Wenn’s mit dem Kinderkriegen nicht klappt - ein bisschen Hoffnung bleibt immer. Copyright by oneinchpunch /Adobe Stock
Wenn’s mit dem Kinderkriegen nicht klappt - ein bisschen Hoffnung bleibt immer. Copyright by oneinchpunch /Adobe Stock

Der Kläger ist Beamter im Dienst des Saarlandes. Für ärztliche Behandlungen erhält er Beihilfe. Gemeinsam mit seiner Partnerin wünscht er sich Kinder. Dieser Wunsch blieb bislang jedoch unerfüllt.
Der Kläger führte daraufhin eine Untersuchung in einer Gemeinschaftspraxis für Humangenetik durch.
 
Dem Untersuchungsbefunde war zu entnehmen, dass eine genetische Beratung und Untersuchung erfolgte. Der Kläger litt an einem Gendefekt und es bedürfe eine künstlichen Befruchtung, um den Kinderwunsch zu erfüllen.
 

Künstliche Befruchtung ist nur unter gewissen Voraussetzungen beihilfefähig

Die Rechnung der Praxis legte der Kläger seiner Beihilfestelle vor. Diese versagte die Übernahme der Kosten. Begründet wurde dies damit, eine künstliche Befruchtung sei nur unter gewissen Voraussetzungen beihilfefähig. Sie müsse vor Beginn von der Beihilfestelle aufgrund eines Behandlungsplanes genehmigt werden. Bisher liege jedoch weder ein Behandlungsplan vor noch eine Genehmigung.
 
Im Rahmen des Verfahrens war vom Kläger ein weiterer Antrag gestellt worden. Er legte außerdem ergänzende ärztliche Bescheinigungen vor. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens verwies die Beihilfestelle darauf, der Kläger sei in die Gemeinschaftspraxis für Humangenetik durch eine Praxis für Kinderwunschbehandlung überwiesen worden.
 

Die Kosten einer künstliche Befruchtung können nur bei Ehepaaren übernommen werden

Bei der Kläger erhobenen Diagnose sei davon auszugehen, dass im Falle des Kinderwunsches eine künstliche Befruchtung vorgenommen werden müsse. Dass der Kläger genau das vorhabe, ergebe sich daraus, dass er von einer Praxis für Kinderwunschbehandlung überwiesen worden sei.
 
Das Land bezieht sich auf die gesetzlichen Bestimmungen sowie die Beihilfevorschriften, wonach eine künstliche Befruchtung jedoch nur bei Ehepaaren beihilfefähig sei. Der Kläger hingegen sei nicht verheiratet.
 
Diesen Ausführungen ist das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom September 2019 nicht gefolgt. Seiner Auffassung nach hat der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung der geltend gemachten Beihilfe.
 

Wer den Kläger überwiesen hat, spielt keine Rolle

Wer den Kläger wohin überwiesen habe, spiele letztlich keine Rolle.
 
Nach den Beihilfevorschriften in Verbindung mit den Regelungen des Krankenversicherungsrechts seien alle notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang beihilfefähig. Dies gelte unter anderem für Krankheitsfälle zur Wiedererlangung der Gesundheit.
 
Allerdings gebe es im Beihilferecht eine weitergehende Vorschrift. Danach müsse vorab ein Behandlungsplan genehmigt werden, wenn wegen einer Krankheit die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung übernommen werden sollten.
 

Der Kläger wollte nur die Ursachen abklären lassen

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei beim Kläger jedoch davon auszugehen, dass er die ärztliche Leistung nicht deshalb in Anspruch genommen hat, um den Kinderwunsch zu realisieren. Insbesondere habe er sich noch keineswegs für ein Verfahren der künstlichen Befruchtung entschieden. Das Gericht hatte keinen Zweifel daran, dass es dem Kläger alleine darum ging, medizinisch abklären zu lassen, ob bei ihm für die Zeugungsunfähigkeit organische Ursachen vorliegen.
 
Dies könne bei lebensnaher Betrachtung nicht so verstanden werden, dass damit ein erster Schritt hin zu einem Verfahren der künstlichen Befruchtung getätigt werden sollte. Hieran ändere auch nichts, dass der Kläger eine Praxis für Kinderwunschbehandlung aufgesucht habe.
 

Eine Krankheit verlangt keine sichtbaren Symptome oder Beschwerden

Damit handele es sich bei den durchgeführten Untersuchungen grundsätzlich um beihilfefähig ärztliche Leistungen wegen einer Krankheit. Sichtbare Symptome oder Beschwerden würden dabei nicht vorausgesetzt. Es genüge, wenn Verdachtsmomente oder Anhaltspunkte für eine mögliche körperliche Störung bestünden. Dies sei bereits dann der Fall, wenn eine Schwangerschaft bei der Partnerin ausbleibe.
 
