Schulfachliche Gutachten nicht alleinentscheidend bei Beförderungen. Copyright by Woodapple/Fotolia
Schulfachliche Gutachten nicht alleinentscheidend bei Beförderungen. Copyright by Woodapple/Fotolia

Beförderungen liegen dienstliche Beurteilungen zu Grunde. Eine dienstliche Beurteilung ist dabei immer ein sogenannter Akt subjektiv wertender Erkenntnis. Das bedeutet, dass der jeweilige Beurteiler eine eigene, subjektive Bewertung von Eignung und Leistung des*der betreffenden Beamten*in vornehmen darf. Diese subjektive Bewertung ist durch ein Gericht nur eingeschränkt überprüfbar.
 
Den Kolleginnen und Kollegen der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Ludwigshafen, ist es nun gelungen, einem Gymnasiallehrer aus Ludwigshafen in einem Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße die Chance auf eine Beförderung zu erhalten. Das Gericht untersagte dem Dienstherrn, eine abschließende Stellenbesetzung vorzunehmen. Es gab dem Land Rheinland-Pfalz auf,  die Beförderungsentscheidungen ausführlich zu begründen. Das Land muss dabei nun die Vorgaben des Gerichts beachten.
 

Bewerbung um Schulleiterstelle 

Der Antragsteller des Verfahrens ist Gymnasiallehrer und seit vielen Jahren Studiendirektor im Statusamt A 15 +Z. Zuletzt war er ständiger Vertreter des Schulleiters an einem Gymnasium. Die letzten dienstlichen Beurteilungen endeten regelmäßig mit der Bestbewertung. Im Frühjahr 2018 bewarb er sich um die Stelle als Schulleiter an einem Gymnasium in Speyer.
 
Sein Konkurrent war Seiteneinsteiger und hatte die Stelle eines Studiendirektors im Statusamt A 15 inne. Auch er erhielt in den letzten dienstlichen Beurteilungen jeweils Bestbewertungen. Sein Statusamt lag jedoch unter demjenigen des Antragstellers
 

Dienstherr erstellt schulfachliche Gutachten

Neben der dienstlichen Beurteilung erstellte das Land Rheinland-Pfalz im Auswahlverfahren auch ein schulfachliches Gutachten. Damit sollte festgestellt werden, welcher Bewerber für die ausgeschriebene Stelle am besten geeignet war.
 
Aus dem Gutachten ergab sich, dass der Antragsteller gegenüber seinem Konkurrenten bei der dienstlichen Beurteilung einen leichten Vorsprung aufwies. Das Land bezog in das Gutachten jedoch außerdem ein Kolloquium, eine Dienstbesprechung und die Beobachtung einer Unterrichtsstunde mit ein. Das schulfachliche Gutachten enthielt  schließlich auch Aussagen zur  allgemeinen Bewertung der Tätigkeit als Lehrer.
 
Der Konkurrent des Antragstellers wurde im Gutachten für in besonderem Maße geeignet gehalten. Den Antragsteller hielt man demgegenüber lediglich für geeignet. Obwohl der Antragsteller ein höheres Statusamt innehatte, zog man ihm den Konkurrenten vor.
 

Besondere Anforderungsprofile können zulässig sein

Jede Beförderungsentscheidungen ist am Leistungsprinzip auszurichten, so das Verwaltungsgericht. Dieses Leistungsprinzip sei in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz grundgesetzlich geschützt. Die Bestenauslese erfolge regelmäßig vorrangig anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilung. Fehler einer Auswahlentscheidung könnten dabei in der fehlerhaften Beurteilung liegen.
 
Nach den Ergebnissen der aktuellen dienstlichen Beurteilungen weise der Antragsteller gegenüber seinem Konkurrenten einen Vorsprung auf. Er schließe im Gesamturteil zwar gleich gut ab, habe jedoch ein höheres Statusamt inne.
 
Nach der Rechtsprechung müsse die dienstlichen Beurteilung nicht zwingend Vorrang haben. Es sei zulässig, für einen Dienstposten besondere Anforderungen zu bestimmen, an denen überprüft werde, in welchem Maße ein Bewerber für den Dienstposten geeignet sei.
 
