Als wäre die Pandemie nicht schon Schrecken genug. Mit Va Piano hat jetzt ein Unternehmen wegen der Auswirkungen von Corona Insolvenz beantragt. Copyright by Adobe Stock/oka
Als wäre die Pandemie nicht schon Schrecken genug. Mit Va Piano hat jetzt ein Unternehmen wegen der Auswirkungen von Corona Insolvenz beantragt. Copyright by Adobe Stock/oka

Kann ein Unternehmen seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubiger nicht mehr erfüllen oder droht Zahlungsunfähigkeit, spricht man von Insolvenz oder einem Insolvenzgrund. Zu den Gläubigern gehören auch die Beschäftigten, wenn sie noch Ansprüche gegen das Unternehmen haben. Das Unternehmen ist dann verpflichtet, beim Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Das Gericht entscheidet dann durch Beschluss, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
 
Das Gericht wird die Insolvenz eröffnen, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, es sei denn, das insolvente Unternehmen hat nicht einmal mehr so viel Vermögen, dass damit die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt werden könnten. In dem Fall wird das Gericht es „mangels Masse“ ablehnen, das Insolvenzverfahren zu eröffnen.
 

Wenn das Gericht beschließt, die Insolvenz zu eröffnen oder die Eröffnung ablehnt, ist das ein Insolvenzereignis

Unabhängig davon, ob das Gericht das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung ablehnt, ist dieser Beschluss ein Insolvenzereignis. Das ist gerade für die Beschäftigten wichtig, weil damit eine  Voraussetzungen für Insolvenzgeld vorliegt.
 
Wird die Insolvenz eröffnet, gibt es im Grunde mehrere Möglichkeiten, wie das Verfahren durchgeführt wird. Es gibt das normale Verfahren, in dem das Gericht einen Insolvenzverwalter bestellt. Der tritt zu diesem Zeitpunkt für Forderungen an die Stelle des Unternehmers. Ansprüche muss ich also nicht mehr an meinen Arbeitgeber, sondern an den Insolvenzverwalter stellen. Das Unternehmen kann auch in Eigenverwaltung fortgeführt werden. Dann führt der Unternehmer selbst sein Geschäft weiter unter der Aufsicht eines Sachwalters, der auch vom Gericht bestellt wird. Eine besondere Form der Eigenverwaltung ist das sogenannte „Schutzschirmverfahren“. In diesem geht es vor allem um Sanierung. Also darum, dass nach Abschluss der Insolvenz das Unternehmen weiter geführt wird.
 

Insolvenzforderungen und Masseforderungen

Für die Beschäftigten es in allen drei Fällen zunächst einmal wichtig, wie es mit ihrer Arbeit und dem Entgelt weiter geht.
 
Wird das Insolvenzverfahren in welcher Form auch immer eröffnet, sind alle Ansprüche die vor der Eröffnung entstanden sind, Insolvenzforderungen. Entstehen nach der Eröffnung Forderungen, heißen sie Masseforderungen. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig: Insolvenzforderungen werden nicht direkt beglichen, sondern man muss sie beim Insolvenzverwalter zu einer Tabelle anmelden, in die sie aufgenommen werden.
 
Wenn nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch Vermögen übrig ist, wird es nach einer Quote auf die Insolvenzgläubiger verteilt. Viel bleibt in der Regel nicht mehr übrig.
 
Die Masseschulden muss der Insolvenzverwalter (bzw. das Unternehmen bei Eigenverwaltung oder Schutzschirmverfahren) weiter in voller Höhe zahlen. Das betrifft auch Arbeitsentgelt, das gezahlt werden muss für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung.
 

