Praxis dicht? Krankschreibung geht auch woanders. Copyright by Adobe Stock/ArTo
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Der Gesetzgeber hat derzeit die Regeln für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gelockert.
Vorschriften über Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen weiter gelockert
Diese Lockerung gilt jedoch nur übergangsweise für die Zeit der Coronapandemie. Für die Zeit davor und mit großer Wahrscheinlichkeit auch danach bleibt es bei den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Erstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
 
Die Klägerin des Verfahrens war arbeitsunfähig erkrankt. Ihre Arbeitsunfähigkeit hatte der Arzt bis Donnerstag, den 8. März festgestellt. Eine weitere AU-Bescheinigung stellte er dann allerdings erst montags, den 12. März aus.
 
Zwar  schrieb er sie rückwirkend ab dem 9. März arbeitsunfähig. Dennoch zahlte die Krankenkasse für die Zeit vom 9. März bis zu 11. März kein Krankengeld. Die Klägerin war hiermit nicht einverstanden.
 

Die Arztpraxis war wegen der Grippewelle geschlossen

Sie wies darauf hin, dass die Praxis ihres Arztes wegen der Grippewelle krankheitsbedingt geschlossen gewesen sei. Sie habe erst am 12. März dort wieder vorsprechen können. Da sei sie auch rückwirkend ab dem 9. März weiter krankgeschrieben worden.
 
Im Laufe des Verfahrens stellte sich allerdings heraus, dass die Klägerin von der Schließung der Praxis bereits am 7. März erfahren hatte.
 
Das Sozialgericht sah in diesem Fall keine Möglichkeit, der Klägerin Krankengeld für den offenstehenden Zeitraum im März zuzusprechen. Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für diese Zeit habe nicht vorgelegen.
 

Krankengeld erst ab dem Tag, an welchem die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird

Das Gesetz bestimme, dass ein Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an bestehe, ab welchem ärztlich festgestellt werde, dass der*die Versicherte arbeitsunfähig sei. Im Übrigen werde Krankengeld auch nur so lange gezahlt, wie die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt sei.
 
Eine weitere Arbeitsunfähigkeit müsse dann spätestens am Tag nach Ende der bestehenden Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden. Samstage gelten hierbei nicht als Werktage.
 

Die Klägerin suchte den Arzt zu spät auf

Die Klägerin hätte damit spätestens am 9. März den Arzt wieder aufsuchen müssen. Dies geschah jedoch nicht. Es sei eine allgemein bekannte Verpflichtung (Obliegenheit) eines Versicherten, für eine ärztlich ununterbrochene Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu sorgen. Die Krankenkasse sei auch nicht verpflichtet, ihn hierüber zu beraten. Das habe das Bundessozialgericht bereits 2012 entschieden.
 
Die gesetzliche Bestimmung solle die Krankenkasse davon entbinden, verspätete Krankmeldungen im Nachhinein aufklären zu müssen. Auch solle die Krankenkasse die Möglichkeit erhalten, eine Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung prüfen zu lassen. Dies diene dazu, Leistungsmissbrauch zu vermeiden. Andererseits werde die Krankenkasse dadurch in die Lage versetzt, zeitnah erforderliche Maßnahmen einzuleiten.
 

Versicherte tragen die Folgen verspäteter Krankmeldung

Erfolge die Krankmeldung verspätet, seien die Folgen von dem*der Versicherten selbst zu tragen. Der Gesetzgeber habe es dabei bewusst in Kauf genommen, dass einzelne Härten möglich seien. Deshalb gelte die Regelung selbst dann, wenn ein*e Versicherte*r seinen Arzt zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht angetroffen habe und die Arbeitsunfähigkeit daraufhin erst später festgestellt werde.
 
Hiervon gebe es zwar Ausnahmen. Diese seien jedoch gesetzlich sehr eng begrenzt, etwa auf Geisteskrankheit bzw. Abwesenheit eines Vormundes. Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin nicht möglich gewesen sein sollte, spätestens am 9. März ihren Arzt aufzusuchen, lägen hier allerdings nicht vor.
 

Die Klägerin wusste bereits frühzeitig von der Schließung der Praxis

Die Praxis ihres Arztes sei zwar wegen der Grippewelle krankheitsbedingt geschlossen gewesen. Der Arzt habe auch erst am 12. März wieder geöffnet. Die Klägerin habe das jedoch gewusst und zwar schon am 7. März. Damit sei genügend Zeit gewesen, einen anderen Arzt aufzusuchen.
 
Die Klägerin hatte allerdings von der Arzthelferin die Auskunft erhalten, man sende ihr die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu. Dies ersetze jedoch nicht den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt. Der sei gesetzlich vorgeschrieben. Der Arzt müsse die Arbeitsunfähigkeit persönlich feststellen. Die fehlerhafte Beratung durch die Arzthelferin müsse die Krankenkasse nicht vertreten.
 

In Einzelfällen ist eine nachträgliche Krankschreibung zulässig

Zwar habe das Bundessozialgericht zwischenzeitlich 2017 in Einzelfällen zugelassen, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch nachträglich festgestellt werde. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der Arzt dabei persönlich aufgesucht werde, um die Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Zumindest müsse der*die Versicherte alles in seiner*ihrer Macht stehende getan haben, den Arzt rechtzeitig aufzusuchen.
 
Nur wenn der Arzt sich geirrt, also irrtümlich z.B. eine AU-Bescheinigung nicht ausgestellt habe, könne Krankengeld gezahlt werden. Das sei aber auch nur dann der Fall, wenn unverzüglich Kontakt mit der Krankenkasse aufgenommen werde.
 
Das war bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Sie suchte den Arzt zu spät auf und erhielt ihr Krankengeld für die zeitliche Lücke im März jedenfalls nicht.
 
Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Das Gericht hält sich mit seiner Entscheidung an die Vorgaben des Bundessozialgerichts. Grundsätzlich sind gesetzlich Versicherte verpflichtet, rechtzeitig Kontakt mit ihrem Arzt aufzunehmen. Das gilt grundsätzlich auch heute noch, selbst wenn nun für die Zeit der Coronapandemie übergangsweise andere Regeln aufgestellt worden sind.

Der Arzt muss persönlich feststellen, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dazu muss er regelmäßig auch aufgesucht werden. Momentan ist das  bei erkältungsbedingten Erkrankungen nicht erforderlich. Die jetzige Regelung wird aber nur übergangsweise  gelten. Sind wir wieder zurück in der Normalität, wird es wieder Aufgabe des Arztes sein, eine Arbeitsunfähigkeit persönlich festzustellen.