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Die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft NGG, klagte über den DGB Rechtsschutz gegen die Kürzung ihres Urlaubs aus dem Jahr 2020. Ab April 2020 galt für die Verkaufshilfe in der Systemgastronomie wegen der Corona-Pandemie Kurzarbeit. Der Arbeitgeber kürzte den Urlaubsanspruch anteilig für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12.

 

Kurzarbeiter mit Teilzeitbeschäftigten vergleichbar?

 

Das beklagte Unternehmen hat sich auf Unionsrecht berufen, wonach der Urlaubsanspruch für Zeiten einer Kurzarbeit Null gekürzt werden könnten. Sie verglichen hier Kurzarbeiter mit Teilzeitbeschäftigten. Während der Kurzarbeit seien die Leistungspflichten ausgesetzt und ohne Arbeitspflicht entstünden keine Urlaubsansprüche, so die Argumentation.

 

Das Arbeitsgericht Essen und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wiesen die Klage ab. Für Kurzarbeiter sei der Urlaub anteilig zu kürzen (unser Artikel: Kürzt die Kurzarbeit den Urlaub?)

 

Revision beim Bundesarbeitsgericht über gewerkschaftlichen Rechtsschutz

 

Das Thema hat Brisanz. Mit großem Interesse schauen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die höchstrichterliche Klärung. Der DGB vertritt die Ansicht, dass Arbeitgeber, die konjunkturbedingt Kurzarbeit eingeführt haben, nicht berechtigt sind, einseitig Urlaubsansprüche ihrer Beschäftigten zu kürzen.

 

Karsten Jessolat, Leiter des Gewerkschaftlichen Centrums für Revision und Europäisches Recht in Kassel, führt das Verfahren. Er hat gute Argumente dafür, dass die Entscheidung aus den ersten beiden Instanzen abzuändern ist. Das Bundesurlaubsgesetz ist eins davon, weil der Urlaub aufgrund des Bestehens des Arbeitsverhältnisses entsteht. Urlaub sei also nicht an eine Arbeitspflicht oder Arbeitsleistung geknüpft. Auch folge der Urlaubsanspruch aus einem besonderen Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft, was bei der Beurteilung, ob er auf Zeiten der Kurzarbeit angerechnet werden darf, zu berücksichtigen sei.

 

Urlaub muss freiwillig und planbar sein und der Erholung dienen

 

Die coronabedingte, konjunkturelle Kurzarbeit sei von strukturellen Kurzarbeit abzugrenzen, so die weitere Argumentation. Denn im Vordergrund stehe die Freiwilligkeit, die Planbarkeit und der Erholungswert des Urlaubs, was alles bei der Kurzarbeit als Folge der Covid 19- Pandemie nicht gegeben war. So bestanden für Arbeitnehmer*innen zum Beispiel Meldepflichten gegenüber der Agentur für Arbeit.   

 

Diesen Überlegungen schloss sich der 9. Senat beim BAG jedoch nicht an. Die sozialversicherungsrechtlichen Obliegenheiten bestünden zwar, wögen aber nicht so schwer wie die Arbeitspflicht und damit nicht so, als dass sie eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.

 

Bundesarbeitsgericht weist Revision zurück

 

Die Kurzarbeit liege zudem im Interesse beider Parteien, also nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, so die weitere Argumentation der Bundesrichter. Und auch die Klägerin habe die Vereinbarung unterschrieben.

 

Karsten Jessolat bezeichnet die Entscheidung als enttäuschend. Sie liege aber auf der bisherigen Linie des BAG, den Urlaub anzupassen, wenn sich im Laufe des Jahres Änderungen bei der Arbeitszeit ergeben. Seine Hoffnung, das BAG würde die Sache dem EuGH zur Entscheidung vorlegen, hat sich nicht erfüllt.

 

Einen Verstoß gegen Unionsrecht sah das BAG nicht. Der Europäische Gerichtshof habe grundsätzlich die Kürzungsmöglichkeit bejaht. Der Unterschied zwischen der coronabedingten konjunkturelle Kurzarbeit und der strukturellen Kurzarbeit spielte hier für das Gericht also keine Rolle.

 

Bei Kurzarbeit Null ist der Urlaub anteilig zu kürzen

 

Das BAG geht vom Grundsatz aus, dass bei Änderungen im Laufe des Jahres die Urlaubstage grundsätzlich umzurechnen sind. Das Kurzarbeitsrecht sehe eine Ausnahme nicht vor.

 

Eine bittere Pille für die vielen Beschäftigten, die im Lockdown in Kurzarbeit mussten und nicht nur Einbußen beim Einkommen, sondern auch beim Urlaub hinnehmen mussten.

 

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.2021