Miete oder Kaufpreisraten? Beim Mietkauf muss man genauer hinschauen, um ihn rechtlich einzuordnen. Copyright by Adobe Stock/ngad
Miete oder Kaufpreisraten? Beim Mietkauf muss man genauer hinschauen, um ihn rechtlich einzuordnen. Copyright by Adobe Stock/ngad

Geklagt hat ein Mann, der seit 2013 Leistungen der Grundsicherung vom Jobcenter bezieht. Er und seine Ehefrau leben in einem Haus, für das sie einen Mietkaufvertrag geschlossen haben.
 
Mietkauf bezeichnet einen Immobilienkauf, bei dem der Mieter das von ihm bewohnte Haus nach einer bestimmten Frist kaufen kann.
In diesem Fall hatte das Ehepaar die Kaufoption bereits ausgeübt.


Zählen die Mietkaufraten zu den Unterkunftskosten?

Das Jobcenter wertete die monatlichen Zahlungen aus dem Mietkaufvertrag zunächst als Miete. Es zahlte dem Mann entsprechend hälftig die Mietkaufraten als Grundmiete.  
 
Nachdem das Jobcenter die monatlichen Zahlungen als Kaufpreisraten für das Haus wertete, berücksichtigte es ab März 2020 keine Grundmiete mehr bei den Unterkunftskosten.  
 

Einstweiliges Rechtsschutzverfahren über zwei Instanzen

Für Hartz IV-Leistungen gilt vorübergehend eine Weiterbewilligung ohne erneuten Antrag. Die Leistungen werden für zwölf Monate weiterbewilligt, wobei von unveränderten Verhältnissen ausgegangen wird. Das bedeutet, das Jobcenter prüft nicht erneut, ob alle Voraussetzungen für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorliegen.
 
Darauf berief sich der Mann und zog vor Gericht.
 
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichte das Sozialgericht Lüneburg das Jobcenter, für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 auch die sog Mietkaufraten  in Höhe von 247,50 € pro Monat zu übernehmen.
 
Das Jobcenter nahm das nicht hin. Auf seine Beschwerde hob das Landessozialgericht (LSG) die einstweilige Anordnung wieder auf.
 

LSG: Jobcenter ist nicht zur Übernahme der Mietkaufraten verpflichtet

Nach Auffassung der Richter war bereits die ursprüngliche Leistungsbewilligung fehlerhaft. Das Jobcenter habe grundsätzlich nur die Miete zu übernehmen. Die Mietkaufraten aber dienten dazu, den Kaufpreis für die Immobilie abzutragen und führten zu einer Vermögensbildung.
 
Das LSG berief sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Aufwendungen, die der Vermögensbildung oder der Schuldentilgung dienen, seien grundsätzlich nicht als Kosten der Unterkunft anzuerkennen, weil die Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt seien.
 

Vereinfachtes Verfahren aus Anlass der COVID-19-Pandemie (§ 67 SGB II)

Gilt wegen der Sondervorschrift, wonach die Leistungen unter Annahme unveränderter Verhältnisse für zwölf Monate weiterbewilligt werden, etwas anderes? Nein, sagt das LSG ganz klar. Die Vorschrift dürfe nicht dazu führen, dass ein Jobcenter Grundsicherungsleistungen sehenden Auges zu Unrecht weitergewähre.
 
Deshalb seien auch unter Berücksichtigung der Corona-Sonderregelungen Mietkaufraten, die der Vermögensbildung dienen, in einem neu beginnenden Bewilligungszeitraum nicht weiterhin als Kosten der Unterkunft zu übernehmen.
 
 
LINKS:
Die Entscheidung ist im Volltext im Landesjustizportal Niedersachsen nachzulesen

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Das sagen wir dazu:

Was falsch ist, wird durch eine Sonderregelung nicht richtig. Man wird schwerlich etwas dagegen sagen können, dass das LSG hier der Wirkung des Sozialschutzpakets Grenzen gesetzt hat. Die Prüfungserleichterung bei der Weiterbewilligung soll einen durchgängigen Leistungsbezug sichern und die Jobcenter entlasten. Dass kein Antrag zu stellen ist, dient der Vereinfachung des Verfahrens. Wenn rechtlich auf einen Teil der Leistung schon bei der früheren Bewilligung kein Anspruch bestand, sollte sich auch aus § 67 Absatz 5 SGB II kein Anspruch auf eine unveränderte Weiterbewilligung ergeben.

Das Jobcenter ordnete den Mietkaufvertrag rechtlich falsch ein

Um zu dem Ergebnis zu kommen, musste das LSG beim Mietkauf schon genauer hinschauen. Denn bei diesem Mischvertrag hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, wie er rechtlich einzuordnen ist.

Hier wurde 2013 ein notarieller „Grundstücksmietkaufvertrag nebst Auflassung“ geschlossen. Der Vertrag regelt eine monatliche Miete von 550 €, wobei sich der Eigentümer verpflichtete, diese Miete bis zur Löschungsreife der Grundschulden zur Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeiten zu verwenden. Ein weiterer Teil des Vertrags ist ein Kaufvertrag, der den Kaufpreis der Immobilie auf 55.000,- € festsetzt. Sämtliche Mietzinszahlungen sind danach in voller Höhe auf den Kaufpreis anzurechnen. Im Vertrag steht auch dieser Passus: „Der Käufer nimmt den Kauf an und verpflichtet sich zur Abnahme des Kaufobjekts“.

Bei dieser Vertragsgestaltung ist es also in der Tat so, dass die Mietkaufraten dazu dienen, den Kaufpreis für die Immobilie abzutragen. Dann kann nichts anderes gelten als bei einem Immobiliendarlehen. Hier übernehmen die Jobcenter – bis auf wenige Ausnahmefälle – nur die Zinsen, nicht aber die Raten zur Tilgung.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dazu sehen wir sehr kritisch. Das LSG konnte sich aber darauf berufen.