Ob er auch ein Merkzeichen G bekommt? Copyright by Manok /Adobe Stock
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Diese Frage hat das Sozialgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 20. November 2018 beantwortet.
 

Voraussetzungen für das Merkzeichen G

Das Merkzeichen G bekommt nach der Versorgungsmedizinverordnung, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Dies ist zunächst einmal der Fall, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 bedingen. Aber auch innere Leiden wie etwa Herzschäden oder Atembehinderungen sind bei der Beurteilung zu berücksichtigen.
 

Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen

Neben den Krankheiten, die die Versorgungsmedizinverordnung ausdrücklich nennt, können auch andere gesundheitliche Beeinträchtigungen dafür eine Rolle spielen, ob ein Anspruch auf das Merkzeichen G besteht.
 

Psychische Beeinträchtigungen

Vor kurzem hatten wir berichtet, dass auch psychische Beeinträchtigungen bei der Vergabe des Merkzeichens G zu berücksichtigen sind.
Vergleiche dazu:
Merkzeichen „G“ auch bei überwiegend psychischen Störungen


Adipositas

Die Versorgungsmedizinverordnung zählt im Zusammenhang mit dem Merkzeichen G mehrere Krankheitsbilder auf, die nichts mit den Beinen oder der Wirbelsäule zu tun haben. Dennoch sind sie im Hinblick auf das Merkzeichen G zu berücksichtigen. Die Adipositas gehört nicht dazu.
 

Rechtsauffassung des Sozialgerichts Karlsruhe

Das Sozialgericht Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, dass erhebliches Übergewicht grundsätzlich als Faktor bei der Beurteilung im Hinblick auf das Merkzeichen G zu berücksichtigen sei. Dabei habe das Gericht aber zu prüfen, wie stark die Beeinträchtigung der Gehfähigkeit aufgrund der Adipositas ausgeprägt sei. Die Adipositas müsse im Zusammenspiel mit Beeinträchtigungen der Beine oder der Wirbelsäule dazu führen, dass übliche Wegstrecken nicht zu bewältigen seien.
 

Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe

Im Fall des Klägers ging das Sozialgericht Karlsruhe davon aus, dass die Gehfähigkeit des Klägers nicht im erforderlichen Maß eingeschränkt war. Deshalb hat es die Klage abgewiesen.
Das ändert aber nichts daran, dass die Adipositas grundsätzlich durchaus geeignet ist, die Anerkennung des Merkzeichens G (mit-) zu begründen.
 

Berufung zum Landessozialgericht

Der Kläger hat die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe nicht akzeptiert und Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig.
 
Hier finden Sie die vollständige Pressemitteilung

Rechtliche Grundlagen

Auszug aus der Versorgungsmedizinverordnung

Versorgungsmedizinverordnung

1. Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr (Merkzeichen G)

a) Nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist zu beurteilen, ob
ein behinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Hilflose
und Gehörlose haben stets einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung
im öffentlichen Personenverkehr.

b) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt
ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch
innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit
nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne
Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen
vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei
der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es
nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern
darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig
von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa
zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurück gelegt wird.

c) Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung
einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien
wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend.
Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezügliche behinderungs -
bedingte Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen
entstehen.

d) Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten
Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen,
wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen
der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die
für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können
die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen
mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen
sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des
Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung,
arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei
inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung
des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erheb liche
Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herz schä-
den mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3
und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion
wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen
inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen
Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter
Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.

e) Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit
der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im
Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdS von
wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage
auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen
Schocks.

f) Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen
mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen,
die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen
Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwer -
hörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hör -
behinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit
oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der
Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen
Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion
(z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt.
Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen
der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten
Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen,
nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist
eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen
Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB
von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.