Zu hitzig geführten Diskussionen kann es schon auch mal unter Betriebsratsmitgliedern kommen. Copyright by Adobe Stock/Knut Wiarda
Zu hitzig geführten Diskussionen kann es schon auch mal unter Betriebsratsmitgliedern kommen. Copyright by Adobe Stock/Knut Wiarda

Der Betriebsratsvorsitzende eines Unternehmens der Textil- und Bekleidungsindustrie in Franken geriet in Streit mit seinem Stellvertreter. Bei dem Streit soll er diesen angeschrien und respektlos behandelt haben. Außerdem hielt man ihm vor, er habe wild gestikuliert und einen bedrohlichen Eindruck vermittelt. Welche Worte dabei genau fielen, ließ sich nicht mehr klären.
 

Nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende war anwesend

Zwei Mitglieder des Betriebsrates waren zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt abwesend. Mehrere weitere Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder hatten außerdem ihren Rücktritt aus dem Gremium erklärt.
 
Unmittelbar nach dem Streit zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter entschloss sich der Arbeitgeber, dem Vorsitzenden des Betriebsrates fristlos zu kündigen. Er hörte hierzu den Stellvertreter an. Wegen der Rücktritte und der Erkrankungen weiterer Betriebsratsmitglieder war der Stellvertreter an diesem Tag das einzige anwesende und zur Verfügung stehende Betriebsratsmitglied.
 

Zwei Betriebsratsmitglieder nahmen die Arbeit wieder auf

Sowohl das verbliebene Betriebsratsmitglied als auch der Chef wussten allerdings, dass die beiden erkrankten Betriebsräte am Folgetag ihre Arbeit wieder aufnehmen wollten. Dennoch erteilte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende alleine die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Vorsitzenden.
 
Der Arbeitgeber kündigte tags darauf. Vertreten durch das DGB Rechtsschutzbüro Bayreuth, erhob der Betroffene Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Seiner Auffassung nach hatte der Chef den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
 

Der Zustimmungsbeschluss war nicht wirksam

So entschied auch das Gericht. Ein wirksamer Zustimmungsbeschluss im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes liege nicht vor. Ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben ist, spiele deshalb keine Rolle.
 
Die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds bedarf nach dem Betriebsverfassungsgesetz der wirksamen Zustimmung des Betriebsrates. Es darf insbesondere kein grober Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften vorliegen.
 

Der Betriebsrat muss beschlussfähig sein

Ein Verstoß liegt beispielsweise vor, wenn nicht alle Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung eine Einladung erhalten haben, wenn keine Beschlussfähigkeit vorliegt oder der Beschluss im Umlaufverfahren gefasst worden ist. Gleiches gilt auch, wenn der Arbeitgeber an der Beratung bzw. Abstimmung über den Zustimmungsantrag teilgenommen hat.
 
Ob ein ordnungsgemäßer Beschluss vorliegt, fällt zwar grundsätzlich in die Sphäre des Betriebsrates. Etwaige Fehler hat der Arbeitgeber grundsätzlich nicht zu vertreten. Allerdings gelten diese Grundsätze nicht im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds.
 

Der Arbeitgeber darf auf die Wirksamkeit eines Beschlusses vertrauen

Der Arbeitgeber darf nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes grundsätzlich auf die Wirksamkeit eines Zustimmungsbeschlusses vertrauen, wenn er ihm von Seiten des Betriebsratsvorsitzenden oder seines Stellvertreters mitgeteilt wird.
 
Sind dem Arbeitgeber allerdings Tatsachen bekannt oder muss er Tatsachen kennen, aus denen die Unwirksamkeit des Beschlusses folgt, gilt das nicht. Erkundigen muss sich der Arbeitgeber allerdings nicht.
 

Für zeitweilig nicht beschlussfähige Betriebsräte gelten Ausnahmen

Ist ein Betriebsrat zeitweilig nicht mehr beschlussfähig, weil nicht mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen kann, darf der Restbetriebsrat dennoch einen Beschluss fassen, wenn mindestens die Hälfte der noch vorhandenen Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt.
 
Ansonsten besteht im Falle der vorübergehenden Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern eine zeitweilige Beschlussunfähigkeit. Sind Betriebsratsmitglieder zeitweilig verhindert, darf der Restbetriebsrat die Geschäfte aber nur weiterführen, wenn der Betriebsrat für die gesamte Dauer einer Äußerungsfrist beschlussunfähig bleibt.
 

Der Betriebsrat war nichtwährend der gesamt Frist beschlussunfähig

Davon war nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Zwar sei bei Eingang der Anhörung nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende anwesend gewesen, zwei weitere Betriebsratsmitglieder hätten aber am Folgetag zur Verfügung gestanden.
 
Von dem insgesamt 5-köpfigen Betriebsrat hätten damit insgesamt drei Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teilnehmen können. Das sei mehr als die Hälfte des Gremiums, so dass es beschlussfähig gewesen wäre.
 

Der Arbeitgeber wusste Bescheid

Innerhalb der dreitägigen Anhörungsfrist wäre der Betriebsrat wieder beschlussfähig geworden. Das habe sowohl der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende als auch der Arbeitgeber gewusst. Die vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden alleine erteilte Zustimmung zur fristlosen Kündigung sei damit nicht ordnungsgemäß ergangen.
 
Die Kündigung war damit rechtsunwirksam. Der Arbeitgeber muss den unliebsamen Betriebsratsvorsitzenden nun weiter beschäftigen


Hier geht es zum Urteil

Rechtliche Grundlagen

§ 103 BetrVG, § 22 BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz
§ 103 Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen
(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.
(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.
(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.

Betriebsverfassungsgesetz
§ 22 Weiterführung der Geschäfte des Betriebsrats
In den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 führt der Betriebsrat die Geschäfte weiter, bis der neue Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist.