelke: ein Zeichen der Gleichberechtigung. Copyright by Adobe stock/Elenglush

Gewerkschaften beteiligen sich alljährlich bundesweit mit Aktionen und Veranstaltungen am Internationalen Frauentag. Dieses Jahr ist es nicht so wie sonst. Es gibt keine Großveranstaltungen, wir werden uns nicht einmal im kleinen Kreis zusammenfinden können.


Jedes Jahr steht der Internationale Frauentag unter einem bestimmten Motto

Der Internationale Frauentag des Jahres 2020 stand für die Gewerkschaften unter dem Motto: „Wir fairändern: #fairsorgen, #fairgüten, #fairteilen“. Für 2021 verkündeten die Vereinten Nationen das Motto: „Frauen in Führungspositionen: Eine gleichberechtigte Zukunft in einer COVID-19-Welt erreichen“.
„Das Thema soll die enormen Anstrengungen von Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt feiern, eine gleichberechtigte Zukunft zu gestalten und sich von der COVID-19-Pandemie zu erholen“, sagt die UN-Frauenorganisation.


Frauen stehen in der Krise in vorderster Front

Die UN-Frauenorganisation sagt dazu weiter, Frauen stünden an vorderster Front der COVID-19-Krise als Beschäftigte im Gesundheitswesen, als Betreuerinnen oder auch als Organisatorinnen von Gemeinschaften. Die Bekämpfung der Pandemie erfolge durch Frauen in vorbildlicher und effektiver Weise. Die Krise habe damit sowohl die zentrale Bedeutung der Beiträge von Frauen deutlich gemacht, als auch gezeigt, dass gerade Frauen hierdurch unverhältnismäßig belastet seien.
 
Frauen in Führungspositionen und Frauenorganisationen hätten ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Netzwerke unter Beweis gestellt. Den Kampf gegen COVID-19 hätten gerade diese Frauen damit deutlich vorangetrieben. Heute werde mehr denn je akzeptiert, dass Frauen unterschiedliche Erfahrungen, Perspektiven und Fähigkeiten als Männer hätten. Sie leisteten unersetzliche Beiträge zu Entscheidungen, Richtlinien und Gesetzen, die für alle besser funktionierten.
 

Die Krise wird auch im Kleinen gemanagt

Die Managerinnen der Krise sind keineswegs nur Frauen in Führungspositionen wie es das Motto der UN-Frauenorganisation auf den ersten Blick glauben macht!
 
Nicht umsonst sagt die Werbung über Frauen, die sich der Familie voll und ganz widmen, sie managten ein kleines Familienunternehmen. Um wie viel höher ist die Belastung und die Verantwortung von Frauen, die nicht nur voll und ganz im Beruf stehen, sondern darüber hinaus Kinder erziehen, einen Haushalt führen und noch vielfältige weitere Aufgaben haben. In der Pandemie steigt gerade die Belastung von Frauen immens.
 
Neben dem Homeoffice leisten sie Homescooling, sie kochen, sie waschen, sie betreuen und vieles mehr. Die Verteilung der Aufgaben zu Hause und im Haushalt erfolgt oft noch nach klassischen Rollenbildern.
 

Männer und Frauen nehmen die Aufgabenteilung im Haushalt unterschiedlich wahr

Nach einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung scheinen Männer das allerdings anders wahrzunehmen. Für sie ist die Aufgabenverteilung zu Hause gerecht. Es sind jedoch hauptsächlich Frauen, die unter der derzeitigen Krisensituation leiden. Sind wir damit tatsächlich zum alten Rollenbild zurückgekehrt?
 
Nein, aus meiner Sicht ist es bei weitem schlimmer. Lassen Sie mich an dieser Stelle Paul Watzlawik zitieren, zugegeben ein Mann, aber ein großer Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Philosoph und Autor des 20. Jahrhunderts: „Das Gegenteil von schlecht muss nicht gut sein - es kann noch schlechter sein".
 

Frauen reduzieren in der Krise ihre Arbeitszeit

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) hat die Auswirkungen der Coronakrise auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern untersucht. Danach haben insbesondere Frauen in der Krise ihre Arbeitszeit reduziert. Das WSI meint, ein Teil der Frauen, die ihre Arbeitszeit im Lockdown deutlich reduzieren mussten, könnte anschließend Schwierigkeiten haben, zu ihrer alten Arbeitszeit zurückkehren zu können.
 
„Einmal reduziert, immer reduziert“ könnte es heißen.
 
