Jetzt muss nur noch der Arm ein klein wenig nach oben!. Copyright by Adobe Stock/pict rider
Jetzt muss nur noch der Arm ein klein wenig nach oben!. Copyright by Adobe Stock/pict rider

Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 6. Juni 2019 beantwortet.

Die Vorgeschichte

Ein Service-Agent war seit 2009 Mitglied des Betriebsrates in einem Logistikunternehmen.
Am Ende 2016 rief er einem Kollegen in der Kantine zu:
„Schau woanders hin, sonst ficke ich dich!“
Wegen dieser Beleidigung hat sein Arbeitgeber ihn schriftlich abgemahnt.
 

Der Vorwurf und die Reaktion des Service-Agenten

Der Logistikunternehmer hörte das Betriebsratsgremium an, weil er aus mehreren Gründen beabsichtigte, dem Service Agent außerordentlich fristlos zu kündigen.
Im Anhörungsschreiben teilt der Arbeitgeber unter anderem mit, dass der Service-Agent mit seinem dunkelhäutigen Kollegen während einer Betriebsratssitzung über die Bearbeitung eines IT-Systems diskutiert habe. Dabei sagte der Kollege, dass er logisch an das Problem heran gehen wolle. Darauf antwortete der Service-Agent:
„Weil du eine Brille hast und jetzt logisch denken kannst?“
Darauf der Kollege:
„Was willst du überhaupt?“
Der Service-Agent reagierte darauf mit:
„Ugah ugha!“
Sein Betriebsratskollege äußerte daraufhin:
„Du Stricher!“
 
Wegen der Affenlaute hatte der Betriebsratskollege beim Personalleiter eine Beschwerde nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erhoben. Im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens schrieb der Service-Agent:
 „Allgemein ist festzustellen, dass der Umgangston im Betriebsrat durchaus hin und wieder flapsig ist. Das liegt daran, dass es von allen Betriebsratsmitgliedern gewollt ist, die teilweise abstrakte bürokratische Materie durch Auflockerung der Gesprächsatmosphäre zu fördern. Da kommt es vor, dass der eine oder andere flapsige Spruch fällt. Das gehört zum gepflegten Umgangston unter den Betriebsratsmitgliedern und war bislang nie ein Problem.“
Außerdem hatte er der Beschwerdestelle mitgeteilt:
„Es gab eine hitzige Debatte. Jeder hatte seinen Standpunkt. Teilweise wurde es lauter. M hat mich Stricher genannt. Ich habe geantwortet bunga bunga.“
 
Das Betriebsratsgremium beschloss der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Bei diesem Beschluss war der Service-Agent nicht anwesend Daraufhin sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Dagegen ging eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein.
 

Das Verfahren in der ersten Instanz

Der Kläger war der Auffassung, dass sein Kollege ihn mit der Äußerung
Du Stricher!“ provoziert habe. Erst danach seien die Affenlaute erfolgt.
Außerdem sei es abwegig, „Ugha ugha“ als rassistisch zu bewerten. Deshalb habe er keinen Anlass, um Entschuldigung zu bitten oder Reue zu zeigen.
Die Zustimmung des Gremiums zu seiner Kündigung sei unwirksam, denn der der Betriebsrat habe den Beschluss gefasst, obwohl er, der Service-Agent, nicht dabei gewesen sei.
 
Das Arbeitsgericht führte eine Beweisaufnahme durch. Sie ergab, dass die vom Arbeitgeber angegebene Reihenfolge der Äußerungen richtig war.
Die Affenlaute stellten nach Auffassung der erstinstanzlichen Richter*innen eine rassistische Beleidigung dar. Sie seien ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung.
Aus diesem Grund wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Der Kläger legte Berufung zum Landesarbeitsgericht ein.
 

Das Verfahren in der zweiten Instanz

Das Landesarbeitsgericht setzte sich sowohl mit den formalen als auch mit den inhaltlichen Einwendungen des Klägers auseinander.
 

War die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß?

Ob das Anhörungsverfahren tatsächlich mangelhaft war, weil der Beschluss des Betriebsrates ohne die Mitwirkung des Klägers zustande gekommen war, kann offenbleiben. Denn Mängel im Anhörungsverfahren, die dem Verantwortungsbereich des Betriebsrats zuzuordnen sind, gehen grundsätzlich nicht zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
 

Lag ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor?

Zunächst sah das Landesarbeitsgericht keinen Grund, die Beweisaufnahme zu wiederholen. Es gebe  - so die Richterinnen  - keinerlei konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Beweisaufnahme in der ersten Instanz begründen könnten.
 
