Wer seine AU-Bescheinigung rechtzeitig verschickt, darf davon ausgehen, dass sie auch rechtzeitig  bei der Krankenkasse ankommt. Copyright by Adobe Stock/blende11.photo
Wer seine AU-Bescheinigung rechtzeitig verschickt, darf davon ausgehen, dass sie auch rechtzeitig bei der Krankenkasse ankommt. Copyright by Adobe Stock/blende11.photo

In Ludwigshafen konnte sich der DGB Rechtsschutz erfolgreich für eine kranke Klägerin einsetzen. Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hatte sie rechtzeitig per Post an die Krankenkasse versandt.
 

Die Krankenkasse leitete die Post um

Die Klägerin wusste nicht, dass ihre Post nicht zur Kasse vor Ort ging, sondern im Rahmen eines sogenannten „Umroutings“ den Weg zu einem zentralen Scan- und Dienstleistungscenters fand. Ihre Krankenkasse hatte mit der Deutschen Post vereinbart, dass sämtliche Post dorthin umgeleitet werden sollte.
 
Der Arzt der Klägerin verwandte für die Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit ein Formular, auf dem die Adresse der Krankenkasse von Hand einzutragen war. Dieses Formular schickte die Klägerin per Post an ihre Krankenkasse. Sie wusste nicht, dass die Deutsche Post die von Hand eingetragene Adresse nicht automatisch einlesen konnte.
 

Briefe mit von Hand geschriebene Adressen brauchen länger

Wegen dieser Schwierigkeiten hatte die Deutsche Post mit der Krankenkasse der Klägerin vereinbart, dass händisch eingetragene Adressen bis zu  drei Tage länger brauchen dürfen, um den Bestimmungsort zu erreichen.
 
Für die Klägerin hatte das Konsequenzen. Die Wochenfrist, die das Gesetz für das Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorschreibt, war abgelaufen, als ihre Krankmeldung im Dienstleistungscenter ihrer Krankenkasse einging.
 

Die Kasse strich das Krankengeld

Das nahm die Krankenkasse zum Anlass, die Zahlung des Krankengeldes einzustellen. Die Klägerin sah dafür keinen Grund, denn sie selbst hatte alles richtig gemacht. Die Verzögerung im Postlauf war ihrer Ansicht nach ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Krankenkasse die Post umleitete und zudem von Hand geschriebene Adressfelder eine Verlängerung des Postlaufs verursachten. Dafür müsse die Kasse die Konsequenzen tragen.
 
Das Sozialgericht Speyer folgte der Ansicht der Klägerin. Anspruch auf Krankengeld habe, wer arbeitsunfähig erkrankt sei. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
 
Die Klägerin sei bis Freitag krankgeschrieben gewesen und habe am Montag ihren Arzt aufgesucht, um ihre Krankmeldung zu verlängern. Entgegen der Rechtsauffassung der Krankenkasse habe die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch rechtzeitig innerhalb einer Woche eingereicht.
 

Die Regelung im Gesetz ist streng zu handhaben

Die Gewährung von Krankengeld sei grundsätzlich bei verspäteter Meldung ausgeschlossen, selbst wenn die übrigen Leistungsvoraussetzungen zweifelsfrei vorlägen und der*die Versicherte keinerlei Verschulden daran trage, dass die Meldung bei der Krankenkasse zu spät eingehe.
 
Die Krankenkasse müsse diese Melderegelung strikt beachten. Versicherte hätten die Pflicht, bei einer befristeten Arbeitsunfähigkeit-Feststellung eine weitere Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig bescheinigen zu lassen. Sie müssten dafür Sorge tragen, dass die Krankenkasse hiervon innerhalb der Meldefrist Kenntnis erlange.
 

Es kommt auf den Verantwortungsbereich an

Hinsichtlich der Folgen einer Pflichtverletzung bei der Meldung einer Arbeitsunfähigkeit gebe es nur ganz eng begrenzte Ausnahmefälle. Eine Ausnahme liege vor, wenn sich die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert habe, die im Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht im Verantwortungsbereich der Versicherten stehe.
 
Die Krankenkasse könne die Zahlung von Krankengeld nicht einstellen, wenn der*die Versicherte zudem weder wusste noch wissen musste, dass die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht bekannt war.
 

Einen Eingriff in den Postlauf hat die Kasse zu verantworten

Dem Verantwortungsbereich der Beklagten seien diejenigen Verzögerungen zuzurechnen, die durch die Einrichtung des Umroutings bei der Deutschen Post AG entstünden. Die Klägerin habe die Post an ihre Krankenkasse rechtzeitig abgesandt.
 
Die Umleitung der Post habe die Verspätung verursacht. Die Deutsche Post AG habe bestätigt, dass es bei dem Umrouting wesentlich darauf ankomme, ob die Anschrift maschinell lesbar sei oder nicht. Im Fall der maschinellen Lesbarkeit der Adresse, werde die Post automatisiert an die neue Anschrift versandt. Die Maschine wähle nicht die auf der Sendung befindliche Anschrift, sondern die in der Datenbank hinterlegte Anschrift als Ziel aus. Zu Verzögerungen in der Postlaufzeit führe das nicht.
 

Der Arzt hatte das Formular von der Krankenkasse erhalten

Könne die Maschine die Ziel Anschrift des Poststücks nicht lesen, sei das anders. Die Deutsche Post AG müsse dann manuell eingreifen. Das führe zu Verzögerungen von 2-3 Tagen.
 
Die Krankenkasse habe durch das Umrouten in den Postlauf eingegriffen. Der Arzt der Klägerin habe bei der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ein Formular verwandt, das ihm die Krankenkasse der Klägerin zur Verfügung gestellt hatte. Dort musste die Klägerin die Adresse von Hand eintragen.
 
Deshalb habe die Krankenkasse auch zu vertreten, dass hierdurch eine Verzögerung von 2-3 Tagen bis zur Zustellung des Poststücks eintrete. Lege man einen um zwei Tage früheren Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin zugrunde, wäre die Meldung der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig erfolgt.
 

Die Klägerin konnte aufatmen

Die Klägerin habe ihre Krankmeldung rechtzeitig abgesandt. Sie habe nicht gewusst, dass es durch das Eintragen der Adresse von Hand zu Verzögerungen im Postlauf kommen könne. Die Krankenkasse muss daher das Krankengeld weiter zahlen.

Hier geht es zum Urteil


Ebenso hatte es auch schon das Sozialgericht Mannheim in einem ähnlichen Fall entschieden. Lesen Sie dazu: Eingriff in den Postlauf: Krankengeld trotz verspäteter Meldung