Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zugewiesen hat, darf er die fehlende Arbeitszeit nicht als Minusstunden mit den Plusstunden verrechnen.  Copyright by PhotoSG/Fotolia
Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zugewiesen hat, darf er die fehlende Arbeitszeit nicht als Minusstunden mit den Plusstunden verrechnen. Copyright by PhotoSG/Fotolia

Der Kläger arbeitete fast acht Jahre bei einem Arbeitgeber in der Metallbaubranche. Im Arbeitszeitkonto sammelten sich über die Jahre haufenweise Minusstunden an. Und dies obwohl der Kläger während seiner Montageeinsätze ein Höchstmaß an Überstunden machte und teilweise bis 70 Stunden pro Woche arbeitete.
 

163 Minusstunden trotz Mehrarbeit

Am Ende des Arbeitsverhältnisses im April 2017 stellte der Arbeitgeber dem Kläger wie vermeintlich vereinbart 163 Minusstunden in Rechnung und kürzte den letzten Lohn entsprechend.
 
Gegen den Abzug wehrte sich der Kläger. Die Minusstunden seien nur dadurch entstanden, dass der Arbeitgeber ihm keine Arbeit zugewiesen hatte und er, der Kläger, auf Anrufe seines Arbeitgebers, in denen Aufträge zugewiesen wurden, warten musste.
 

Stundenplus von 465

Mit Hilfe seiner rechtsschutzgewährenden Gewerkschaft und dem DGB Rechtsschutzbüro Stralsund konnte rekonstruiert werden, wie sich das Arbeitszeitkonto entwickelt hätte ohne diese betrieblich veranlassten Minusstunden. Am Ende stand gar ein Stundenplus von 465 Überstunden in drei Jahren(!) zu Buche. Auch dies klagte das IG Metall-Mitglied entsprechend ein.
 
Der Arbeitgeber wollte dies nicht auf sich sitzen lassen und führte an, der Kläger habe immer Montagetätigkeiten gewünscht und nur deswegen seien nicht ständig Einsätze vorhanden gewesen. Weiterhin sei das Arbeitszeitkonto vereinbart worden und damit eine Verrechnung von Plus- und Minusstunden zulässig.
 

Keine wirksame Verrechnung der Minusstunden

Zu Unrecht urteilte das Gericht erster Instanz. Die Vereinbarung über das Arbeitszeitkonto war unwirksam. Damit musste der Arbeitgeber jede geleistete Stunde bezahlen und konnte er betrieblich veranlasste Minusstunden im Gegenzug nicht zum Abzug bringen, denn der Kläger hatte aus dem Arbeitsvertrag einen Beschäftigungsanspruch.
 
In wesentlichen Teilen hielt diese Rechtsprechung dann auch vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern. In seinem Urteil verurteilte das LAG den Beklagten erneut zur Zahlung des einbehaltenen Geldes für die Minusstunden und zu einem großen Teil auch zur Bezahlung der Überstunden. Vom Klageantrag des Klägers wurde nur unwesentlich wegen einiger Unstimmigkeiten im berechneten Stundenumfang abgewichen.
 
Es stand daher nunmehr fest, dass der Arbeitgeber seine Angestellten so nicht ausbeuten durfte und stattdessen jede geleistete Stunde zu bezahlen war.
 

Zur Zahlung verurteilter Arbeitgeber sitzt die Sache weiter aus

Übrigens hat der Arbeitgeber bis heute noch nicht gezahlt. Die Zwangsvollstreckung wird eingeleitet. Hilfreich wäre an dieser Stelle ein Instrument wie die Zahlung der 40 € Schadensersatzpauschale, um Arbeitgeber zu pünktlicher und vollständiger Zahlung anzuhalten. Leider hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass diese Pauschale im Arbeitsrecht nicht gilt.
 
 
LINKS:
Das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund können Sie hier nachlesen

 

Lesen Sie auch:
Leiharbeitsfirma darf bei Auftragsmangel nicht die Arbeitszeitkonten plündern
Bundesarbeitsgericht: „Zwangsfreizeit“ für Leiharbeitnehmer*innen unzulässig