Die Firma Dura im sauerländischen Plettenberg mit zuletzt zirka 700 Beschäftigten ist Tochter des US-amerikanischen Unternehmens Dura Automotive Inc. mit der extravaganten Chefin Lynn Tilton. Nicht zuletzt dank des amerikanischen Führungsstils ist Dura hierzulande kein unbeschriebenes Blatt. Als im Sommer 2016 der Betriebsrat seine Zustimmung zur Mehrarbeit am Wochenende verweigerte, ließ die Konzernleitung kurzerhand 300 Beschäftigte einer portugiesischen Firmentochter einfliegen.

Dura lässt 300 Portugiesische Beschäftigte einfliegen

Man brachte diese einige Wochen im schönen Sauerland unter, nur damit sie einige wenige Wochenendschichten arbeiteten. 

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates wurden durch Ausnutzen einer Gesetzeslücke umgangen. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung, die Werksanlagen am Wochenende durch Mitarbeiter einer Konzerntochter nutzen zu lassen, entstand  - so das vom Betriebsrat angerufene Landesarbeitsgericht Hamm  - ein neuer Betrieb, für den der Betriebsrat nicht zuständig war.

Der große Befreiungsschlag: 243 Kündigungen

Im Sommer 2017 sollte dann der große Befreiungsschlag kommen: Die amerikanische Firmenleitung beschloss, 243 der 700 Plettenberger Arbeiter zu kündigen. 

Verhandlungen mit dem Betriebsrat zum Abschluss eines Interessenausgleichs waren in der Einigungsstelle gescheitert. Auch Abfindungen für die Betroffenen sollte es nicht geben: kein Geld! Dura betrieb die Politik des verschlossenen Portemonnaies.

Sozialplan in der Einigungsstelle

Nach langen zähen Verhandlungen gab es im Dezember 2017 durch Spruch der Einigungsstelle doch noch einen Sozialplan. Dieser sah Kündigungsabfindungen wenigstens in Höhe eines drittel Monatseinkommens pro Beschäftigungsjahr vor. 

Doch Dura blieb sich treu: Die Geschäftsführung hat den Spruch der Einigungsstelle vor dem Arbeitsgericht angefochten. Das Verfahren läuft noch.

Massenkündigungen im August

Doch eigentlich war zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon alles zu spät: Bereits Ende August hatte Dura in einer „ersten Kündigungswelle“ 154 Kündigungen ausgesprochen. 

Nahezu alle Betroffenen erhoben Klage vor dem Arbeitsgericht Iserlohn. Die meisten Beschäftigten, Mitglied der IG Metall, wurden vertreten vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH. Die fünf Rechtsschutzsekretär*innen dieses Büros erlebten kurz vor Weihnachten, als die Kündigungsbegründungen der Dura-Anwälte kamen, eine Überraschung.

Kündigungen ohne Konzept und nach dem Gießkannenprinzip

Wer gedacht hatte, dass eine Betriebsänderung in einem derartigen Ausmaß mit 243 geplanten Kündigungen auf einem durchdachten Konzept beruht, das einer gerichtlichen Überprüfung standhält, sah sich getäuscht. Zum Glück für die betroffenen Beschäftigten. 

Nach dem Gießkannenprinzip waren die Kündigungen scheinbar wahllos über die Beschäftigten ausgegossen worden. Ein nachvollziehbares betriebliches Konzept war nicht erkennbar, der Wegfall der Arbeitsplätze der Gekündigten nicht plausibel dargelegt. Die vorgenommene Sozialauswahl war erbärmlich und auch die Betriebsratsanhörung war  - sagen wir mal  - dürftig.

„Löchrige Eimer ohne Boden“

„Die Kündigungen, die die Dura-Anwälte dem Gericht hier vorlegen, sind keine löchrigen Eimer, sondern löchrige Eimer ohne Boden“, fasste Martin Kühtz, einer der mit den Klagen betraute Rechtsschutzsekretär des Hagener DGB-Rechtsschutzes die Kündigungsbegründungen zusammen.
 

Es war zwar enorm viel Arbeit für die DGB-Juristen, innerhalb kürzester Zeit in umfangreichen Schriftsätzen die Kündigungen zu „zerpflücken“. Letztlich aber mit Erfolg.

Arbeitsgericht Iserlohn gibt einer Klage nach der anderen statt

Die Quittung für diese schlecht vorbereitete Kündigungswelle gab es ab Januar vom Arbeitsgericht Iserlohn: Nach und nach entschieden die Arbeitsrichter über die Rechtmäßigkeit der Dura-Kündigungen, und zwar ausnahmslos zugunsten der klagenden Beschäftigten! 

Einige wenige Beschäftigte hatten zwar aus persönlichen Gründen ein doch noch unterbreitetes Abfindungsangebot angenommen. Aber in den bisher entschiedenen 40 Klagen hieß es jeweils: „Die Kündigung ist rechtsunwirksam. Der Gekündigte muss weiterbeschäftigt werden“.

Rolle rückwärts

Das führte dann endlich Anfang Februar zu einem Umdenken bei der amerikanischen Konzernspitze. Wie aus heiterem Himmel erhielt das Hagener Rechtsschutzbüro für die gekündigten Dura-Arbeiter ein Vergleichsangebot: Der Arbeitgeber bot jedem gekündigten eine Abfindung berechnet nach dem angefochtenen und von Dura nicht akzeptierten Sozialplan an. 

Bei allen, die nicht akzeptieren, werde die Kündigung zurück genommen. Deutlicher kann ein Offenbarungseid für verfehlte Geschäftspolitik nicht ausfallen!

Das Drama geht weiter

Das letzte Kapitel dieser traurigen Geschichte ist sicherlich noch nicht geschrieben. Schon vor Wochen hatte die Geschäftsführung angekündigt, über die 243 Beschäftigten der ersten Kündigungswelle hinaus weitere 200 Arbeitnehmer entlassen zu wollen. Und was aus denen wird, die nach erfolgreicher Klage von einer Kündigungsrücknahme profitieren, steht noch in den Sternen. 

Lynn Tilton und ihre amerikanischen Berater haben bestimmt noch den einen oder anderen Giftpfeil im Köcher. Nur müssen sie erst einmal treffen……