Insolvenz in der Insolvenz oder Masseunzulänglichkeit

Insoweit gibt es allerdings noch die Gefahr, dass sich irgendwann während des Verfahrens herausstellt, dass das Vermögen nicht mehr ausreichen wird, alle Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Dann wird der Insolvenzverwalter „Masseunzulänglichkeit“ anzeigen. Das ist eine Situation, die auch als „Insolvenz in der Insolvenz“ bezeichnet wird. Dann werden die Masseforderungen, die vor der Anzeige entstanden sind, zu „Altmasseverbindlichkeiten“, die nach einer vom Gesetz festgelegten Rangfolge zu begleichen sind. Leider sind die Arbeitsentgelte insoweit zweitrangig. Wichtig ist auch, dass wegen „Altmasseverbindlichkeiten“ nicht einmal mehr die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.
 
So weit, so kompliziert. Wir versuchen, im Folgenden einige Fragen zu beantworten, die betroffene Beschäftigte im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers haben könnten.
 

Was ist ein vorläufiges Insolvenzverfahren?

Darunter versteht man das Verfahren zwischen der Antragstellung und dem Eröffnungsbeschluss. Das dauert in der Regel etwa zwei bis drei Monate. Die Insolvenzordnung bestimmt, dass das Insolvenzgericht (Amtsgericht) alle Maßnahmen zu treffen muss, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag zu vermeiden, dass für die Gläubiger durch unternehmerisches Handeln Nachteile entstehen. Dazu gehört auch, dass das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter besteht.
 
Das Gericht hat zwei Möglichkeiten:
 

  1. Es bestellt einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter. In diesem Fall überträgt das Gericht ihm nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Das ist der weitaus häufigste Fall. Für die Beschäftigten ändert sich rechtlich bis zum Eröffnungsbeschluss zunächst einmal nichts.

  2. Es bestellt einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter. Das heißt, das Gericht überträgt ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners. In diesem Fall gehen die Befugnisse des Arbeitgebers auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über.

 

Darf der vorläufige Insolvenzverwalter mich freistellen und was heißt das für mein Arbeitsentgelt?

Ist ein „starker“ Insolvenzverwalter bestellt, gibt es zum Nachteil der Beschäftigten eine insolvenzrechtliche Besonderheit. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten Schulden des insolventen Unternehmens, die der vorläufige Insolvenzverwalter begründet hat, nach § 55 der Insolvenzordnung nur dann als Masseverbindlichkeit, wenn er dafür eine Gegenleistung entgegengenommen hat. Das heißt also, Arbeitsentgelt für die Zeit nach der Eröffnung ist nur dann eine Masseverbindlichkeit, wenn der Beschäftigte tatsächlich gearbeitet hat.
 
Aus dieser Vorschrift wird vielfach gefolgert, dass der starke vorläufige Insolvenzverwalter den Beschäftigten freistellen kann mit der Folge, dass dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr hat. Dieses wird vielmehr wie das das Arbeitsentgelt von vor der Eröffnung zur Insolvenzforderung.
 

Was ist mit dem Arbeitsentgelt, das mein Arbeitgeber mir noch schuldet?

Arbeitslohn, der für Zeiten gezahlt werden muss, die vor der Eröffnung der Insolvenz liegen, sind leider nur Insolvenzforderungen. Es kommt nicht darauf an, wann der Lohn fällig ist. Die meisten Arbeitnehmer*innen bekommen ihr Arbeitsentgelt im Nachhinein gezahlt. Wenn dann etwa das Insolvenzverfahren Ende März eröffnet worden ist, ist das Arbeitsentgelt für März Insolvenzforderung, auch wenn es erst im April ausgezahlt worden wäre.  Diese Forderung muss beim Insolvenzverwalter zur Tabelle gemeldet werden.
 
Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die nach der Eröffnung entstehen, sind Masseforderungen. Wer also nach der Eröffnung weiter arbeitet, hat weiter Anspruch auf Arbeitsentgelt.
 

Wann habe ich Anspruch auf Insolvenzgeld?

Allerdings gibt es für Arbeitnehmer*innen einen wichtigen Schutz: für die drei Monate vor der Insolvenzeröffnung haben sie Anspruch auf Insolvenzgeld in der Höhe des Nettoarbeitsentgeltes von der Agentur für Arbeit.
 
