Es war wie so oft in den letzten Jahren: einer der verbliebenen Beamten der Deutschen Telekom AG stritt um seine Beförderung. Seine dienstliche Beurteilung, die der Beförderungsentscheidung des Dienstherrn zugrunde lag, war seiner Auffassung nach nicht ausreichend begründet. Gemeinsam mit dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz aus Koblenz zog er vor das Verwaltungsgericht, um die Besetzung der gewünschten Stelle mit einem Konkurrenten im Rahmen eines Eilverfahrens vorläufig zu stoppen.
 

Der DGB Rechtsschutz siegte vor dem Verwaltungsgericht Koblenz

Das Verwaltungsgericht Koblenz gab auch diesem Beamten recht wie zuvor bundesweit auch andere Gericht in ähnlich gelagerten Verfahren. Das Besondere an dieser Entscheidung ist jedoch, dass das Gericht seinen Beschluss in einer Art und Weise begründet, die sich durchaus auch dem juristischen Laien erschließt.
 
Will ein Beamter die Beförderung eines Konkurrenten im Eilverfahren vorläufig stoppen, muss er zunächst ein Recht, das gesichert werden soll, glaubhaft machen. Auch muss er glaubhaft machen, dass er das Recht nicht mehr verwirklichen kann, wenn es das Gericht nicht vorläufig sichert. Damit solle vorläufig verhindert werden, dass ein Konkurrent die gewünschte Stelle erhält.
 

Das Gericht prüft auch im Eilverfahren alle Voraussetzungen für die Beförderung

Die getroffene Auswahlentscheidung müsse fehlerhaft sein und es müsse darüber hinaus für den Fall der Wiederholung der Auswahlentscheidung zumindest möglich erscheinen, dass der*die Beamte*in zum Zuge kommen könnte.
 
Dabei müsse das Gericht auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Prüfungsmaßstab anlegen wie im Hauptsacheverfahren. Das gelte für den Umfang und die Tiefe der rechtlichen Überprüfungen gleichermaßen.
 

Beförderungen richten sich nach Artikel 33 Absatz 2 GG

Nach dem verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz niedergelegten Leistungsgrundsatz hätten Beamte Anspruch darauf, dass ihr Dienstherr über ihre Bewerbungen um ein Beförderungsamt ohne Ermessens- oder Beurteilungsfehler entscheide. Es handele sich dabei um den sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruch.
 
Das Gericht könne diesen jedoch nur eingeschränkt überprüfen. Die gerichtliche Kontrolle von Auswahlentscheidungen beschränke sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen könne, verkannt habe. Das Gericht könne außerdem nachprüfen, ob die Verwaltung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei oder allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet habe. Schließlich könne es auch sachfremden Erwägungen nachgehen.
 

Öffentliche Ämter werden nach Eignung, Leistung und Befähigung vergeben

Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz gebe vor, dass öffentliche Ämter nur nach den Kriterien vergeben werden dürften, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen betreffen. Der Dienstherr dürfe ein Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund dieser Vorgaben anhand eines Leistungsvergleichs für den am besten Geeigneten ausgewählt habe.
 
Dazu müsse er dienstliche Beurteilungen heranziehen, die aktuell und hinreichend differenziert seien. Diese müssten auch auf gleichen Bewertungsmaßstäben wie diejenigen der Konkurrenten beruhen. Maßgeblich sei dabei dann in erster Linie das abschließende Gesamturteil. Dies müsse sich immer daraus ergeben, dass die einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gewürdigt, gewichtet und abgewogen würden.
 

Bei gleichen Gesamturteilen müssen Beurteilungen inhaltlich ausgewertet werden

Wiesen Konkurrenten das gleiche Gesamturteil auf, müsse der Dienstherr die Beurteilungen zunächst inhaltlich auswerten und dabei zur Kenntnis nehmen, ob es Differenzierungen in der Bewertung der einzelnen Leistungskriterien oder der Gesamtwürdigung gegeben habe. Dabei müsse er darauf achten, gleiche Maßstäbe anzulegen.
 
Lasse auch eine inhaltliche Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen keine Auswahl unter den Bewerbern zu, dürfe der Dienstherr frühere Beurteilungen berücksichtigen. Erst wenn alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und die Bewerber danach im Wesentlichen gleich einzustufen seien, könne der Dienstherr auf Hilfskriterien zurückgreifen.
 

Die dienstliche Beurteilung ist unbrauchbar für den Qualifikationsvergleich

Das Verwaltungsgericht macht an dieser Stelle der Deutschen Telekom AG das Leben schwer. Die dienstliche Beurteilung des Beamten sei unbrauchbar für den Qualifikationsvergleich, den der Dienstherr vornehmen müsse.
 
Sie verstoße nämlich gegen allgemeingültige Wertmaßstäbe. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sei anerkannt, dass der Dienstherr das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung ordnungsgemäß begründen müsse. Dabei habe er nachvollziehbar darzulegen, aus welchem Grund der*die betroffene Beamte*in das entsprechende Gesamturteil erhalten habe. Das Gesamturteil und die Bewertung der Einzelkriterien müssten in dem Sinne übereinstimmen, dass ich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen ergebe.
 

