Massenklagen vor den Arbeitsgerichten Iserlohn und Siegen. Allein das Hagener Büro vertritt um die 400 der gekündigten Arbeitnehmer*innen. Copyright by Michael Mey
Massenklagen vor den Arbeitsgerichten Iserlohn und Siegen. Allein das Hagener Büro vertritt um die 400 der gekündigten Arbeitnehmer*innen. Copyright by Michael Mey

Es hatte sich irgendwie abgezeichnet. Schon im Jahr 2017 kündigte Dura Leisten & Blenden 240 Arbeitnehmer*innen aus betriebsbedingten Gründen. Der Arbeitgeber begründete die Maßnahme mit schlechter Auftragslage und wirtschaftlichen Verlusten.
 

Klage gegen Kündigungen im Jahr 2017 waren erfolgreich

Nahezu alle Gekündigte hatten damals vor dem Arbeitsgericht Iserlohn geklagt. Die meisten mit Unterstützung des Hagener Büros der DGB Rechtsschutz GmbH. Mit Erfolg. Die Gewerkschaftsjuristen konnten aufzeigen, dass die Begründung für die Kündigungen nicht nachvollziehbar war. Außerdem war die Sozialauswahl des Arbeitgebers vogelwild.
 
Nach vielen Urteilen zugunsten der Beschäftigten hatte Dura die Reißleine gezogen und die Kündigungen zurückgenommen.

Lesen Sie hierzu:

Massenentlassungen bei Firma Dura: Arbeitgeber macht Rückzieher

Massenkündigungen bei Dura wegen Werksschließung

Ein Jahr ließ sich Dura Zeit, um den letzten Schlag vorzubereiten. Im Herbst 2018 war es dann soweit: Die Geschäftsleitung sprach allen Beschäftigten der Firmen Dura Leisten & Blenden GmbH in den Standorten Plettenberg und Selbecke sowie Body & Glass, ebenfalls in Plettenberg, die Kündigung zum Ende April oder Mai 2019 aus. Begründung: vollständige Betriebsschließung.
 
Insgesamt 900 Arbeitnehmer*innen, oftmals langjährig Beschäftigte und ältere Arbeitnehmer, sollen ihre Existenz verlieren.

Massenklagen vor den Arbeitsgerichten Iserlohn und Siegen

Wiederum klagten nahezu alle Gekündigte vor den Arbeitsgerichten Iserlohn und Siegen, die meisten als Mitglieder der IG Metall mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH. Allein das Hagener Büro vertritt zirka 400 Betroffene.
 
Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs waren in der Einigungsstelle gescheitert. Auch ein Sozialplan wurde nicht vereinbart. Da Dura keinerlei Abfindungen anbietet, müssen die Arbeitsgerichte über die Wirksamkeit jeder einzelnen der 900 Kündigungen urteilen. Bis zum Monat August 2019 sind die Terminkalender der Gerichte jetzt schon voll.
 
Sehr große Hoffnungen auf einen erfolgreichen Klageausgang können die Gewerkschaftsjuristen den gekündigten Metallern nicht machen: Die geplanten Betriebsschließungen dürften unumkehrbar sein. Formelle Voraussetzungen wie rechtzeitige Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit und ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung hat der rechtlich gut beratene Arbeitgeber erfüllt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Aber ganz hoffnungslos sind die Rechtsschutzsekretär*innen vom DGB Rechtsschutz doch nicht: Am 1. Mai 2019, also unmittelbar nach Schließung der Dura-Betriebe, wird ein weiteres zur Dura-Holding gehörendes „Schwesterunternehmen“ im sauerländischen Lüdenscheid ihren Betrieb aufnehmen. 200 Arbeitnehmer werden in diesem „Tech-Center“ arbeiten. Das Besondere: Knapp 100 gekündigte, gezielt ausgesuchte Mitarbeiter der Firmen Dura Leisten & Blenden und Body & Glass haben bereits das Angebot erhalten, dort zu arbeiten. Zu unveränderten Arbeitsbedingungen wie zuvor, und unter Anrechnung der Beschäftigungszeit, die sie im bisherigen Dura-Betrieb zurückgelegt haben.

Die Klagewelle rollt weiter

Die Arbeitsgerichte werden zu prüfen haben, wie dieser Umstand rechtlich zu würdigen ist. Handelt es sich um einen Teilbetriebsübergang nach § 613a BGB? Oder hätte der Arbeitgeber den Betriebsrat insbesondere im Rahmen der Interessenausgleichverhandlungen über diesen Umstand unterrichten müssen? Das war nicht geschehen. Immerhin haben ja ganz offensichtlich die Geschäftsführungen der kündigenden Firmen eine verbindliche Auswahl der Beschäftigten getroffen, die später vom „Tech-Center“ ein Arbeitsvertragsangebot erhalten haben. Wirkt sich diese unterlassene Unterrichtung auf die Wirksamkeit der Kündigungen aus?
 
Die ersten  - leider klageabweisenden- Urteile hat das Arbeitsgericht Iserlohn zwischenzeitlich verkündet. Aber die Klagewelle ist längst noch nicht beendet.
 
Hier finden Sie das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 17.01.2019

 

Über die Massenentlassungen aus dem Jahr 2017 haben wir berichtet:

Massenentlassungen bei Firma Dura: Arbeitgeber macht Rückzieher

 

Steht den Dura-Beschäftigten nicht wenigstens eine Abfindung zu? Lesen Sie:

Steht mir nach einer Kündigung eine Abfindung zu?