Der Antrag sollte am besten sofort gestellt werden, auch wenn der Anspruch ein Insolvenzereignis (Beschluss des Amtsgerichts) voraussetzt. Spätestens muss der Antrag binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis bei der Agentur für Arbeit gestellt werden. Da der Zeitraum, für den das Insolvenzgeld gezahlt wird, erst bestimmt werden kann, wenn das Amtsgericht den Beschluss verkündet hat, kann die Agentur für Arbeit es auch erst nach dem Beschluss bewilligen.
 

Kann die Agentur für Arbeit einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld zahlen?

Die Agentur für Arbeit kann einen Vorschuss leider nur für diejenigen zahlen, deren Arbeitsverhältnis beendet ist, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt werden.
 

Was ist eine Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes?

Wenn in Betracht kommt, dass das insolvente Unternehmen nach dem Insolvenzverfahren fortgeführt wird, gibt es für die Beschäftigten, die noch in einem Arbeitsverhältnis stehen, die Möglichkeit, dass das Insolvenzgeld vorfinanziert wird. In diesem Fall kauft eine Bank den Beschäftigten den Anspruch auf Insolvenzgeld ab. Im Gegenzug treten die Beschäftigten ihre Forderung gegen die Bundesagentur für Arbeit ab. Die Banken zahlen den betroffenen Beschäftigten also das Insolvenzgeld aus und holen es sich später von der Agentur für Arbeit wieder.
 
Angeschoben wird ein solches Verfahren vom Insolvenzverwalter  - oder im Fall von Eigenverwaltung oder Schutzschirm vom Arbeitgeber. Die Bundesagentur für Arbeit muss der Vorfinanzierung allerdings zustimmen, damit es nicht zu Missbrauch kommt.
 

Was passiert mit meinem Überstunden?

Hier gibt es keine gute Nachricht. Überstunden, die vor der Insolvenzeröffnung geleistet worden sind, sind im Grunde nicht mehr zu retten. Wer Überstunden leistet, gibt seinem Arbeiter nämlich quasi einen Kredit, den man zurückfordern kann. Insoweit hat man also Ansprüche, die vor der Eröffnung der Insolvenz entstanden sind. Das hat zur Folge, dass der Anspruch auf Abgeltung dieser Überstunden Insolvenzforderung ist. Man hat also nur die Möglichkeit, den Anspruch zur Insolvenztabelle zu melden.
 
Ausnahme sind nur die Überstunden, die man in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet hat. Für diese Stunden gibt es Insolvenzgeld.
 

Was ist, wenn ich noch Anspruch auf Urlaub habe

Wer weiter arbeitet, erwirbt auch weiter  -anteilig- einen Anspruch auf Erholungsurlaub. Er kann auch ganz normal beim Insolvenzverwalter Urlaub beantragen.
 
Auch der Urlaub aus der Zeit vor Eröffnung der Insolvenz verfällt wegen der Insolvenz nicht unbedingt. Ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs entsteht erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Deshalb ist dieser Anspruch immer dann eine Masseforderung, wenn das Arbeitsverhältnis bis nach der Eröffnung andauert. Es kommt insoweit nicht darauf an, wann der Arbeitgeber gekündigt hat, sondern wann die Kündigungsfrist endet.
 

Was ist mit jährlichen Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld?

Etwas komplizierter verhält es sich mit jährlichen Sonderzahlungen wie dem Urlaubsgeld. Unter welchen Voraussetzungen jährliche Sonderzahlungen als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom Zweck der Sonderzahlung ab. Es kommt darauf an, ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet oder sonstige Zwecke verfolgt. Das ist dann durch Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zu ermitteln.
 
Handelt es sich um eine Sonderzahlung, die irgendwie der Arbeitsleistung zuzuordnen ist, entsteht der Anspruch regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“) und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. Insolvenzrechtlich sind solche arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind.
 