Das Beurteilungssystem fordert eine besondere Begründung der Einzelbewertungen

Die Deutsche Telekom AG habe ein Beurteilungssystem, bei welchem die Einzelbewertungen besonders begründet werden müssten. Das sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch mehrfach schon so entschieden worden und allgemein anerkannt.
 
Nach welchem Maßstab das Gesamturteil entstehe, gäben die Beurteilungsrichtlinien nicht abstrakt vor. Deshalb bedürfe es einer konkreten und nachvollziehbaren Begründung im Einzelfall. Beschäftige der Dienstherr den betroffenen Beamten höherwertig, sei das umso wichtiger.
 

Beurteiler müssen die Leistung zum Statusamt in Beziehung setzen

Die Beurteiler hätten nämlich vor allem im Fall einer höherwertigen Beschäftigung die Aufgabe, die konkreten Leistungen des Beamten nach seiner Dienststellung zu beurteilen. Anschließend erfolge die Zuordnung in der Notenskala für die Einzelmerkmale und darüber hinaus dann auch in die Notenskala für das Gesamturteil der Beurteilung.
 
Dem Gericht sei dabei durchaus bewusst, dass die Pflicht zur Begründung des Gesamturteils im Hinblick auf die Beamten, die bei der Deutschen Telekom AG noch beschäftigt seien, zu Schwierigkeiten führten. Diese Schwierigkeiten stellten sich in „normalen“ Beurteilungsfällen nicht. Gleichwohl rechtfertigten diese in erster Linie „hausgemachten“ Schwierigkeiten es nicht, die Anforderungen, die die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung an die Begründung des Gesamturteils entwickelt habe, abzusenken oder auf eine solche Begründung gänzlich zu verzichten.
 

Die dienstliche Beurteilung genügte den rechtlichen Anforderungen nicht

Wie auch in vielen Fällen zuvor, stellte das Verwaltungsgericht Koblenz fest, dass die dienstliche Beurteilung, die der angegriffenen Beförderungsentscheidung zugrunde lag, den rechtlichen Anforderungen nicht genügte. Sie war aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend begründet.
 
So fände sich in der Beurteilung nur eine Darstellung des Statusamtes ohne Wertung. Die Beurteilung enthalte auch nur einen pauschalen Hinweis auf die höherwertige Beschäftigung des Beamten sowie die Stellungnahme des Vorgesetzten. Das sei für die Begründung des Gesamturteils unergiebig.
 

Der Dienstherr verwandte bloße Leeformeln bei der Begründung

An späterer Stelle der Beurteilung fasse der Dienstherr die Einzelkriterien zusammen. Darin fänden sich teilweise Formulierungen, die von den Begründungen der Einzelmerkmale abwichen. Sofern es in der Beurteilung heiße, das Gesamtergebnis werde unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der Höherwertigkeit der Funktion festgesetzt, handele es sich um eine bloße Leerformel, die ohne Substanz bleibe.
 
Schließlich stehe in der Beurteilung geschrieben, der Beamte könne nicht das beste Gesamturteil erhalten. Dies sei denjenigen Beamten vorbehalten, denen die jeweiligen Führungskräfte vergleichbare Leistungen attestiert hätten und die darüber hinaus höherwertiger eingesetzt gewesen seien. Diese Begründung treffe auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
 

Die Führungskräfte erhalten eine Bedeutung, die ihnen nicht zukommt

Letztlich werde nämlich mit diesem Vorgehen den Stellungnahmen der Führungskräfte eine Bedeutung beigemessen, die ihnen weder in Bezug auf die Leistungseinschätzung noch in Bezug auf die sprachliche Fassung zukommen. Es handele sich bei diesen Stellungnahmen lediglich um vorbereitende Beurteilungsbeiträge. Diese sollten als Erkenntnisquelle bei der Beurteilung dienen.
 
Der eigentliche Beurteiler behalte dabei seine Aufgabe, bei der Vielzahl der Beurteilungsbeiträge, die die Führungskräfte eingereicht hätten, diese im jeweiligen Einzelfall konkret zu gewichten. Damit stellten sie die notwendige Vergleichbarkeit der Beurteilungen innerhalb einer Vergleichsgruppe her.
 

Der pauschale Hinweis auf die Beurteilungsbeiträge ist rechtlich nicht haltbar

Hier unterminiere der Dienstherr jedoch die Funktion des Beurteilers, wenn er anlässlich eines Quervergleichs im Rahmen der Gesamtbegründung pauschal auf die Beurteilungsbeiträge der Führungskräfte abstelle. Hinzu käme, dass die Beurteilungsrichtlinien keine konkreten Vorgaben für die Führungskräfte enthielten. Dies gelte vor allem auch für die sprachliche Formulierung der Bewertung.
 
Schlussendlich enthalte auch die Begründung des Gesamtergebnisses lediglich eine formelhafte Formulierung. Der Bezug zum konkreten Einzelfall fehle.
 