Besondere Anforderungsprofile seien dabei durchaus zulässig. Die Überprüfung der Eignung eines Kandidaten dürfe sich am Anforderungsprofil orientieren. Je nach Lage des Einzelfalles trete das Ergebnis der dienstlichen Beurteilung dann in den Hintergrund.
 
Besetze das Land Rheinland-Pfalz Funktionsstellen im Schuldienst, treffe es seine Auswahl nicht vorrangig aufgrund der dienstlichen Beurteilung. Das Gericht sieht keine Bedenken der Stelle eines Schulleiters besondere Anforderungsprofile zugrunde zu legen.
 

Besondere Anforderungsprofile haben nicht grundsätzlich Vorrang

Stellt das Land an die Position des Schulleiters besondere Anforderungen, kann es nach Auffassung des VG Neustadt einen Bewerber auch in Hinblick auf diese Anforderungen auswählen.
 
Die letzten Beurteilungen würden dann zwar ebenfalls berücksichtigt, dürften jedoch hinter die schulfachlichen Überprüfung zurücktreten. Die höheren Funktionsstellen im Schuldienst stellten besondere Eignungsanforderungen. Diese seien durch den Inhalt der dienstlichen Beurteilung eines Lehrers in der Regel nicht umfassend abgedeckt.
 
Allerdings dürfe den Ergebnissen der funktionsbezogenen Überprüfung nicht schematisch der Vorrang eingeräumt werden. Auch wenn die dienstliche Beurteilung eines Lehrers die Anforderungen der Funktionsstellen nicht umfassend abdecke, so enthalte sie doch nicht selten einzelne wichtige Informationen. Diese Informationen könnten Rückschlüsse auf die Eignung für die Funktionsstelle durchaus zulassen. Dies gelte vor allem dann, wenn der Bewerber zuvor schon Aufgaben wahrgenommen habe, die den Funktionen der neuen Stelle ähnelten.
 

Beurteilungen müssen umfassend ausgewertet werden

Auch bei der Besetzung von Funktionsstellen im Schuldienst seien jedoch die Beurteilungen der Bewerber in jedem Fall umfassend auszuwerten. Die so gewonnenen Erkenntnisse seien mit den Ergebnissen der funktionsbezogenen Überprüfung abzugleichen. Dabei sei das Anforderungsprofil Schritt für Schritt abzuarbeiten. Wesentliche Erkenntnisse aus den dienstlichen Beurteilungen und den funktionsbezogenen Überprüfungen müssten den Merkmalen des Anforderungsprofil zugeordnet werden. Dort seien sie zu gewichten und abzuwägen.
 
Alles sei dann miteinander abzuwägen. Dabei müsse der Dienstherr im Blick behalten, dass die dienstliche Beurteilung Beobachtungen über einen längeren Zeitraum abdeckten. Funktionsbezogene Überprüfungen vermittelten demgegenüber eher einen punktuellen Eindruck.
 
Je einschlägiger und aufschlussreicher ein Qualifikationsmerkmal sei, desto größeren Einfluss müsse es auf die Auswahlentscheidung haben. Der Dienstherr müsse ausführlich begründen, wenn ein Bewerber trotz deutlich besserer und für das Anforderungsprofil aussagekräftiger Beurteilungen übergangen werde.
 

Der Dienstherr muss seine Entscheidung ausführlich begründen

Diese Vorgaben habe das Land Rheinland-Pfalz nicht beachtet. Der Antragsteller sei besser dienstlich beurteilt als sein Konkurrent. Das Gesamturteil sei zwar gleichlautend, er habe jedoch ein höheres Statusamt inne. Der Antragsteller habe auch schon Teilbereiche der Aufgaben eines Schulleiters selbstständig wahrgenommen. In diesen Bereichen weise er auch sehr guten Ergebnisse auf. Es handele sich hierbei um Kompetenzbereiche, die auch das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle wesentlich ausmachten.
 
