Das Finanzministerium hatte auf die Ausbreitung des Coronavirus reagiert und ein Hilfspaket als Schutzschild für Arbeitnehmer*innen und Unternehmen auf den Weg gebracht. Teil des Paketes war, die Voraussetzungen für Kurzarbeit zu lockern.
Um einigermaßen glimpflich aus der Krise zu kommen, haben viele Unternehmen das genutzt.  Niemals in der Geschichte waren mehr Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von Kurzarbeit betroffen. Im März 2020 waren bundesweit bereits rund 470.000 Anzeigen auf Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangen. In der Regel gehen im Monat durchschnittlich weniger als 2.000 Anzeigen ein.

Beinahe fünfmal so viele Kurzarbeiter*innen wie auf dem Gipfel der Finanzkrise

Nach Berechnungen des Münchener Ifo-Instituts waren im Mai 7,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Das ist der höchste Wert, den es in Deutschland je gegeben hat. Selbst auf dem Gipfel der Finanzkrise im Mai 2009 arbeiteten „nur“ knapp 1,5 Millionen Menschen kurz.
Kurzarbeit ist sicherlich ein geeignetes Instrument, um Entlassungen während einer Krise möglichst zu vermeiden. Für die betroffenen Beschäftigten führt sie aber zu empfindlichen Einkommenseinbußen. Das Bruttoentgelt reduziert sich um den gleichen Prozentsatz wie die Arbeitszeit. Die betroffenen Beschäftigten erhalten 60 Prozent des Nettolohn-Verlustes. Wenn ein oder mehrere Kinder mit im Haushalt leben, sind es 67 Prozent. In der Corona-Krise erhöht sich das Kurzarbeitergeld ab dem vierten Monat auf 70 Prozent (77 Prozent mit Kindern) und ab dem siebten Monat auf 80 Prozent (87 Prozent mit Kindern).
Wir hatten darüber berichtet:
„Blitzmeldung: Nach vier Monaten höheres Kurzarbeitergeld“


Die Gewerkschaften haben für Beschäftigte in Kurzarbeit sehr schnell Tarifverträge verhandelt

Was die Höhe des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes angeht, ist das reiche Deutschland damit Schlusslicht in Europa. In dieser Situation hat es sich wieder einmal ausgezahlt, wenn es starke Gewerkschaften gibt. In etlichen Branchen und Unternehmen hatten die Gewerkschaften bereits vor der Corona-Pandemie Tarifverträge abgeschlossen, die das Kurzarbeitergeld deutlich aufstocken. In der Corona-Krise haben die Gewerkschaften für Beschäftigte in Kurzarbeit sehr schnell Tarifverträge verhandelt.
Mehr hierzu in unseren Artikeln
 „Gesetzliches Kurzarbeitergeld: Deutschland ist Schlusslicht in Europa“
und
„Corona macht deutlich: Tarifverträge verbessern die Lage von Arbeitnehmer*innen spürbar“


Sehr tückisch: der Progressionsvorbehalt

Es gibt noch einen weiteren Nachteil für Arbeitnehmer*innen, die Kurzarbeitergeld beziehen. Für die Leistung selbst müssen die Beschäftigten keine Steuern zahlen. Dementsprechend führt der Arbeitgeber für das Kurzarbeitergeld auch nichts an das Finanzamt ab.
Im deutschen Steuerrecht gibt es aber eine tückische Regelung, die sich „Progressionsvorbehalt“ nennt.

Der Steuersatz steigt je nach Höhe des Einkommens auf bis zu 45 Prozent

In Deutschland zahlt nicht jeder den gleichen Steuersatz von seinem Einkommen. Je höher das zu versteuernde Einkommen ist, desto höher ist grundsätzlich auch der Steuersatz. Das nennt sich Steuerprogression. Wir wollen uns hier nicht damit aufhalten, wie die Steuer sich konkret berechnet. Um das zu verstehen, muss man schon Mathematik studiert haben.
Vereinfacht dargestellt gibt es im Steuerrecht mehrere Progressionsstufen. Wer 2019 ein Jahreseinkommen von bis zu 9168 € bezog, zahlte keine Einkommenssteuer. Danach begann der Eingangssteuersatz von 14 Prozent. Bei einem Einkommen zwischen 14.255 € bis 55.960 € betrug der Eingangssteuersatz 23,97 Prozent. Lag das Jahreseinkommen darüber, fielen bereits 42 Prozent an. Ab einem Einkommen von 265.327 € begann der Spitzensteuersatz von 45 Prozent.

Viele Sozialleistungen sorgen dafür, dass für das zu versteuernde Einkommen ein höherer Steuersatz zu zahlen ist

Für Sozialleistungen müssen deren Empfänger in Deutschland keine Steuern zahlen. Die meisten dieser Leistungen unterliegen aber dem Progressionsvorbehalt. Dazu gehören Kurzarbeitergeld, Krankengeld und Arbeitslosengeld, nicht aber „Hartz IV“.  Für die Höhe des Steuersatzes wird eine Sozialleistung, die diesem Vorbehalt unterliegt, als Einkommen angesehen.
Dazu ein sehr vereinfachtes Beispiel:


Egon Meier hatte im Jahr 2019 ein zu versteuerndes Einkommen von 12.000,00 €. Zusätzlich hatte er noch Kurzarbeitergeld in Höhe von insgesamt 3.500,00 € bezogen. Ohne Berücksichtigung des Kurzarbeitergeldes hätte er den niedrigen Steuersatz von 14 Prozent zahlen müssen. Weil aber das Kurzarbeitergeld von 3.500,00 € dem Progressionsvorbehalt unterliegt, wird es bei der Höhe des Steuersatzes berücksichtigt. Egon Meier muss zwar nur für das Einkommen in Höhe von 12.000,00 € Einkommenssteuer zahlen, aber hinsichtlich des Steuersatzes gemessen an einem Einkommen von 15.500,00 €, also 23,97 Prozent.



Weil der Arbeitgeber aber für das Kurzarbeitergeld keine Einkommenssteuer an das Finanzamt abgeführt hat, kann eine Nachzahlung drohen. Das Kurzarbeitergeld kann also dazu führen, dass für andere Einkünfte höhere Steuern zu zahlen sind.

Zum Download: Lohnsteuer Grundbegriffe 2020 - Von A wie Altersentlastungsbetrag bis Z wie zumutbare Belastung