Erst war es gar nicht so schlimm. Der Schmerz kam erst nach mehreren Monaten. Copyright by Adobe Stock/Khunatorn
Erst war es gar nicht so schlimm. Der Schmerz kam erst nach mehreren Monaten. Copyright by Adobe Stock/Khunatorn

Der Kläger, ein saarländischer Polizist, war auf dem Rückweg von einer Tatortaufnahme. Er ging einen Abhang hinab und rutschte dabei aus. Den Sturz konnte er mit der linken Hand abfangen. Er spürte zunächst nur einen kurzen Schmerz im Handgelenk. Des Weiteren trat eine kleine blutende Wunde auf, verursacht durch das Armband seiner Uhr.
 

Der Schmerz war weg

Der Schmerz ließ in den nächsten Tagen deutlich nach. Einige Monate später änderte sich das. Der Schmerz verstärkte sich erheblich und bestand nun dauerhaft. Der Kläger zeigte den Unfall nun erst gegenüber seinem Vorgesetzten an.
 
Die Behandlung des Klägers ergab, dass im Handgelenk zwischenzeitlich eine Osteonekrose aufgetreten war. Das ist ein sogenannter „Knocheninfarkt“, bei dem das betroffene Knochengewebe abstirbt.
 

Der Dienstherr erkannte nur die Verstauchung des Handgelenkes an

Der Dienstherr erkannte den Unfall an. Als Folge des Unfalles stellte er jedoch lediglich eine Verstauchung des Handgelenks fest. Die Osteonekrose berücksichtigte er nicht. Der behandelnde Arzt habe diese Beschwerden erst lange nach dem Unfall diagnostiziert. Damit könne der Kläger nicht sicher nachweisen, dass der Dienstunfall zu der Osteonekrose geführt habe.
 
Der Polizeiarzt verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass Polizeibeamte nach der geltenden Verwaltungsvorschrift verpflichtet seien, außerhalb der Betreuungsmöglichkeiten des Polizeiarztes unverzüglich einen Durchgangsarzt aufzusuchen, wenn sie einen Dienstunfall erleiden. Das habe der Kläger nicht getan. Der Zusammenhang der Beschwerden mit dem Unfall könne deshalb nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden. Das habe der Kläger selbst zu vertreten.
 

Der Dienstherr verwies auf den Zeitablauf

Der Dienstherr berücksichtigte die Osteonekrose bei seiner Entscheidung nicht, obwohl mehrere Untersuchungen diese zweifelsfrei bestätigten. Allein die verstrichene Zeit bis der Kläger erstmals einen Arzt aufsuchte, begründe Zweifel daran, dass die Erkrankung mit dem Unfall zusammenhänge.
 
Das Verwaltungsgericht sah das anders. Ein Dienstunfall sei ein Ereignis,  

  • das plötzlich auftritt, während der Beamte seinen Dienst ausübt,
  • bei dem etwas von außen auf den Körper einwirkt und
  • das zu einem Körperschaden geführt hat.

 

Der Dienstherr muss auch Folgeschäden berücksichtigen

Der Sturz des Klägers auf das linke Handgelenk sei zweifelsfrei ein Dienstunfall gewesen. Der Kläger habe auch einen Körperschaden erlitten. Er habe sich zunächst das Handgelenk verstaucht. Aber auch Folgeschäden müsse der Dienstherr berücksichtigen, wenn diese mit dem erlittenen Unfall ursächlich zusammenhingen.
 
Ursächlich für einen Schaden seien dabei nur solche Bedingungen, die an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hätten. Das führe zu einer sachgerechten Verteilung des Risikos. Die spezifischen Gefahren der Tätigkeit der Beamten und die damit typischerweise verbundenen Risiken, Schäden zu erleiden, müsse der Dienstherr tragen. Risiken, die sich aus persönlichen Gründen ergäben, gingen demgegenüber zulasten der Beamten.
 