Für das Verwaltungsgericht lag hier ein Fall mit erhöhter Begründungspflicht für den Dienstherrn vor, wenn er den Antragsteller übergehen wollte. Diese erhöhte Begründungspflicht habe das Land nicht erfüllt. Es habe die Aussagen der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers nicht umfassend in die Auswahlentscheidung einbezogen.
 
Zwar habe der Dienstherr die dienstliche Beurteilung durchaus berücksichtigt. Auch das höhere Statusamt des Antragstellers sei eingeflossen. Jedoch habe das Land die Stellungnahmen der schulfachlichen Überprüfung nicht ausreichend mit den einschlägigen Aussagen der dienstlichen Beurteilung abgewogen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil der Antragsteller bereits ständiger Stellvertreter eines Schulleiters war und in allen Kompetenzbereiche sehr gute Bewertungen erzielte.
 

Anforderungsprofile des Schulleiters und seines Stellvertreters sind gleich

Die Anforderungsprofile des Schulleiters und des ständigen Vertreters des Schulleiters unterschieden sich nicht. Es sei mithin davon auszugehen, dass die Beurteilung des Antragsteller bereits wesentliche Merkmale des maßgeblichen Anforderungsprofils beinhalte. Es bestünden deshalb Zweifel, ob der Vorrang der funktionsbezogenen Überprüfung in gleicher Weise wie im Regelfall gerechtfertigt sei. Der Antragsteller sei nicht bloß Lehrer, sondern habe bereits eine herausgehobene Funktion inne. Diese Funktion komme der eines Schulleiters nahe. Hierüber gebe es bereits eine Beurteilung. Diese Beurteilung sei im konkreten Falle auch besonders aussagekräftig.
 
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts wies die Auswahlentscheidung des Landes Rheinland-Pfalz ein Abwägungsdefizit auf. Wegen dieses Abwägungsdefizit liege keine ordnungsgemäße Eignungsfeststellung vor. Das mache auch den Eignungsvergleich mit dem Konkurrenten fehlerhaft. Werde die dienstliche Beurteilung angemessen einbezogen und gewichtet, erscheine der Antragsteller jedenfalls nicht chancenlos.
 
Der Dienstherr dürfe die Auswahlerwägungen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aber noch ergänzen, so das Gericht. Es stoppte damit vorläufig die Besetzung der Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Generell sind ausschließlich dienstliche Beurteilungen Grundlage von Beförderungsentscheidungen. Besondere Anforderungsprofile lassen die Gerichte hierbei nur in ganz eingeschränkten Fällen zu. Vorliegend ging es um die Besetzung einer Schulleiterstelle. Wegen der besonderen Anforderungen an diese Funktion ging das Verwaltungsgericht Neustadt davon aus, dass hier zu Recht ein Anforderungsprofil herangezogen wurde. Offensichtlich geht das Land Rheinland-Pfalz bei der Besetzung seiner Funktionsstellen durchweg dementsprechend vor.

Prinzipiell räumt der Dienstherr dabei den schulfachlichen Gutachten Vorrang vor den dienstlichen Beurteilungen ein. Dass das nicht uneingeschränkt zulässig ist, zeigt die vorliegende Entscheidung deutlich. Hat nämlich ein Beamter bereits eine entsprechende Funktion inne und kann er in dieser Funktion schon eine Beurteilung vorweisen, dann muss das im Auswahlverfahren auch entsprechend berücksichtigt werden.

Dem schulfachlichen Gutachten generell den Vorrang einzuräumen, hält das Gericht nicht für zulässig. Beziehen sich dienstliche Beurteilungen schon auf einzelne Merkmale des Anforderungsprofils muss der Dienstherr ausführlich begründen, wenn er trotz der besseren dienstlichen Beurteilung eines Bewerbers alleine auf der Basis des Gutachtens einem anderen Bewerber den Vorrang einräumen möchte.

Dieser besondere Begründungszwang kann immer dann Bedeutung haben, wenn in Auswahlverfahren besondere Anforderungsprofile gelten.

Rechtliche Grundlagen

Art 33 GG

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_33.html