Entstehen tatsächliche Kosten, wenn der Arbeitslose mit dem Fahrrad zum Meldetermin fährt? Copyright by Adobe Stock/Halfpoint
Entstehen tatsächliche Kosten, wenn der Arbeitslose mit dem Fahrrad zum Meldetermin fährt? Copyright by Adobe Stock/Halfpoint

Arbeitslose sind verpflichtet, sich regelmäßig bei der Agentur für Arbeit zu melden. Das gilt auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II. Nach dem Gesetz können sie beantragen, dass die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter die notwendigen Reisekosten übernehmen, die anlässlich der Meldung entstehen.
 

Der Arbeitslose machte Reisekosten für das Fahrrad geltend

Manch einer fährt mit dem Fahrrad zum Jobcenter. So auch ein Arbeitsloser, der sein Fahrrad zum Meldetermin beim Jobcenter nutzte. Dafür beantragte er Reisekosten. Das Jobcenter lehnte ab. Der Kläger sei nicht mit dem Kraftfahrzeug oder öffentlichen Verkehrsmitteln angereist. Er habe vielmehr sein bereits betagtes Fahrrad genommen.
 
Das Jobcenter könne ihn insoweit nicht genauso behandeln wie diejenigen, die mit dem Auto oder dem öffentlichen Nahverkehr angereist seien. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, die Kosten, die ihm entstanden seien, zu beziffern.
 

Auch geringe Kosten können das Existenzminimum berühren

Das Sozialgericht Leipzig entschied jedoch, dass auch geringe Kosten das Existenzminimum für die Empfänger von Grundsicherungsleistungen berühren. Deshalb dürfe das Jobcenter die geltend gemachten Reisekosten keineswegs vollständig ausschließen.
 
Auch Bagatellgrenzen dürfe es nicht uneingeschränkt übernehmen. Das Gesetz gebe dem Jobcenter zwar durchaus die Möglichkeit, eigenes Ermessen auszuüben. Dazu habe es auch schon Verwaltungsvorschriften erlassen. Diese Verwaltungsvorschriften führten zu einer Selbstbindung des Jobcenters, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden könne.
 

Das Urteil des Sozialgerichts hilft dem Kläger nicht viel weiter

Mehr ergibt sich aus der Pressemitteilung des Sozialgerichts nicht. Viel weiterhelfen konnte diese Entscheidung dem Kläger auch nicht; denn schlussendlich lässt das Gericht den Kläger ohne eine abschließende Lösung allein. Welche konkreten Kosten der Fahrt mit dem Fahrrad zu einem Meldetermin vom Jobcenter erstattet werden müssen, überlässt das Gericht nämlich dem Ermessen des Jobcenters.
 
Es weist einzig und allein darauf hin, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, die gleichen Kosten erstattet zu bekommen wie Nutzer eines Kraftfahrzeugs. Außerdem dürfe das Jobcenter nur diejenigen Kosten berücksichtigen, die unmittelbar mit der Reise entstanden seien. Aufwendungen für wetterfeste Kleidung, erhöhte Nahrungsaufnahme oder Duschen nach der Fahrradfahrt gehörten nicht dazu. Sie seien der individuellen Lebensführung des Klägers zuzuschreiben.
 

Es gibt auch tarifvertragliche Regelungen 

Über die Erstattung von Fahrtkosten für das Fahrrad hatten wir schon einmal berichtet:

Kilometergeld auch für Radfahrer
Diese Entscheidung betraf aber Kostenerstattungen im Arbeitsverhältnis und auch nur bezogen auf den dort streitigen Tarifvertrag. Was hilft der Erstattungsanspruch jedoch einem arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger? Der Tarifvertrag ist in diesem Punkt auf Arbeitslose sicher nicht anwendbar.
 

Es gibt nicht viele gerichtliche Entscheidungen zu Reisekosten mit dem Fahrrad

Mit Reisekostenerstattungen bei Fahrten mit Fahrrädern haben sich noch nicht sehr viele Gerichte befasst. Ein Urteil des Landessozialgerichts Bayern aus dem Jahr 2016 kann da vielleicht etwas weiterhelfen. Es verweist auf die Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes. Zur Wegstreckenentschädigung gibt das Bundesreisekostengesetz vor, dass für Dienstreisen, die regelmäßig mit dem Fahrrad zurückgelegt werden eine Wegstreckenentschädigung nach einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift gewährt wird.
 
Die Anreise mit einem Fahrrad führt bei der Erledigung von Dienstgeschäften, für die regelmäßig ein Fahrrad benutzt wird, zu einer Erstattung von fünf Euro/Monat bei viermaliger Nutzung jeden Monat. Arbeitslose nutzen das Fahrrad zu Meldeterminen jedoch nicht in diesem Sinne regelmäßig. Diesen Pauschalbetrag wird das Jobcenter also nicht zahlen müssen.
 

Es kommt auf die konkreten Kosten an

Das Landessozialgericht Bayern führt aus, dass derjenige, der es unterlasse, ein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen, die Wegstreckenentschädigung nicht unabhängig von der Art der Beförderung erhalte. Es komme lediglich eine pauschale Abgeltung seines tatsächlichen Aufwandes in Betracht.
 
Damit lässt sich wohl abschließend festhalten, dass der betroffene Arbeitslose des Jobcenters Leipzig nachweisen muss, welche Kosten ihm anlässlich der Fahrt zum Meldetermin tatsächlich entstanden sind. Da das wahrscheinlich nicht möglich ist, wird er letztlich trotz des positiven Urteils am Ende wohl leer ausgehen.

 

Sozialgericht Leipzig, Urteil vom 18. März 2020
Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24. Februar 2016

Rechtliche Grundlagen

§ 309 SGB III

(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.
(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch

erfolgen.
(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.
(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.