Eine repräsentative Umfrage des WSI hat ergeben, dass Frauen, die schon weit verbreitet in Teilzeit arbeiten, in der Krise zusätzlich Stunden reduzieren. Damit werde die geschlechtsspezifische Differenz der Erwerbsstunden zwischen Männern und Frauen größer. Neben der sofortigen Einbuße im Einkommen bringe diese Arbeitszeitreduzierung für Frauen auch mittel- und langfristige Nachteile. Die Rente werde geringer. Das Arbeitslosengeld sei niedriger und gegebenenfalls auch das Elterngeld.
 

Frauen arbeiteten früher überwiegend im Haushalt

Mitte des letzten Jahrhunderts gingen Frauen in Westdeutschland vielfach noch keiner eigenen beruflichen Tätigkeit nach. Der Mann war für den Familienunterhalt zuständig. Die Frau blieb zu Hause, hütete die Kinder und war für alles andere verantwortlich. Dazu hatte sie die Zeit. Auf der Strecke blieben ihre eigene Qualifizierung, ihre Selbstständigkeit und auch die eigenständige finanzielle Versorgung im Alter.
 
Die Welt hat sich gewandelt - und das ist gut so. Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass Frauen ein Recht auf eine Ausbildung und ein eigenes Einkommen haben. Sie werden damit finanziell unabhängig und selbstbewusst. Ihr Leben wird selbstbestimmter.
 

Die Pandemie wirft die Organisation von Job und Kinderbetreuung durcheinander

Ausbildung, Kindererziehung, Haushalt: alles ist zwischenzeitlich gut organisiert. Für Kinder gibt es Betreuungen in Kitas und Kindergärten und für Senioren stehen Pflegeeinrichtungen zur Verfügung.. Da funktioniert dann auch der Job der Frau. Wenn alles normal funktioniert!
 
Die Pandemie wirft diese Strukturen völlig durcheinander. Wenn Frauen nun das althergebrachte Rollenbild als Mutter und Organisatorin der Familie neben ihrer vollen beruflichen Tätigkeit wahrnehmen müssen, dann hilft auch Homeoffice nicht weiter. Die Belastung steigt. Da bleibt nur die Hoffnung, dass die Frau stark genug ist, diese Krise zu überwinden.
 

Es gab immer schon starke Frauen, die sich für die Gleichberechtigung eingesetzt haben

Anfang 2019 trat zum ersten Mal eine Frau ans Rednerpult in einem deutschen Parlament. Es war die SPD-Abgeordnete Marie Juchacz. In einer souveränen und selbstbewussten Rede hatte sie den Mut, die traditionelle bürgerliche Höflichkeitsformel „Meine Damen und Herren“ umzuwandeln in „meine Herren und Damen“ - ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die Damen im Plenum gleichberechtigt fühlen und ihren männlichen Kollegen dieselbe Höflichkeit erweisen, wie umgekehrt.
 
Dr. Elisabeth Selbert engagierte sich schon 1948 mit der Entstehung des Grundgesetzes für die Rechte der Frauen. Sie initiierte die anfangs sehr kontrovers diskutierte Formulierung im Grundgesetz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.
 

Große Frauen des letzten Jahrhunderts haben die Frauenbewegung stark geprägt

Marie Curie, Nobelpreisträgerin und Physikerin, sagte einst: „Träume dir dein Leben schön und mach aus diesen Träumen eine Realität“. Ein weiser Spruch zu seiner Zeit. Heute kann man sich schon eher von Astrid Lindgren, Kinderbuchautorin und Schriftstellerin, inspirieren lassen, die einst sagte: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!".
 
All die großen Frauen des letzten Jahrhunderts kämpften für mehr Gleichberechtigung, Qualifizierung und eigenes Selbstbewusstsein. Die Fortschritte, die sie dabei erzielten, erhalten in diesem schweren Jahr der Pandemie einen großen Dämpfer. Es wird klar, dass all das, was Politiker zur Gleichberechtigung von Mann und Frau sagen, doch teilweise nur in deren Köpfen existiert.
 

Die Realität in der Pandemie sieht anders aus

 
In der Realität ist es noch ein weiter Weg, bis auch in solchen schwierigen Phasen die Männer mit ihren Frauen gleichwertige Partner im Managen eines kleinen Familienunternehmens werden.
 
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Paul Watzlawik schließen: „Ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, ich kann sie gestalten“.
 
Ich wünsche alle Frauen, dass sie auch in dieser Pandemie die Kraft finden, ihre eigene Wirklichkeit selbst zu gestalten - auch wenn es schwer fällt.

Historische Rede von Marie Juchacz' im Reichstag

Dr. Elisabeth Selbert

Saarbrücker Zeitung 09. Februar 2021

DGB Rechtsschutz: Internationaler Frauentag: Corona macht erkämpfte Fortschritte rückgängig

DGB Internationaler Frauentag

Veröffentlichung Bertelsmannstiftung

UN-Frauenorganisation