Stichtagsbezogene Sonderzahlungen, die reinen Gratifikationscharakter haben, sind dagegen dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt. Liegt der Stichtag zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit. Liegt der Stichtag zeitlich davor, ist eine solche Zahlung in voller Höhe als Insolvenzforderung anzusehen.
 

Gilt der Schutz des Arbeitsrechtes weiter trotz der Insolvenz?

Grundsätzlich gelten die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch in der Insolvenz. Sie beendet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch. Auch das Kündigungsschutzgesetz, das die Arbeitnehmer*innen vor willkürlichen Kündigungen schützt, findet weiter Anwendung.
 
Allerdings bestimmt die Insolvenzordnung, dass die Kündigungsfrist bei Arbeitsverhältnissen längstens drei Monate beträgt, auch wenn sie nach einem Tarifvertrag normalerweise deutlich länger wäre.
 
Im regelmäßigen Insolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter rechtlich die Stellung des Arbeitgebers. Ansprüche sind also gegen den Insolvenzverwalter zu stellen. Dieser muss auch verklagt werden, wenn man Ansprüche gerichtlich geltend machen will. Das gilt insbesondere auch für ein Kündigungsschutzverfahren. Ist allerdings Eigenverwaltung oder das Schutzschirmverfahren angeordnet, muss der Arbeitgeber verklagt werden.
 

Darf der Insolvenzverwalter wegen der Insolvenz das Arbeitsverhältnis kündigen?

Ein klares Nein! Die Insolvenz selbst ist kein Kündigungsgrund. Wer eine Kündigung bekommt, sollte binnen drei Wochen, nachdem er die Kündigung erhalten hat, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Es gelten dabei dieselben Regeln wie bei Kündigungen von Arbeitgebern, die nicht insolvent sind. Der Insolvenzverwalter muss im Kündigungsschutzverfahren die Kündigung begründen und die Kündigungsgründe im Zweifel beweisen. Allein die Tatsache, dass es ein Insolvenzverfahren gibt, reicht als Kündigungsgrund nicht aus.
 
Wirklichen Kündigungsschutz hat man aber nur, wenn der Betrieb, indem man arbeitet, mehr als 10 Beschäftigte hat und das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, wird man vor dem Arbeitsgericht nur ganz geringe Chancen haben. Das Gericht prüft dann nur, ob die Kündigung aus reiner Willkür erfolgt ist. Arbeitgeber mit Kleinbetrieben brauchen nämlich nach dem Gesetz keinen Kündigungsgrund.
 

Was ist mit meiner betrieblichen Altersversorgung, wenn mein Arbeitgeber insolvent ist?

Wer bereits eine Betriebsrente von seinem Arbeitgeber bezieht, hat insoweit wenig Grund zur Sorge. Die betriebliche Altersversorgung geschieht in der Regel über eine Direktzusage, eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds. Diese Rente ist abgesichert über den Pensionssicherungsverein (PSV). Er übernimmt im Fall der Insolvenz die monatliche Rentenzahlung.
 
Über den PSV sind auch die unverfallbare Versorgungsanwartschaften nach Maßgabe des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) abgesichert.
 
Etwas anders sieht es aus, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung erfolgt. Insoweit zahlt der Arbeitgeber ja nicht die Rente, sondern die Versicherung oder die Pensionskasse. Der Arbeitgeber hat nur zugesagt, Beiträge zu diesen Versicherungen zu leisten. Diese Zusage ist allerdings nicht insolvenzgesichert.
 
Was allerdings über den PSV abgesichert ist, ist die sogenannte Einstandspflicht des Arbeitgebers. Wenn eine Pensionskasse aufgrund der Entwicklung am Finanzmarkt nicht mehr dazu in der Lage ist, die zugesagte Versorgung zu leisten, muss der Arbeitgeber für den Rest aufkommen. Wird der Arbeitgeber insolvent, muss der PSV einspringen.

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