Was kann denn noch lebensgefährlicher sein als das Feuer alleine? Copyright by Adobe Stock/Michael Stifter
Was kann denn noch lebensgefährlicher sein als das Feuer alleine? Copyright by Adobe Stock/Michael Stifter

Der Kläger war Brandmeister im Dienst einer saarländischen Stadt. Ein schwerer Wohnungsbrand traumatisierte ihn stark. Der Dienstherr versetzte ihn infolgedessen in den Ruhestand. Zuvor erkannte er die psychische Erkrankung des Klägers als Dienstunfall an.
 

Was war geschehen?

Der Kläger war bei einem Wohnungsbrand eingesetzt, bei dem er Menschen retten musste. Er sah dabei auch stark entstellte Kinderleichen. Der Kläger gab an, er habe sich in der Brandwohnung aufhalten müssen und sich dort einer erhöhten Lebensgefahr ausgesetzt. Seine Kollegen hätten das Feuer zwar relativ schnell unter Kontrolle gebracht, zeitgleich hätten sie jedoch zwei tote Kinder gefunden.
 
Der Kläger arbeitete nach dem Leichenfund in einer anderen Wohnung des Hauses. Er überprüfte im Dachgeschoss, ob Nachlöscharbeiten notwendig waren. Letzteres war seinen Angaben zufolge mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Decke des Raumes und der Holzfußboden hätten bandbedingte Löcher aufgewiesen. Der Boden habe jeden Moment einstürzen können. Schließlich habe ihn die Atemschutzmaske sehr stark behindert.
 

Wann liegt ein qualifizierter Dienstunfall vor?

Ein qualifizierter Dienstunfall setzt voraus, dass ein*e Beamter*in sich bei einer Diensthandlung einer besonderen Lebensgefahr aussetzt. Dadurch muss es zu einem Dienstunfall kommen, der dauernde Dienstunfähigkeit verursacht und schließlich eine Versetzung in den Ruhestand nach sich zieht. Beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen des Dienstunfalles zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung wenigstens 50 v.H., liegt ein qualifizierter Dienstunfall vor.
 
Erkennt der Dienstherr einen qualifizierten Dienstunfall an, muss er an seine*en Beamten*in ein erhöhtes Ruhegehalt zahlen.
 

Was sagt der Dienstherr dazu?

Der Kläger habe sich bei seinem Einsatz keiner besonderen Lebensgefahr ausgesetzt, so der Dienstherr. Er sei zwar zunächst vorgerückt, um Menschen zu retten. Er habe das Gebäude jedoch erst betreten, als der Brand schon unter Kontrolle gewesen sei. Andere Trupps hätten die Kinderleichen bereits zuvor gefunden. Daher habe er letztlich auch nur Nachlöscharbeiten verrichtet. Über Funk habe er auch vom Leichenfund hören können. Zum Zeitpunkt seines Einsatzes habe er nicht mehr befürchten müssen, dass sich die Gefahr weiter ausbreite.
 

Wie sah es beim Kläger aus?

Zwei Jahre nach dem Unfall traten beim Kläger psychischen Probleme auf. Der Dienstherr erkannte bei ihm einen Dienstunfall an. Als Unfallfolge stellte er eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. fest.
 
Der Kläger war seither durchgehend dienstunfähig. Schließlich versetzte sein Dienstherr ihn in den Ruhestand. Einen qualifizierten Dienstunfall erkannte er jedoch nicht an. Damit war der Kläger nicht einverstanden und beschritt den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht.
 

Wie entschied das Gericht?

Der Kläger habe sich keiner besonderen Lebensgefahr ausgesetzt, schreibt das Verwaltungsgericht im Urteil. Nur dann käme die Anerkennung eines qualifizierten Dienstunfalles in Betracht. Es müsse nämlich eine Lebensgefahr bestanden haben, die über die Lebens- oder Gesundheitsgefährdung hinausgehe, welche typischerweise bei seiner Arbeit auftrete. Dabei müsse der Verlust des Lebens wahrscheinlich oder doch sehr naheliegend sein.
 
Maßgeblich sei nicht das übliche Berufsrisiko. Die gesteigerte Gefährdungslage in einer besonderen Situation müsse die Unfallverletzung hervorgerufen haben. Dabei müsse sich der Beamte der Gefährdung seines Lebens auch bewusst sein.
 

War das Leben des Klägers gefährdet?

Der Kläger habe zweifelsohne eine Tätigkeit verrichtet, die sein Leben gefährden konnte. Es habe sich jedoch nicht um eine Tätigkeit gehandelt, bei welcher er typischerweise auch mit dem Verlust seines Lebens rechnen musste. Gerade aufgrund seiner Ausbildung und technischen Ausrüstung sei er normalerweise in der Lage gewesen, ein brennendes Haus zu betreten und Menschen zu retten.
 
Als er das brennende Haus betrat, sei für ihn jedoch keine besondere Lebensgefahr entstanden. Der Feuerwehreinsatz sei routinemäßig abgelaufen. Auch das Atemschutzgerät habe zu keiner besonderen Gefährdung des Klägers geführt. Dies schützte ihn vielmehr vor schädlichen Gasen. Der psychisch belastende Anblick von Kinderleichen sei nicht lebensgefährlich.
 