Dann stellt das Gericht fest, dass Affenlaute einen wichtigen Grund darstellen können. Der Subtext einer solchen Äußerung sei „Ich verachte dich. Die mir gleichen Menschen sind hochwertig, die dir gleichen Menschen sind geringwertig.“
Gerade die Verbindung zur Hautfarbe des Kollegen mache deutlich, dass es sich nicht um eine schlicht derbe, sondern um eine rassistische Beleidigung handle.
Auch die Reaktionen des Klägers auf die Vorwürfe seines Arbeitgebers zeigten, dass es sich nicht um eine bedauerliche Einzelentgleisung handle. Vielmehr sei diese Äußerungen des Klägers eine Manifestation seiner rassistischen Grundeinstellung.
 

War dem Arbeitgeber eine weitere Zusammenarbeit zuzumuten?

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes ist davon auszugehen, dass sich der Kläger auch weiterhin rassistisch-beleidigend äußern wird. Dies ergibt sich aus der Nachhaltigkeit seines Verhaltens. Denn obwohl er wegen einer Beleidigung bereits abgemahnt war, antwortete er auf die Vorwürfe, die zur Kündigung führten, bagatellisierend und ohne jede Einsicht.
 

Welches Interesse überwiegt?

Der Arbeitgeber ist ein international aufgestelltes Unternehmen. Deshalb komme es ihm  - auch  - o. k. aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten darauf an, sich als weltoffen und tolerant darzustellen. Rassistisches Verhalten von Mitarbeitern sei vor diesem Hintergrund in hohem Maße geschäftsschädigend. Deshalb überwiege das Interesse des Arbeitgebers am Ausscheiden des Klägers dessen Interesse am Erhalt seines Arbeitsplatzes.
Dass der Kläger Betriebsrat gewesen sei, ändere an dieser Einschätzung nichts. Denn gerade als Betriebsrat sei der Kläger besonders verpflichtet gewesen, jeglicher Diskriminierung von Beschäftigten entgegen zu wirken.
 

Das Ergebnis

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.  
Der Kläger hat aber Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes ist also noch nicht rechtskräftig.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 06. Juni 2019 – 4 Sa 18/19

Das sagen wir dazu:

Erfreulich ist zunächst, dass die Richter*innen in beiden Instanzen das Verhalten des Klägers mit klaren Worten als das bezeichnet haben, was es ist: blanker Rassismus.
Der wäre auch etwa in der Schweiz oder in Schweden unerträglich. Aber gerade in einem Land, in dem die Menschen vor nicht allzu langer Zeit fanatisch „Sieg Heil“ grölten, verbieten sich rassistische Verhaltensweisen von vorn herein kategorisch.
Dass der Kläger seinen Kollegen rassistisch beleidigt, ist mehr als verwerflich. Dazu kommt aber – und das ist verheerend – noch etwas anderes.
Auch wenn Alt-Nazis immer wieder krude Rassen-und Verschwörungstheorien vertraten: Sie taten es in Hinterzimmern und mit vorgehaltener Hand. Die große Mehrheit der Bevölkerung schien nicht zu einer faschistischen Diktatur zurück zu wollen.
Der Fall des Klägers macht dagegen deutlich, dass der demokratische Grundkonsens zu bröckeln beginnt. Zu diesem Konsens gehörte bislang unter anderem, dass die Würde aller Menschen unantastbar ist. Jetzt dagegen findet Rassismus Eingang in die Alltagsgesellschaft. In Kneipen. Auf privaten Feiern. Bei der Arbeit. Und er ist nichts mehr, wofür man sich schämen müsste. Er gilt als „normal“. Dies belegen die Reaktionen des Klägers auf die Vorwürfe auf erschreckende Weise.
Hier geht eine Saat auf. Die Saat derer, die eine berechtigte Unzufriedenheit mit etablierten Parteien und die bestehende ungerechte Vermögensverteilung schamlos ausnutzen, um ihr rechtes Gedankengut zu propagieren. Die Wahlerfolge der AfD belegen mehr als deutlich, wie weit dieser Prozess bereits fortgeschritten ist.
Dem müssen wir Einhalt gebieten!
Statt den rechten Hetzparolen dieser Partei hirnlos nachzulaufen, müssen sich gerade Gewerkschaftsmitglieder jeder Form von Rassismus im Betrieb entgegenstellen. Sie dürfen keinen rassistischer „Witz“, keine diskriminierende Bemerkung unwidersprochen lassen. Sie müssen AfD-Sympathisanten und andere rechten Hetzer zur Rede stellen und – soweit dies noch möglich ist – mit ihnen diskutieren.

Was insbesondere ein Betriebsrat unternehmen kann, zeigt unser Video
„Rechte Hetze – Was kann der Betriebsrat tun?“
Nur wenn es gelingt, zusammenzustehen und rechter Hetze klar und deutlich Paroli zu bieten, kann es gelingen, wieder zu einem von allen getragenen gesellschaftlichen Klima zurück zu kehren, ohne das ein demokratischer Rechtsstaat undenkbar ist.