Bei großen Polizeieinsätzen fallen für die weit angereisten Bundespolizisten oft viele Stunden an Mehrarbeit an. Wie sie dafür freigestellt werden, entscheidet das BVG. Copyright by Adobe Stock/VRD
Bei großen Polizeieinsätzen fallen für die weit angereisten Bundespolizisten oft viele Stunden an Mehrarbeit an. Wie sie dafür freigestellt werden, entscheidet das BVG. Copyright by Adobe Stock/VRD

Hochrangige politische Gipfeltreffen erfordern starken Polizeischutz. Das können wir regelmäßig in Funk und Fernsehen verfolgen. Bei einem G-7-Gipfel rückt die Bundespolizei oft aus ganz Deutschland an. Verschiedene Hundertschaften von Beamten sind zum Schutz der Teilnehmer abgeordnet.
 

Bereithalten zum unverzüglichen Einsatz

Diese müssen sich jederzeit zu einem unverzüglichen Einsatz bereithalten. In der Regel verfügen sie über ein Diensthandy und müssen auch ihre Dienstwaffe einschließlich Munition bei sich führen. Ihren Aufenthaltsort können Sie nur eingeschränkt selbst wählen.
 
Wo nun Ruhezeit ist und wo Arbeitszeit beginnt, ist häufiger Streit der Bundespolizisten mit ihren jeweiligen Dienstherren. Wir hatten zu einem gleichgelagerten Verfahren beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg bereits berichtet


Anordnung von Mehrarbeit

Anfang dieses Jahres hatte auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen schon zu der Anordnung von Mehrarbeit im Falle eines großen Polizeieinsatzes und der damit verbundenen Gewährung von Freizeitausgleich entschieden.
 
Hier geht es zum Urteil des OVG NRW
 
Der dortige Kläger war ebenfalls nach Elmau zum G7-Gipfel abgeordnet. Er gehörte der Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft an. Diese war Teil des Einsatzabschnitts „Eingreifkräfte“.
 
Es gab eine umfassende Planung der Einsätze. Die Gesamteinsatzleitung legte diese Planung in mehreren Einsatzbefehlen nieder. Für alle Einheiten gab es einen Wechsel von Volldienst, Ruhe in der Unterkunft und Bereitschaft. Der Einsatzbefehl ordnete auch Mehrarbeit an. Die Unterbringung des Klägers erfolgte gemeinsam mit seiner Hundertschaft in einem Hotel vor Ort.
 

Kläger erhält Freizeitausgleich

Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen sprach diesem Kläger weiteren Freizeitausgleich zu. Ebenso wie später das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gingen die Richter auch hier davon aus, dass der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Freizeitausgleich nicht aus der spezifischen polizeirechtlichen Vorschrift des § 11 Bundespolizeibeamtengesetz (BpolBG) resultiert.
 
Nach dieser Bestimmung wird bei Einsätzen und Übungen von Verbänden, Einheiten oder Teileinheiten der Bundespolizei, die länger als einen Tag dauern, anstelle einer Dienstbefreiung nach dem Bundesbeamtengesetz (BBG) ein einheitlicher Freizeitausgleich festgesetzt. Dieser muss die Dauer des Einsatzes oder der Übung und die damit verbundene dienstliche Beanspruchung angemessen berücksichtigen.
 

Kein subjektives öffentliches Recht aus § 11 BPolBG

Diese Vorschrift diene allein öffentlichen Interessen, so das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Aus der Formulierung („anstelle“) folge, dass dem Dienstherren lediglich eine weitere Berechnungsart des festzusetzenden Freizeitausgleichs ermöglicht werden solle, wenn die Einsätze länger als einen Tag dauern. Neben der Spitzabrechnung der Mehrarbeitsstunden erhalte der Dienstherren damit die Möglichkeit, den Freizeitausgleich pauschaliert festzusetzen.
 
§ 11 BPolBG begründe jedoch kein subjektives öffentliches Recht eines einzelnen Beamten darauf, dass dieser Freizeitausgleich pauschaliert festgesetzt werde.
 

Angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit

Der Kläger habe stattdessen aber einen Anspruch darauf, einen Freizeitausgleich nach § 88 BBG zu bekommen. Sei Mehrarbeit dienstlich angeordnet oder genehmigt und betrage diese mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus, müsse der Dienstherr innerhalb eines Jahres entsprechende Dienstbefreiung gewähren.
 
Diese Voraussetzungen sah das Gericht beim Kläger erfüllt. Seine Ruhezeiten während des G7-Gipfels seien angeordnete Mehrarbeit gewesen. Der Dienstherr habe sie zwar als Ruhezeiten bezeichnet. Es handele sich dabei jedoch um Zeiten des Bereitschaftsdienstes, die der Dienstherr in die Berechnung des Freizeitausgleichs einstellen müsse. Für jede Stunde dieses Bereitschaftsdienstes müsse der Kläger eine Stunde Freizeitausgleich bekommen.
 

Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt

Der Dienstherr des Klägers war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Da das Oberverwaltungsgericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht zuließ, musste der Beklagte den Weg über eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht beschreiten.
 
Dieser Nichtzulassungsbeschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht nun statt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht hielt das Bundesverwaltungsgericht für begründet. Die Revision ließ es wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
 

Weitere rechtsgrundsätzliche Klärung zu erwarten

Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu aus, dass Revisionsverfahren könne ihm Gelegenheit geben zur (weiteren) rechtsgrundsätzlichen Klärung der Voraussetzungen für die Gewährung von Freizeitausgleich. Speziell gehe es dabei um die in den Einsatzbefehlen und Dienstplänen eines polizeilichen Einsatzes vorgesehenen „Ruhezeiten“ als Einsatzzeiten. Das Gericht wolle sich insbesondere damit befassen, ob Mehrarbeit im Sinne von § 88 BBG vorliege.
 
Auch europäische Regelungen will das Bundesverwaltungsgericht dabei in den Blick nehmen. Dort gebe es Bestimmungen zu einer „unionsrechtlichen Zuvielarbeit“. Konkret betreffe das Verfahren eine Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft von Polizeivollzugsbeamten beim G-7-Gipfel in Elmau im Jahr 2015.
 
Betroffene werden der zu erwartenden Entscheidung mit großem Interesse entgegensehen. Diese wird bundesweit Auswirkungen haben und sicher auch für künftige Einsätze der Bundespolizei von Bedeutung sein.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Juli 2020

Rechtliche Grundlagen

§ 88 BBG; § 11 BPolBG

§ 88 Mehrarbeit
Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Bei Teilzeitbeschäftigung sind die fünf Stunden anteilig zu kürzen. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamtinnen und Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten.


§ 11 Freizeitausgleich bei Einsätzen und Übungen
Bei Einsätzen und bei Übungen von Verbänden, Einheiten oder Teileinheiten der Bundespolizei von einer Dauer von mehr als einem Tag wird anstelle einer Dienstbefreiung nach den §§ 87 und 88 des Bundesbeamtengesetzes ein einheitlicher Freizeitausgleich festgesetzt, der die Dauer des Einsatzes oder der Übung und die damit verbundene dienstliche Beanspruchung angemessen berücksichtigen muß. Die Entscheidung trifft das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Dienststelle. Der Freizeitausgleich soll gewährt werden, sobald die dienstlichen Verhältnisse es zulassen, möglichst innerhalb von drei Monaten.