Das gelte auch für die Nachlöscharbeiten auf dem Dachboden. Dort habe der Kläger keine Menschen mehr retten müssen. Weil alles routiniert abgelaufen sei, habe er sich einer besonderen Gefahr nicht mehr aussetzen müssen.
 

Wie erklärt das Gericht die Rechtslage darüber hinaus?

Der Dienstunfall muss nach dem Gesetz infolge einer besonderen Lebensgefahr aufgetreten sein, die mit der Diensthandlung verbunden ist. Das Verwaltungsgericht sah im hiesigen Fall schon die besondere Lebensgefahr nicht. Es führt im Urteil aber weiter aus, selbst wenn eine Diensthandlung mit besonderer Lebensgefahr anerkannt würde, sei jedoch nicht davon auszugehen, dass die besondere Lebensgefahr Ursache des Unfalles gewesen sei.
 
Das Gericht erklärt das ganz einfach:
Verfolge ein Polizeibeamter einen um sich schießenden Einbrecher und stürze dieser dabei über einen im Weg liegenden Stein, erleide er keinen qualifizierten Dienstunfall. Das Unfallereignis - der Sturz - sei nämlich nicht auf die besondere Gefährdung - den um sich schießenden Einbrecher - zurückzuführen. Es liege damit zwar ein Unfall vor, aber kein qualifizierter Dienstunfall.
 
Ähnlich sei das beim Kläger gewesen. Bei ihm habe sich die konkrete Gefahr für Leib und Leben, der er beim Betreten des brennenden Hauses ausgesetzt gewesen sei, nicht dadurch verwirklicht, dass er Kinderleichen sah. Die psychischen Beeinträchtigungen seien damit auch nicht auf eine konkret lebensgefährliche Situation im Einsatz zurückzuführen. Ein qualifizierter Dienstunfall liege deshalb nicht vor.

Hier geht es zum Urteil
 
Lesen Sie dazu auch:

Anforderungen an das Vorliegen der besonderen Lebensgefahr eines qualifizierten Dienstunfalles beim Einsatz eines Feuerwehrbeamten

Der Vergeltungsangriff

Das sagen wir dazu:

Mit den gesetzlichen Bestimmungen zum qualifizierten Dienstunfall wollte der Gesetzgeber nicht generell gefährliche Tätigkeiten von Beamten unter erhöhten Schutz stellen.

Für den qualifizierten Dienstunfall ist es deshalb besonders wichtig, zu wissen, dass zum einen eine Lebensgefährdung bestehen muss, die über das übliche Maß dessen hinausgeht, was bei der entsprechenden Tätigkeit an Gefährdung ohnehin zu erwarten wäre. Es bedarf daher immer einer Einzelfallbetrachtung.

Beamte müssen sich bewusst entscheiden

Der Beamte darf sich auch nicht blind in diese Situation hineinstürzen. Ihm muss jederzeit bewusst sein, dass er mit der vorgesehenen Diensthandlung konkret auch sein eigenes Leben gefährdet. Im Wissen um diese Lebensgefährdung muss er dann die bewusste Entscheidung treffen, die Handlung dennoch vorzunehmen.

Der Polizeibeamte, der einen um sich schießenden Einbrecher verfolgt, setzt sich zweifelsohne einer Lebensgefahr aus. Auch Polizeibeamte müssen nicht damit rechnen, sich Schusssalven auszusetzen. Entscheidet sich der Beamte trotz der Schlüsse den Einbrecher weiterzuverfolgen, ist damit sicher eine besondere Lebensgefährdung verbunden und das weiß er auch. Wird er getroffen, schwer verletzt und schließlich Zurruhe gesetzt, kann man den qualifizierten Dienstunfall annehmen.

Stürzt er jedoch wie von Verwaltungsgericht angegeben über einen Stein, dann ist für seine Verletzung nicht der um sich schießende Einbrecher verantwortlich, sondern der Stein, den er nicht sah. In seiner Unfallverletzung hat sich damit auch nicht die besondere Lebensgefährdung realisiert.

Für die Praxis ist es wichtig, diesen Unterschied genau zu erkennen und entsprechend zu argumentieren.

Rechtliche Grundlagen

§ 37 Beamtenversorgungsgesetz

(1) Setzt sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aus und erleidet er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall, so sind bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass sich für Beamte der Laufbahngruppe des einfachen Dienstes die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge mindestens nach der Besoldungsgruppe A 6, für Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 9, für Beamte der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 12 und für Beamte der Laufbahngruppe des höheren Dienstes mindestens nach der Besoldungsgruppe A 16 bemessen; die Einteilung in Laufbahngruppen gilt für die Polizeivollzugsbeamten, die sonstigen Beamten des Vollzugsdienstes und die Beamten des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr entsprechend.
(2) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn der Beamte

1.
in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff oder
2.
außerhalb seines Dienstes durch einen Angriff im Sinne des § 31 Abs. 4

einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen erleidet.
(3) Unfallruhegehalt nach Absatz 1 wird auch gewährt, wenn ein Beamter einen Einsatzunfall oder ein diesem gleichstehendes Ereignis im Sinne des § 31a erleidet und er infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Einsatzunfalls oder des diesem gleichstehenden Ereignisses in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist.
(4) (weggefallen)