Das bisschen extra gibt es nun nicht mehr. Copyright by Adobe Stock/Parilov
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Viele Arbeitsgerichte in den Kohleregionen Deutschlands waren in den letzten Jahren mit der Frage beschäftigt, ob der Arbeitgeber die Deputatkohle für ehemalige Bergleute streichen durfte. Stattdessen sollte eine „Energiebeihilfe“ gezahlt werden. Das hatten die Tarifvertragsparteien so vereinbart.

In Nordrhein-Westfalen ergingen mehrere Urteile des Landesarbeitsgerichts Hamm. Die Arbeitsgerichte und das Landesarbeitsgericht vertraten die Auffassung, dass kein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch darauf bestehe, dauerhaft Deputatkohle zu bekommen. Auch das Bundesarbeitsgericht schloss sich dieser Rechtsauffassung an.

Die Kläger beschritten den Weg zum Bundesverfassungsgericht

Die Kläger bestritten anschließend den Weg zum Bundesverfassungsgericht. Dort ging es nur noch um die Frage, ob die Maßnahme gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, also vor allem die Grundrechte, verstößt.

Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung des Grundrechts auf Schutz des Eigentums (Art 14 GG). Sie begründeten das damit, die Vorinstanzen hätten die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit missachtet.

Die Gerichte hätten es für rechtmäßig erachtet, Deputatkohle durch eine Energiebeihilfe zu ersetzen

Die Gerichte hielten den geänderten Tarifvertrag für rechtmäßig. Die Deputatkohle stelle einen Ertrag aus der betrieblichen Altersversorgung dar. Es sei zulässig gewesen, den Tarifvertrag insofern zu ändern, dass statt der Deputatkohle fortan Energiebeihilfe gezahlt werden solle.

Die Beschwerdeführer verwiesen jedoch darauf, dass die Geldleistung deutlich geringer sei, als der Marktwert der Sachleistung. Dadurch sahen sie sich in ihrem Eigentum verfassungswidrig beeinträchtigt.

Das Bundesverfassungsgericht folgte der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer nicht

Das Bundesverfassungsgericht folgte dieser Rechtsauffassung jedoch nicht. Das Eigentum sei nicht beeinträchtigt. Die Verfassungsbeschwerde wurde deshalb auch nicht zur Entscheidung angenommen.

Es sei nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragsparteien anlässlich des Endes des Steinkohlebergbaus in Deutschland die Deputatkohle durch eine Energiebeihilfe ersetzten.

Deputatkohle sei eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung

Die Deputatkohle sei eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung, so das Bundesverfassungsgericht. Es sei durchaus möglich, Anwartschaften auf eine Rente unter den Schutz des Eigentums zu stellen. Auch habe die betriebliche Altersversorgung Entgeltcharakter. Ihr stehe jedoch keine finanzielle Gegenleistung gegenüber, sondern die Betriebstreue.

Die verfassungsrechtliche Rechtsprechung habe den Eigentumsschutz für Renten-und Rentenanwartschaftsrechten allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen. Dies gelte zumindest hinsichtlich eines ausgeprägten sozialen Bezuges bei Umgestaltungen, Kürzungen und Beschränkungen.

Soweit Nachteile entstehen, ist das am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen

Soweit Nachteile entstünden, sei dies am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen.

Der Tarifvertrag im Bergbau war 2010 geändert worden. Jedoch schon 1973 hatten die Ansprüche auf den Bezug von Kohle unter dem Vorbehalt späterer Regelungen der Tarifvertragsparteien gestanden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass es durchaus auch Fälle geben könne, die zunächst überhaupt nicht berücksichtigt worden seien und später neu geregelt würden. Ein solcher Fall sei die deutschlandweite Beendigung der Steinkohleförderung.

Die Tarifverträge enthielten Vorbehalte

Insofern enthielten auch die Tarifverträge den Vorbehalt einer Änderung. Wie auch der Gesetzgeber dürften die Tarifparteien Ansprüche zur Alterssicherung umgestalten und unter bestimmten Voraussetzungen auch kürzen und beschränken.

Die Arbeitsgerichte hätten damit entscheidend darauf abstellen dürfen, dass ein Anspruch auf Deputatkohle als eine Art Beteiligung gesehen werde. Das Produktionsergebnis sollte für die Dauer der Eigenproduktion von Steinkohle in Deutschland sichergestellt werden. Nachdem eigene Kohle nicht mehr vorhanden war, sei es folglich unmöglich gewesen, diese an ehemalige Bergleute zu liefern.

Die Kohleunternehmen hatten keine Pflicht, sich mit fremder Kohle am Markt zu versorgen

Die Kohleunternehmen hätten auch keine Pflicht gehabt, sich für die Deputatkohle mit fremder Kohle am Markt zu versorgen. Zwar habe es in den früheren Tarifverträgen eine Sicherungsklausel zum Vertrauensschutz gegeben. Danach sei jedes Bergwerksunternehmen verpflichtet gewesen, im Falle seiner Auflösung, Stilllegung oder des Verkaufs seiner Zechen, sicherzustellen, dass die tarifvertraglich vereinbarten Ansprüche erfüllt würden.

Dies erfasse jedoch nicht den Fall, dass die Kohleförderung in sämtlichen Unternehmen beendet wurde, so das Bundesverfassungsgericht. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien zu einem Zeitpunkt, als das Ende des Steinkohlebergbaus überhaupt noch nicht absehbar war, einzig den Fall regeln wollten, in welchem eine einzige Zeche geschlossen würde.

Die Tarifvertragsparteien verfolgten mit der Umstellung ein legitimes Ziel

Die Tarifvertragsparteien hätten im Übrigen ein legitimes Ziel verfolgt, als sie von der Lieferung der Deputatkohle auf eine Energiebeihilfe umstellten. Versicherungsrechtliche Positionen dürften angeglichen und ausgetauscht werden, wenn der Grund ihrer Leistung entfallen sei. Dies gelte insbesondere in Situationen, in welchen sich gesellschaftliche und wirtschaftliche Verhältnisse veränderten.

Da anzunehmen sei, dass genau eine solche Situation vorliegt, durften die Tarifvertragsparteien den Bezug der Naturalleistung durch eine Geldleistung ersetzen. Dies habe auch der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz entsprochen.

Damit steht nun endgültig fest: keine Deputatkohle mehr für ehemalige Bergleute!

Hier geht es zum Urteil