BSG gibt bisherige Rechtsprechung zum Thema "Wegunfall" auf. Copyright by Photographee.eu/Adobe Stock
BSG gibt bisherige Rechtsprechung zum Thema "Wegunfall" auf. Copyright by Photographee.eu/Adobe Stock

Arbeitnehmer*innen sind auf dem unmittelbaren direkten Weg „von und nach dem Ort der Tätigkeit“ gesetzlich unfallversichert. Nach der seit vielen Jahren bestehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann auch Unfallschutz bestehen, wenn von einem anderen Ort als Zuhause der Weg zur Arbeit unmittelbar angetreten wird. Voraussetzung hierfür aber war, dass der/die Beschäftigte sich mindestens zwei Stunden an diesem „dritten Ort“ aufgehalten hat. Überdies durfte dieser Weg  - im Verhältnis zum üblichen Arbeitsweg  -  nicht zu weit sein.
Am 30.1.2020 hatte der 2. Senat des BSG in zwei Fällen darüber zu entscheiden, ob die gesetzliche Unfallversicherung auch dann greift, wenn Arbeitnehmer*innen, auf dem Weg zum Ort der Tätigkeit, von einem Ort aus starten, der im Verhältnis zum üblichen Arbeitsweg, weit entfernt ist.
 

Erster Fall: Unfall nach Besuch bei der Freundin  - Az: B 2 U 2/18 R

Der Kläger war bei seinen Eltern in Dormagen bei Düsseldorf gemeldet. Der Weg von der elterlichen Wohnung zur Arbeit betrug zwei Kilometer. Werktags fuhr der Mann jedoch zu seiner damaligen Freundin nach Mönchengladbach und übernachtete dort. So auch am 9.9.2004. Als er von dort mit dem PKW zu seiner 44 Kilometer entfernten Arbeitsstätte fuhr, verunfallte er. Er verletzte  sich an den Beinen schwer.

Berufsgenossenschaft verweigert Anerkennung eines Wegeunfalls

Sie begründete dies damit, dass der 44 Kilometer lange Weg zwischen dem dritten Ort  - der Wohnung der Freundin  - und der Arbeitsstätte im Verhältnis zu dem üblichen Arbeitsweg von nur zwei Kilometern unverhältnismäßig lang sei.
 

Zweiter Fall: Unfall nach Besuch des Freundes  - Az: B 2 U 20/18 R

In einem weiteren am 30.1.2020 durch das BSG entschiedenen Fall lehnte der Unfallversicherungsträger, die BG Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, die Anerkennung als Wegeunfall ab. Hier hatte der Kläger morgens behinderte Personen zu einer Werkstatt für behinderte Menschen gebracht und nachmittags wieder abgeholt. Am 14. Oktober 2015 fuhr er nach seiner ersten Tour zu einem Freund, wo er sich länger als zwei Stunden aufhielt. Als er dann zur Werkstatt fahren wollte, verunglückte er mit seinem Motorrad.
 

BG: Fahrt erfolgte aus privaten Gründen  - Keine Anerkennung als Wegeunfall

Die Fahrt zum Freund, so die BG, sei aus privaten Gründen erfolgt. Zwar sei die Wohnung des Freundes als „dritter Ort“ anzusehen. Da die Entfernung zur Arbeitsstätte aber dreimal so lang gewesen sei, wie der übliche Arbeitsweg, sei dies nicht mehr angemessen. Somit könne eine Wegeunfall nicht anerkannt werden.

Bundessozialgericht rückt von bisheriger Rechtsprechung ab

In beiden Fällen gab das BSG den klagenden Parteien Recht. Entgegen der Annahme der beklagten Berufsgenossenschaften sei ein Anspruch auf Anerkennung eines versicherten Wegeunfalls gegeben. Sowohl die Wohnung der Freundin im ersten Verfahren als auch die des besuchten Freundes im zweiten Rechtsstreit seien als „dritter Ort“ anzusehen. Die Kläger hätten dort länger als zwei Stunden verbracht und sich dann auf den direkten Weg zur Arbeit begeben. Dies reiche für den Unfallversicherungsschutz aus.

Aufenthalt an anderem Ort von zwei Stunden führt zu Unfallschutz

Wie den Terminberichten des BSG zu entnehmen ist, komme es nicht mehr darauf an, ob der Weg vom „dritten Ort“ unverhältnismäßig weit oder besonders risikoreich sei. Von früheren, teils gegenteiligen Urteilten rückt der 2. Senat ausdrücklich ab. Denn, so die Bundesrichter*innen, zur „Herstellung von Rechtsanwendungssicherheit", komme es allein darauf an, dass Beschäftigte sich mindestens zwei Stunden am dritten Ort aufgehalten haben und von dort auf direktem Weg zur Arbeitsstätte fahren wollten.
 
Hier finden Sie die Terminberichte des Bundessozialgerichts zu den Entscheidungen vom 30.1.2020, Az:  B 2 U 2/18 R und B 2 U 20/18 R