Die Vorgaben der Beurteilungsrichtlinie wurden nicht befolgt

Ungeachtet dessen mangele es der getroffenen Auswahlentscheidung jedoch auch daran, dass die Vorgaben der Beurteilungsrichtlinie nicht befolgt worden seien. Diese gäben nämlich eine genaue Reihenfolge der Prüfkriterien für eine Beförderung vor. Danach könne auf Hilfskriterien erst dann zurückgegriffen werden, wenn unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen vollständig ausgeschöpft worden seien. Hier sei jedoch noch eine „Feinausschärfung" möglich gewesen.
 
Diese „Feinausschärfung" fordere, dass der Dienstherr bei gleichem Gesamturteil die Beurteilungen umfassend inhaltlich auswerten müsse. Dabei seien Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien zur Kenntnis zu nehmen. Gleiches gelte für die sprachliche Formulierung der Gesamtwürdigung. Dabei müsse der Dienstherr auf einzelne, im Vorhinein generell festgelegte leistungsbezogene Kriterien abstellen, durch die innerhalb der Gruppe der Beamten mit gleichem Gesamturteil eine Differenzierung erfolgen könne.
 

Das angewandte Punktwertsystem lässt auf ein rein arithmetisches Vorgehen schließen

Diesen Anforderungen genüge es nicht, wenn es der Dienstherr bei gleichem Gesamturteil und gleichen Bewertungen in den Einzelmerkmale unterlasse, neben den vergebenen Noten auch die sprachliche Begründung des Gesamtergebnisses und der einzelnen Leistungsmerkmale in den Blick zu nehmen.
 
Dies sei vorliegend durchaus möglich gewesen. Die Deutsche Telekom AG habe sich an diese Vorgaben jedoch nicht gehalten. Sie habe im Zusammenhang mit der "Feinausschärfung" offenbar ein Punktwertsystem angewandt. Das spreche in besonderem Maße für ein rein arithmetisches Vorgehen. Es bleibt auch völlig unklar nach welchen Grundsätzen die Punktwerte ermittelt würden. Hinweise enthielten weder die Beurteilungsrichtlinien noch sonstige im Verfahren vorgelegte Unterlagen.
 

Die getroffene Auswahlentscheidung war fehlerhaft

Selbst wenn sich auch nach dieser „Feinausschärfung" ein Gleichstand zwischen den Konkurrenten ergeben würde, führe zumindest die Tatsache, dass keine weiteren Hilfskriterien wie frühere dienstliche Beurteilungen beachtet worden seien, dazu, dass die getroffenen Auswahlentscheidung rechtsfehlerhaft sei.
 
Erweist sich eine Auswahlentscheidung als fehlerhaft, so seien die Aussichten des betroffenen Beamten, bei ordnungsgemäßer Wiederholung des Auswahlverfahrens zum Zuge zu kommen, offen. Es könne dabei durchaus zu einem Leistungsvorsprung des Beamten kommen. Das führte letztlich zu dem positiven Beschluss des Verwaltungsgerichts.
 
Die Deutsche Telekom AG wird sich daher erneut mit der dienstlichen Beurteilung der Konkurrenten befassen müssen und im Anschluss daran zu entscheiden haben, wer die begehrte Beförderung bekommen kann. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass das leider dauern kann.
 
Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Das Verwaltungsgericht Koblenz wählt in seinem Beschluss zum Teil recht deutliche Worte. Dies ist nachvollziehbar. Immer wieder werden seit vielen Jahren Gerichte alljährlich zu den jeweiligen Beförderungsstichtagen der Deutschen Telekom AG von einer Prozesswelle überrannt, in der es einerseits um die dienstlichen Beurteilungen der Beamten, andererseits aber auch um deren Beförderung geht.

Fast immer stellt sich dabei heraus, dass die dienstliche Beurteilung fehlerhaft ist. Wie die Beamte zu beurteilen sind, haben viele Gerichte schon festgestellt und ausführlich beschrieben. Dennoch ist es dem inzwischen privatrechtlich organisierten Unternehmen nach wie vor offensichtlich nicht möglich, sich an diese Vorgaben zu halten.

Soll hier zu Lasten der Betroffenen gespart werden?

Das mag damit begründet werden, dass die Führungskräfte vor Ort letztlich keine beamtenspezifischen Kenntnisse haben dürften. Die Erfahrung in der täglichen Praxis lässt aber eher die Vermutung zu, dass die Absicht besteht, entsprechende Verfahren hinzuschleppen, damit Beförderungen hinausgeschoben werden können. Das spart der Aktiengesellschaft schließlich Geld. Leidtragende sind die Betroffenen.

Wir hatten zu diesen Thema schon mehrfach berichtet. Lesen Sie mehr dazu hier:

Kein Ende in Sicht: Beurteilungen bei der Deutschen Telekom AG

Erbarmungslos: OVG Saarland entscheidet erneut über dienstliche Beurteilungen der Telekom

Anforderung an die dienstliche Beurteilung von beurlaubten Beamten der Deutschen Telekom AG

Rechtliche Grundlagen

Art. 33 II GG

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.