Nur wesentliche Ursachen zählen

Dabei genüge es, dass der Dienstunfall wesentlich an dem Eintritt des Schadens mitgewirkt habe. Gebe es demgegenüber eine andere ausschlaggebende Ursache, sei das anders. Das gleiche gelte, wenn nur eine sogenannte Gelegenheitsursache vorliege. Dabei bestehe nur ein rein zufälliger Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn eine krankhafte Veranlagung zu den Beschwerden führe oder ein solches anlagebedingt vorhandenes Leiden so leicht angesprochen werden konnte, dass es bei jeder anderen Gelegenheit zu dem Gesundheitsschaden hätte kommen können.
 

Das Gesetz fordert eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit

Den ursächlichen Zusammenhang müsse der Kläger selbst beweisen. Das Gesetz fordere, dass der jeweilige Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Diesen Nachweis habe der Kläger erbracht. Er habe sich die linke Hand verletzt, dass stehe außer Streit. Infolge dieser Verletzung sei auch die Osteonekrose entstanden.
 
Grundsätzlich müsse es der Beamte zwar vertreten, wenn er seine Unfallanzeige erst mehrere Monate nach dem Ereignis erstatte und er infolgedessen den notwendigen Nachweis nicht mehr erbringen könne. Die Osteonekrose, die beim Kläger vorliege, trete aber ohnehin nicht unmittelbar nach einem Unfall auf. Sie entwickelte sich im Laufe der Zeit und könne damit überhaupt noch nicht sofort festgestellt werden.
 

Der Beklagte legte einen zu strengen Maßstab an

Die Verwaltungsvorschriften des Beklagten verpflichteten die Beamten, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen. Hier lege der Beklagte jedoch einen zu strengen Maßstab an. Ohne weitere Prüfung lehne er einen ursächlichen Zusammenhang ab, wenn der betroffene Beamte nicht unverzüglich nach dem Unfall einen Arzt aufgesucht hat. So dürfe der Dienstherr jedoch nicht vorgehen.
 
Das Gesetz schreibe die Fristen vor, die der Dienstherr anwenden müsse. Einen Unfall könne ein Beamter innerhalb von zwei Jahren anzeigen. Diese Frist könne der Dienstherr durch Verwaltungsvorschriften nicht einfach abändern. Der Hinweis in den Verwaltungsvorschriften, sofort zum Arzt zu gehen, könne daher allenfalls eine Pflicht des Beamten darstellen. Deren Verletzung könne sich zu seinem Nachteil auswirken, müsse es aber nicht.
 

Es kommt auf den Einzelfall an

Der Dienstherr müsse immer den Einzelfall prüfen. Es käme dabei darauf an, ob der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden nach allgemeinen Beweisregeln nachgewiesen sei.
 
Beim Kläger bestehe eine Osteonekrose im linken Handgelenk. Dieser Befund sei nachgewiesen. Der Sturz, den der Kläger erlitten habe, könne eine solche Erkrankung durchaus auch hervorrufen. Im Falle des Klägers gebe es im Übrigen mehrere Beweiszeichen, die dafür sprächen, dass der Unfall die Verletzung hervorgerufen habe.
 

Knochennekrosen treten erst nach Monaten auf

Die Krone des Uhrarmbandes habe sich beim Sturz im Bereich der Handwurzelknochen befunden. Knochennekrosen würden auch typischerweise erst Monate nach dem auslösenden Ereignis auftreten. Der Knochen sterbe hierbei ab. Das dauere seine Zeit.
 
Selbst wenn der Kläger seinen Unfall unverzüglich angezeigt hätte, wäre die Osteonekrose zu diesem Zeitpunkt definitiv noch nicht vorhanden gewesen. Der bloße Zeitablauf könne deshalb für den Kläger keine Beweisschwierigkeiten hervorgerufen haben. Da letztlich kein vernünftiger Zweifel daran bestanden habe, dass die Osteonekrose durch den Sturz entstanden wäre, müsse der Beklagte diese Erkrankung als Unfallfolge anerkennen.

 

Hier geht es zum Urteil