Ist die Beschäftigung von Beamten aus gutem Grund vorübergehende auch mal nicht amtsangemessen, so müssen sie das hinnehmen. Copyright by Adobe Stock/Ron
Ist die Beschäftigung von Beamten aus gutem Grund vorübergehende auch mal nicht amtsangemessen, so müssen sie das hinnehmen. Copyright by Adobe Stock/Ron

Viele sagen, Homeoffice sei doch nichts Besonderes. Heimarbeit habe es immer schon gegeben. Aber das, was wir unter Heimarbeit verstehen, hat nichts mit dem Homeoffice zu tun, das sich aktuell in aller Munde befindet. Heimarbeiter können und konnten ihre Tätigkeit schon immer von zu Hause aus ausüben. Sie sind dabei aber selbständig.
 

Homeoffice ist keine selbständige Tätigkeit

Wer im Homeoffice arbeitet, tut dies nicht selbstständig, sondern arbeitet für einen Arbeitgeber. Statt im Büro geschieht das von zu Hause aus.
 
Heimarbeiter müssen eine eigenständige Steuererklärung abgeben. Besonders das Internet bietet derzeit viele Möglichkeiten der Heimarbeit.
 
Aber auch da tut sich derzeit eine ganze Menge. Politik und Rechtsprechung sind in vielen Einzelfällen gefragt und müssen klären, wo die Grenze zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung verläuft. Ganz aktuell haben auch wir darüber berichtet:
Generation Facebook: für bessere Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie

Bundesarbeitsgericht: Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Ist der Crowdworker ein Arbeitnehmer?


Home Office hat durchaus Vorteile, wirft aber auch viele Fragen auf

Auch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gab es gerade in diesem Jahr häufig Entscheidungen von Arbeitgebern, einen Teil der Beschäftigten ins Homeoffice zu schicken. Viele freuen sich, weil sie meinen, damit ihren Arbeitstag etwas flexibler gestalten zu können. Eltern erhalten damit beispielsweise die Möglichkeit, ihre Kinder zu betreuen, die wegen der Pandemie die Tagesstätte oder Schule nicht besuchen können.
 
Es gibt aber neben rein organisatorischen auch rechtliche Probleme, die die Gerichte im Laufe dieses Jahres beschäftigt haben. Zum einen sind dies die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, es geht um den Unfallschutz im Home-Office und ähnliches.
 

Home Office gibt es nicht nur im Arbeitsverhältnis sondern auch bei Beamten

Home-Office gibt es aber auch im Beamtenverhältnis. Allerdings mussten für diesen Bereich Gerichte noch nicht so oft urteilen. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied im März dieses Jahres über den Eilantrag einer Beamtin, deren Dienstherr sie ins Home-Office schickte. Sie meinte, sie sei dadurch nicht mehr amtsangemessen beschäftigt.
 
Lesen Sie zu dieser Entscheidung mehr:
Müssen Beamte vorübergehend ins Home Office?


Beamte werden ernannt

Beamte unterschreiben keinen Arbeitsvertrag, sie stehen in einem Dienstverhältnis. In dieses Dienstverhältnis werden sie berufen und erhalten eine Ernennungsurkunde. Mit der Berufung in das Beamtenverhältnis wird festgelegt, welchem Statusamt der bzw. die Betroffene zugeordnet ist. Das Statusamt selbst hängt von der Laufbahn und damit der Qualifikation und Befähigung ab.
 
Im Dienstverhältnis der Beamten bestehen zahlreiche Pflichten. Auf Seiten des Beamten gibt es die Treuepflicht und auch die Pflicht, sich wohl zu verhalten. Der Dienstherr muss sich an die Fürsorgepflicht halten. Dazu gehört die Alimentation seiner Beamten, das heißt die Zahlung der Besoldung oder Versorgung bis zum Lebensende.
 
