Arbeitgeber müssen, bevor sie außerordentlich kündigen, Fristen beachten. Copyright by Dan Race /Adobe Stock
Arbeitgeber müssen, bevor sie außerordentlich kündigen, Fristen beachten. Copyright by Dan Race /Adobe Stock

Wenn der Arbeitgeber fristlos kündigen will, muss er es innerhalb einer Frist von zwei Wochen tun, nachdem er den Grund für die Kündigung erfahren hat. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Dazu darf und muss er Ermittlungen anstellen und auch den/die Arbeitnehmer*in anhören.
 
Erst nach Abschluss dieser Ermittlungen beginnt die Zweiwochenfrist an zu laufen. Daher gibt es häufig Streitigkeiten, wie viel Zeit sich der Arbeitgeber bei diesen Ermittlungen lassen darf (und gegebenenfalls auch muss), und wann die Zweiwochenfrist beginnt.
 
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit folgendem Verfahren zu befassen: Max F., Betriebsratsmitglied, hatte an seine Kollegin E-Mails mit pornographischen Inhalt gesandt. Die Kollegin beschwerte sich darüber bei der Geschäftsleitung. Da sie mit Max F. in einem Büro arbeitet und befürchtete, dass sich das Verhältnis zu ihm erheblich verschlechtern würde, bat sie die Geschäftsleitung, erst einmal nichts zu unternehmen, sondern zu warten, bis sie „grünes Licht“ gibt.
 

Konzernbetriebsvereinbarung sichert Vertraulichkeit zu

Dabei konnte sie sich auf eine Konzernbetriebsvereinbarung berufen, nach der sich betroffene Arbeitnehmer*innen in Situationen wie dieser auf eine vertrauliche Behandlung sowie persönlichen Schutz des Arbeitgebers berufen konnten.
 
Nach einer längeren Erkrankung von drei Wochen teilte sie der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin mit, dass sie den Fall jetzt doch offiziell untersuchen lassen wollte. Die Arbeitgeberin hörte daraufhin Max F. zu den Vorwürfen an. Sie war der Auffassung, dass Gründe für eine außerordentliche Kündigung vorliegen würden, und beantragte daher bei den Betriebsrat dessen Zustimmung zu einer Kündigung.
 

Betriebsrat lehnt Antrag auf Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung ab

Der Betriebsrat lehnte den Antrag aber ab  - unter anderem mit dem Hinweis, dass die Arbeitgeberin die Zweiwochenfrist erheblich überschritten habe und eine Kündigung schon von daher unwirksam sei.
 
Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebs dazu Kündigung zu ersetzen. Nachdem das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und das Landesarbeitsgericht ihn aber abgewiesen hatten, hatte nun das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung von September.2019 zugunsten der Arbeitgeberin entschieden.
 
 
Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst bestätigt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gelegenheit einräumen muss, zu den Vorwürfen, die gegen ihn erhoben werden, Stellung zu nehmen. Vorher darf er nicht kündigen. Diese Anhörung muss er möglichst frühzeitig durchführen, spätestens aber innerhalb einer Woche nachdem er von dem Sachverhalt erfahren hat.
 

Einwochenfrist kann in Ausnahmefällen überschritten werden

Das Bundesarbeitsgericht führt aber weiter aus, dass diese Frist ausnahmsweise überschritten werden darf, wenn „besondere Umstände “ vorliegen. Das könnte dann der Fall sein, wenn wie in diesem Verfahren die Arbeitgeberin einer betroffenen Person Vertraulichkeit zugesichert hat. Dabei spielt es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keine Rolle, ob eine Betriebsvereinbarung existiert, die den Betroffenen das zusichert. Es reiche aus, wenn die Arbeitgeberin den/der betroffenen Arbeitnehmer*in zugesagt habe, seine/ihre Beschwerde vertraulich zu behandeln.
 
 
Dabei könne der Arbeitgeber aber nicht endlos abwarten, bis der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin sich entschließt, die Angelegenheit nicht mehr vertraulich behandeln zu wollen. Er müsse dann der betreffenden Person eine kurze Frist setzen. Es könne aber auch ausreichen, wenn der Arbeitnehmerin  - wie im vorliegenden Fall  - längere Zeit erkrankt war. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass dem Arbeitgeber während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein nur sehr eingeschränkten Weisungsrecht zusteht.
 
Ob diese Umstände vorliegen, konnte das Bundesarbeitsgericht nicht feststellen, sodass es das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hat. Erst dann steht fest, ob Max F. gekündigt werden kann.
 
Hier geht`s  zu der Entscheidung
Lesen Sie hierzu auch
Fristlose Kündigung auch ein Jahr nach sexuellem Übergriff zulässig - DGB Rechtsschutz GmbH

Das sagen wir dazu:

§ 626 Abs. 2 BGB schreibt vor, dass der /die Vertragspartner/in innerhalb von zwei Wochen kündigen muss, wenn er/sie von den Kündigungsgründen erfahren hat und deshalb außerordentlich kündigen will, das heißt ohne eine Kündigungsfrist einhalten zu müssen. Eigentlich soll diese gesetzliche Regelung der Rechtssicherheit dienen. Der oder die Betroffene soll nicht länger als erforderlich über eine Reaktion des/der Vertragspartner/in im Unklaren bleiben. Außerdem soll verhindert werden, dass der/die Kündigungsberechtigte  später auf Vorfälle zurückgreift, um die andere Vertragsseite – (in der Regel ist das der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin) – unter Druck zu setzen. Oft kann dann nicht mehr nachvollzogen werden, welche Umstände damals vorlagen, und ob sie eine außerordentliche Kündigung tatsächlich rechtfertigen können.

Wann greift die Zweiwochenfrist überhaupt noch?

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Die Frist beginnt erst, wenn der Arbeitgeber alle Umstände, die seiner Meinung nach für die Kündigung Bedeutung haben, kennt. Wann ist das der Fall, und was gehört dazu? Das fängt schon damit an, dass oft nicht klar ist, wann der Arbeitgeber von dem vertragswidrigen Verhalten des/der Beschäftigten erfahren hat.

Reicht es aus, wenn der unmittelbare Vorgesetzte davon weiß, oder muss eine Person, die eine Kündigung aussprechen kann, davon erfahren haben? Die Rechtsprechung hat sich für die zweite Variante entschieden. Dabei ist es für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar, wann wer welche Informationen erhalten hat.

Außerdem muss der Arbeitgeber den/ die Arbeitnehmer*in zuvor anhören. Auch hier kann einige Zeit ins Land gehen. Wenn sich der Arbeitgeber bei seinen Ermittlungen noch mehr Zeit lassen kann, weil er auf Auskunftspersonen Rücksicht nehmen muss, dürfte der Schutz, den die Regelung des § 626 Abs. 2 BGB eigentlich bieten sollte, endgültig ins Leere gehen- so wünschenswert es auch ist, dass auf Opfern von sexuellen Übergriffen oder Mobbingopfern Rücksicht genommen wird.

Rechtliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.