Mittagsschlaf während der Arbeit kann teuer werden - das musste K., 59 Jahre alt und seit über 20 Jahren Anlagenführer in einer Dachziegel-Fabrik, schmerzlich feststellen.
Während der Kontrolle eingeschlafen?
K. ´s Aufgabe war es, die Produktion von Dachziegeln zu überwachen. Er musste dafür sorgen, dass die ungebrannten Ziegelrohlinge mithilfe eines sogenannten „Kassettengreifers“ maschinell in die richtige Position in Kassetten eingelegt wurden. Dadurch soll verhindert werden, dass sich die Ziegelrohlinge während des folgenden Brennvorgangs verformen.
Im September 2019 gab K. versehentlich einen falschen Produktionscode ein. Das hatte zur Folge, dass der Kassettengreifer die Ziegelrohlinge in eine falsche Position in die Kassetten einlegte. K bemerkte das aber nicht. Sein Schichtleiter sagte aus, dass er ihn schlafend auf einen Stuhl vor der Produktionslinie angetroffen habe; er habe ihn erst aufwecken müssen.
Da sei es aber schon zu spät gewesen, um den Schaden zu verhindern. Er habe die Produktion stoppen müssen, um die schadhaften Ziegeln zu entsorgen. Die beschädigten Ziegel habe der Arbeitgeber nicht verkaufen können, so dass ihm zusammen mit dem Produktionsausfall ein hoher Schaden entstanden sein.
Fristlose Kündigung und 15.000 € Schadensersatz
Der Arbeitgeber kündigte K., der Betriebsratsmitglied war, fristlos und verlangte von ihm Schadensersatz in Höhe von ca. 15.000 €. K. habe seine Arbeitspflichten vernachlässigt, weil er die Produktion nicht überwacht habe.
Dazu hätte er von seinem Stuhl aufstehen und an die Fertigungslinie herantreten müssen, um die Position der Ziegelrohlinge zu kontrollieren. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass er während der Arbeit eingeschlafen sei. Er habe in der Vergangenheit deswegen bereits mehrere Abmahnungen erhalten.
K. wehrte sich gegen diese Vorwürfe. Er sei nicht eingeschlafen, sondern habe wegen seines Gehörschutzes den Schichtleiter nicht gleich bemerkt. Er habe von seinem Stuhl aus nicht bemerken können, dass die Dachziegel falsch lagen. An dem Schaden trage der Arbeitgeber eine Mitschuld, da auch der Schichtleiter die Produktion hätte überwachen müssen.
Arbeitsgericht Neuruppin: Vorsätzliches Handeln des Klägers lag vor
Das Arbeitsgericht Neuruppin gab dem Arbeitgeber Recht und wies die Kündigungsschutzklage ab. Seiner Meinung nach lag ein Grund für eine fristlose Kündigung vor. Ob K eingeschlafen sei oder nicht, sei nicht entscheidend. K. hätte die Produktion aus nächster Nähe überwachen müssen, um sich zu vergewissern, dass die Ziegel in richtiger Position lagen. Dazu hätte er aufstehen und an die Fertigungslinie herantreten müssen.
Leistungsmängel könnten nur in seltenen Fällen eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Bei K. sei dies aber der Fall. Er habe gewusst, dass er den Produktionsablauf nicht von seinem Stuhl aus kontrollieren konnte, und habe sich dennoch bewusst dafür entschieden, sitzen zu bleiben. Er habe damit vorsätzlich gegen die Kontrollpflicht verstoßen. Dem Arbeitgeber sei es nicht zuzumuten gewesen, den Kläger bis zum Ablauf der siebenmonatigen Kündigungsfrist, die im Fall einer ordentlichen Kündigung einzuhalten wäre, zu beschäftigen. Daran ändere auch das Alter und die lange Betriebszugehörigkeit des K. nichts.
Schließlich sei auch der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers zum großen Teil gerechtfertigt. Er habe beweisen können, dass er die beschädigten Ziegel nicht mehr habe verkaufen können. Das mache einen Betrag von über 6.000 € aus. Der Kläger habe diesen Schaden grob fahrlässig verursacht. Allerdings trage der Arbeitgeber eine Mitverantwortung, da er die Kontrolle über die Produktion K allein überließ.
Ergebnis: K verlor seinen Arbeitsplatz, außerdem muss er dem Arbeitgeber 6.600 € als Schadensersatz zahlen.
Das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit allerdings noch nicht gesprochen: K., vertreten durch die DGB Rechtsschutz GmbH Neuruppin, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgericht Neuruppin
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Das sagen wir dazu:
Man kann es nicht anders sagen: dieses Urteil ist eine Fehlentscheidung.Das fängt schon mit dem Kündigungsgrund an: Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind ungenügende und qualitativ schlechte Arbeitsleistungen eines Arbeitnehmers nur im Ausnahmefall ausreichend, um dessen außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das kann dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich seine Arbeitskraft zurückhält. Das Arbeitsgericht Neuruppin ist im Falle des K. davon ausgegangen. Er habe es vorsätzlich unterlassen, aufzustehen und die Fertigungslinie zu kontrollieren.
Ordentliche Kündigung wäre unwirksam gewesen
Wenn K. aber tatsächlich am Arbeitsplatz eingeschlafen wäre -– wie der Arbeitgeber behauptet hat -– kann von einer bewussten Entscheidung nicht die Rede sein. Solch ein Verhalten des K. wäre sicherlich fahrlässig gewesen, hätte aber eine außerordentliche fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Eine ordentliche Kündigung wäre aber unwirksam gewesen, da K. als Betriebsratsmitglied Kündigungsschutz genießt.
Fehlerhafte Interessenabwägung
Es geht weiter mit der Interessenabwägung. Auch wenn ein Kündigungsgrund vorgelegen haben sollte, hätte das Gericht das Alter und die lange Betriebszugehörigkeit von K. stärker gewichten müssen. Der Arbeitgeber hätte auch erwägen müssen, K. auf einen anderen Arbeitsplatz umzusetzen. Das Arbeitsgericht hat diese Einwände mit dem Hinweis auf das seiner Meinung nach grobe Fehlverhalten des K. lapidar verworfen.
Mitverschulden des Arbeitgebers
Es ist auch nicht klar, wie das Gericht zu einem Schadensersatzanspruch von 6.600 € kommt. Immerhin hat es zu Recht festgestellt, dass der Arbeitgeber ein Mitverschulden trägt, da er die Aufsicht über die Produktion nur dem K. übertragen hat. Dann hätte das Gericht aber den Schaden zwischen K. und seinem Arbeitgeber aufteilen müssen. (s.a. Haftung des Arbeitnehmers - Glossar- DGB Rechtsschutz GmbH)Auch das ist nicht geschehen. Das Arbeitsgericht hat dem Arbeitgeber zwar nur einen Teilbetrag zugesprochen. Es ist aber nicht klar, ob es den Schaden insgesamt nur so hoch eingeschätzt hat, oder ob es dabei auch ein Mitverschulden des Arbeitgebers mit berücksichtigt hat. Es bleibt zu hoffen, dass der Kläger mit seiner Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Erfolg haben wird.
Rechtliche Grundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen
Das sagen wir dazu