Warum das so ist, können Sie hier erfahren:
Die Besoldung von Beamten ist kein Privileg


Der Dienstherr hat die Pflicht zur amtsangemessenen Beschäftigung

Ausgehend von diesem Geflecht gegenseitiger Pflichten muss der Dienstherr seine Beamten nicht nur amtsangemessen besolden, sondern auch amtsangemessen beschäftigen. Das bedeutet, dass die Wertigkeit der tatsächlichen Beschäftigung derjenigen des Staatsamtes entspricht. Ist das nicht der Fall, kann der*die Beamte*in diesen Anspruch auf amtsangemessenen Beschäftigung gerichtlich durchsetzen. Im Fall eines an Bahnbeamten, der einer Tochtergesellschaft zugewiesen war, hatten wir hierüber bereits berichtet:
Amtsangemessene Beschäftigung auch für Bahnbeamte


Der Fall der Berliner Amtsinspektorin

Nun hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu dem Fall der Beamtin entschieden, mit welcher sich das Verwaltungsgericht Berlin im März dieses Jahres bereits befasst hatte. Es ging dabei um den Antrag einer 60-jährigen Amtsinspektorin, die der Dienstherr - das Berliner Bezirksamt - wegen der Covid-19-Pandemie ins Homeoffice schickte. Die Entscheidung sei aus Fürsorgegründen geboten, weil sie aufgrund ihres Lebensalters einem erhöhten Risiko der Erkrankung ausgesetzt sei, so das Bezirksamt.
 
Die Beamtin musste sich telefonisch für die Dienststelle zur Verfügung halten. Sie sollte je nach Arbeitsanfall Aufträge bekommen, um diese zu Hause zu bearbeiten. Die Beamtin selbst wollte jedoch ihre Arbeit wie gewohnt auf der Dienststelle ausüben.
 

Die Beamtin sah keine Rechtsgrundlage für das Home Office

Die Beamtin meinte, die innerbehördliche Regelung sehe Homeoffice nur auf Antrag eines Beschäftigten vor. Einen Antrag habe sie nicht gestellt. Sie sah deshalb keine Rechtsgrundlage dafür, sie im Homeoffice zu beschäftigen. Das Verwaltungsgericht Berlin war ihrer Rechtsauffassung nicht gefolgt.
 
Der Inhaber eines statusrechtlichen Amtes könne zwar beanspruchen, dass ihm ein solches Amt übertragen würde. Das beziehe sich auch auf die konkrete Tätigkeit. Diese müsse ebenfalls amtsangemessen sein. Eine dauerhafte Trennung zwischen dem Amt, nach dem ein Beamter besoldet wird, und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit dürfe nicht erfolgen. Das habe bereits das Bundesverfassungsgericht so entschieden.
 

Ein amtsangemessener Tätigkeitsbereich muss verbleiben

Selbst wenn der Dienstherr die Funktionsämter, die dem Beamten übertragen worden seien, sachlich begründet ändere, müsse er stets sicherstellen, dass ein amtsangemessene Tätigkeitsbereich verbleibe.
 
Änderungen der zugewiesenen Tätigkeiten seien zumindest für einen begrenzten Zeitraum durchaus zulässig. Das Bezirksamt habe hier den Anspruch der Beamtin auf amtsangemessenen Beschäftigung nicht verletzt. Die Anordnung habe lediglich den Ort ihres Einsatzes verändert. Das gelte gegebenenfalls auch für die konkreten Aufgaben, die sie verrichten müsse. Selbst wenn sie weder über die erforderliche Technik wie Arbeitscomputer oder Diensthandy verfügt haben sollte, führe dies noch nicht zu einer unzulässigen Trennung von Amt und Funktion.
 

Der Dienstherr verdrängte die Amtsinspektorin nicht aus dem Dienst

In dem befristeten Zeitraum verbleibe ihr nämlich die übertragene Funktion. Der Dienstherr verdränge sie auch erkennbar nicht aus dem Dienst. Er nötige sie schließlich nicht zu einer Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten. Der Dienstherr müsse den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung mit der Fürsorgepflicht abwägen.
 
Er habe seine Beamtin für einen kurzen Zeitraum von drei Wochen angesichts der Ausnahmesituation wegen der Pandemie zu Hause arbeiten lassen. Das müsse die Betroffene in Kauf nehmen. Die amtsangemessene Beschäftigung bestehe hier in einer bloßen Rufbereitschaft und Übertragung einzelner Aufgaben im Homeoffice. Das sei rechtlich vertretbar.
 

Der Dienstherr darf innerorganisatorische Maßnahmen aus sachlichen Gründen durchführen

Im konkreten Fall sei die Anordnung des Bezirksamtes ausdrücklich zulässig. Innere organisatorische Maßnahmen dürfe der Dienstherr ohne Begrenzung aus jedem sachlichen Grund nach pflichtgemäßem Ermessen durchführen. Nur in besonders gelagerten Situationen sei das sehr weite Ermessen des Dienstherrn in diesen Fällen beschränkt. Ein Ermessensfehler käme nur dann in Betracht, wenn der Dienstherr bei seiner Entscheidung sachwidrige Gründe zugrunde gelegt oder die Belange des Betroffenen unzureichend abgewogen habe.
 
Dem Bezirksamt habe aber im Falle der klagenden Beamtin einen sachlichen Grund zur Seite gestanden. Ausgehend vom Lebensalter und den diesbezüglichen Erkenntnissen insbesondere des Robert-Koch-Instituts sei der Dienstherr nämlich der Empfehlung gefolgt, Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf zu schützen. Dadurch dass er die Beamtin verpflichtete, den Dienst im Homeoffice zu leisten, habe der Dienstherr sie geschützt und nicht willkürlich gehandelt.
 

Die Begründung der Beamtin im Beschwerdeverfahren zog nicht

Die betroffene Beamtin war mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin nicht einverstanden und legte Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein. Die Amtsinspektorin behauptete nun, die Anordnung, zu Hause zu arbeiten, sei nicht befristet, sondern auf Dauer erfolgt.
 
Dem stehe jedoch das Schreiben entgegen, dass die Beamtin erhalten habe. Die Versetzung ins Home Office sei darin ausdrücklich nur befristet erfolgt.
 

Die Beschwerdeinstanz entscheidet nicht über künftige Fälle

Die Klägerin wollte außerdem eine Entscheidung darüber, ob der Dienstherr sie auch künftig ins Homeoffice schicken darf. In der Beschwerdeinstanz könne ein Gericht immer nur das prüfen, was bereits Gegenstand im erstinstanzlichen Verfahren gewesen sei, so das Gericht. Darüber hinaus dürfe ein Antrag nicht gehen. Im Übrigen habe das Gericht keine Möglichkeit, vorbeugenden Rechtsschutz gegen künftige Maßnahmen des Dienstherrn zu gewähren.
 
Es blieb damit bei der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin. Aus sachlichen Gründen darf ein Dienstherr mithin Arbeiten im Home-Office anordnen, auch wenn dabei eine amtsangemessene Beschäftigung nicht zwingend durchgehalten werden kann. Das gilt aber nur, wenn die Anordnung zeitlich befristet ist.
 
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. August 2020

VG Berlin, Beschluss vom 14. April 2020

Das sagen wir dazu:

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte hier Anfang des Jahres schon gut begründet und nachvollziehbar entschieden. Selbstverständlich muss es einem Dienstherrn möglich sein, vorübergehend geänderte Situationen bei der Übertragung amtsangemessener Beschäftigungen zu beachten. Der Gesundheitsschutz gehört dabei eindeutig zur Fürsorgepflicht. Wenn das Robert-Koch-Institut gesundheitliche Empfehlungen für bestimmte Altersgruppen abgibt, verhält sich ein Dienstherr nicht pflichtwidrig, wenn er diese Empfehlungen berücksichtigt.

Dabei steht fest, dass Dienstherren in einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung nur zeitlich begrenzt eingreifen dürfen. Die Beamtin dieses Verfahrens war genau damit nicht einverstanden. Sie hatte im Rahmen einer Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht trotz ausführlicher und nachvollziehbarer Argumentation des Verwaltungsgerichts versucht - wie das in der Praxis häufig geschieht – weitere, völlig neue Argumente anzubringen.

Nicht ohne Grund machen Prozessordnungen der verschiedenen gerichtlichen Zweige hier jedoch Vorgaben. Ein Berufungsgericht prüft nur das, was erstinstanzlich schon diskutiert wurde. Neue Anträge und völlig neue Begründungen sind regelmäßig nicht mehr zulässig. Das bedeutet, dass sich Klägerinnen und Kläger schon frühzeitig überlegen müssen, welche Anträge sie stellen und wie sie diese begründen. Eine gute und versierte Prozessvertretung hilft dabei weiter.