Sofern in diesem Fall ärztlicherseits eine Untersuchung für erforderlich gehalten werde, um ein mögliches Krankheitsbild auszuschließen, dann beträfen diese Untersuchungen bereits einen möglichen Krankheitsfall. Dabei liege auf der Hand, dass es für die Suche nach den Ursachen einer Krankheit bzw. für eine etwaige Therapie notwendig sei, zunächst eine Diagnose zu sichern.
 

Aufwendungen sind notwendig, wenn sie medizinisch geboten sind

Ob Aufwendungen notwendig seien, richtet sich danach, ob sie medizinisch geboten sind. Die Beihilfestelle sei nur gehalten, eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall zu gewährleisten. Lediglich nützliche Maßnahmen müsse der Beihilfeberechtigte selbst zahlen.
 
Die Untersuchung des Klägers hatte eine Ursache für die Zeugungsunfähigkeit ergeben. Es handele sich hierbei eindeutig um einen regelwidrigen Körperzustand, so das Verwaltungsgericht. Dieser regelwidrige Körperzustand weiche vom Normalfall, nämlich der Fortpflanzungsfähigkeit erwachsener Menschen, ab. Er sei damit als Krankheit anzusehen.
 

Genetische Untersuchung ließ die Ursache der Zeugungsunfähigkeit erkennen

Dass dies beim Kläger abgeklärt worden sei, sei auch nicht nur nützlich, sondern notwendig gewesen. Von der genetischen Untersuchung war nämlich zu erwarten, dass sie Ursache der Zeugungsunfähigkeit erkannt würde.
 
Die Kosten, die im Rahmen der Untersuchung entstanden waren, seien darüber hinaus auch angemessen gewesen. Beim Kläger sei nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit, nämlich ein Gendefekt, festgestellt worden. Auf ärztliche Veranlassung hin habe eine Abklärung der Ursache durch eine humangenetische Untersuchung stattgefunden. Die dabei entstanden Aufwendungen seien mithin beihilfefähig.
 
Auf die in dem Verfahren thematisierte Frage, ob die im Krankenversicherungsrecht sowie den Richtlinien des Bundesausschusses vorgenommene Unterscheidung zwischen verheirateten und nicht verheirateten Paaren rechtmäßig sei, komme es hier allerdings nicht an.
 
Hier geht es zum Urteil

§ 5 Beihilfefähige Aufwendungen in Krankheitsfällen

Das sagen wir dazu:

Sicher wäre es interessant gewesen, hätte das Gericht auch über die Frage entschieden, ob Kosten für eine künstliche Befruchtung nur bei Ehepaaren übernommen werden können. Das Grundgesetz stellt zwar Familien unter besonderen Schutz und meint damit in der Regel auch die Ehe.

Ob nicht verheiratete Paare bezogen auf einen Kinderwunsch rechtlich schlechter gestellt werden dürfen, erscheint allerdings fraglich. Immerhin haben auch bei nicht verheirateten Paaren Eltern gleiche Rechten und Pflichten.

Sicher wird es in Zukunft auch einmal ein Verfahren geben, bei welchem dieser Rechtsfrage eine Rolle spielt.

Aber auch die hiesige Entscheidung kann in Einzelfällen weiterhelfen. Bevor offiziell eine Entscheidung über eine künstliche Befruchtung gefällt wird, stehen regelmäßig umfangreiche medizinische Untersuchungen an. Dienen diese Untersuchungen zunächst zur Feststellung der Ursache einer Unfruchtbarkeit oder Zeugungsunfähigkeit, dann fallen sie unter den Begriff der ärztlichen Behandlung und sind beihilfefähig.

Von welcher Stelle aus diese Untersuchungen veranlasst worden sind, ist dabei nebensächlich. Geht die Untersuchung von einer Praxis für Kinderwunsch aus, so ist dies keineswegs eine Vorentscheidung dafür, später eine künstliche Befruchtung vornehmen zu wollen.

Die Erhebung der Diagnose steht regelmäßig vor der Entscheidung über die Therapie. Das sollte im Einzelfalle dem Kostenträger gegenüber deutlich gemacht werden.

Rechtliche Grundlagen

Beihilfefähigkeit von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)

§ 27 Krankenbehandlung

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,
4.
häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.

Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 7 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet und genutzt werden. Die Datenverarbeitung und Nutzung nach den Sätzen 7 und 8 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.