Jeder kennt Wasserzähler. Es gibt sie fast überall. Deren Produktion muss aber nicht unbedingt in Deutschland erfolgen. Copyright by Adobe Stock/pixelnest
Jeder kennt Wasserzähler. Es gibt sie fast überall. Deren Produktion muss aber nicht unbedingt in Deutschland erfolgen. Copyright by Adobe Stock/pixelnest

Die Beklagte fertigt Wasserzähler. Nach einer Organisationsänderung des Betriebes sollen von fast 400 Mitarbeiter*innen etwa 90 eine Kündigung erhalten. Mit dem Betriebsrat schließt der Arbeitgeber einen Interessenausgleich nebst Sozialplan über die geplante Betriebsänderung.
 

Der Arbeitgeber plant eine Organisationsänderung

Im Interessenausgleich heißt es, dass die Produktion verschiedener Arten von Wasserzählern eingestellt wird. Andere Zähler sollen im Ausland produziert werden. Es ist weiter beabsichtigt, den Lagerbestand in Deutschland sukzessive zu verkaufen. Einen Teil der Produkte sollen Fremdfirmen herstellen. In Deutschland sollen diese dann nur noch zusammengebaut werden.
 
Die Einstellung eines Produktionsbereiches betrifft 18 Arbeitsplätze. Die Verlagerung ins Ausland wirkt sich auf 28 Arbeitsplätze aus. Diesen Mitarbeiter*innen droht neben weiteren Beschäftigten die Kündigung. Eine der betroffenen Arbeitnehmerinnen wendet sich an den gewerkschaftlichen Rechtsschutz, nachdem sie die Kündigung erhält.
 

Der DGB Rechtsschutz bestreitet das Vorliegen eines Kündigungsgrundes

Der Betriebsrat hatte zuvor Bedenken gegen die Kündigung erhoben. Die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Ludwigshafen erheben Kündigungsschutzklage. Ihrer Auffassung nach liegt ein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung nicht vor. Außerdem habe der Arbeitgeber die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter*innen nach Altersgruppen nicht ordnungsgemäß durchgeführt.
 
Der Arbeitgeber hält im Kündigungsschutzprozess dagegen. Er nennt die Zahlen der einzelnen Gruppen betroffener Arbeitnehmer*innen in den unterschiedlichen Abteilungen des Betriebes, nennt deren Namen aber nicht. Auch der Sozialplan enthält keine Namensliste.
 

Eine Namensliste hätte Beweiserleichterungen gebracht

Das reicht dem Arbeitsgericht nicht aus. Da der Sozialplan keine Namensliste enthält, gebe es auch keine Vermutung dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Das Kündigungsschutzgesetz sehe diese Vermutung nur im Fall einer Namensliste vor.
 
Deshalb sei es nun Sache des Arbeitgebers, im gerichtlichen Verfahren die dringenden betrieblichen Gründe im Einzelnen zu benennen und umfassend dazu vorzutragen. Führe der Arbeitgeber innerbetriebliche Gründe an, so könne das durchaus eine Kündigung rechtfertigen. Allein der Hinweis darauf genügt dem Arbeitsgericht nicht.
 

Organisatorische Maßnahmen können Kündigungen rechtfertigen

Eine Kündigung aus betrieblichen Gründen sei möglich, wenn der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahmen entschließe, bei deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis entfalle, eine*n oder mehrerer Arbeitnehmer*innen weiter zu beschäftigen.
 
Ein Gericht dürfe umfassend nachprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliege und ob ihre Umsetzung dazu führen würde, dass einzelne Arbeitnehmer*innen nicht mehr benötigt werden.
 

Das Arbeitsgericht kann die unternehmerische Entscheidung nur eingeschränkt prüfen

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann das Arbeitsgericht die unternehmerische Entscheidung nur eingeschränkt durchleuchten. Ob die Entscheidung sachlich gerechtfertigt oder zweckmäßig ist, kann nur der Arbeitgeber selbst klären. Das Gericht ist aber berechtigt, nachzuprüfen, ob die unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
 
Der Arbeitgeber hat die Pflicht, darzulegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen. Er muss dazu eine näher konkretisierte Prognose der Entwicklung abgeben. Maßgeblich sind dabei außerbetriebliche Faktoren oder unternehmerische Vorgaben im Hinblick darauf, wie diese Arbeiten von dem verbleibenden Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können.
 

Der Arbeitgeber muss angeben, welcher Überhang an Arbeitskräften entsteht

Dazu seien konkrete Angaben erforderlich, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirke und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Überhang an Arbeitskräften entsteht, so das Arbeitsgericht.
 
Die Beklagte habe im gerichtlichen Verfahren reines Zahlenmaterial vorgelegt. Daraus ergebe sich die Anzahl der Mitarbeiter*innen, deren Arbeitsplätze wegfallen solle. Welche einzelnen Beschäftigungsgruppen in welchem Umfang von dem geplanten Abbau betroffen seien, habe die Beklagte nicht erläutert.
 

Der Arbeitgeber muss den Tatsächlichen Wegfall der Arbeitsplätze belegen

Derer Arbeitgeber müsse in einem weiteren Schritt belegen, dass tatsächlich ein entsprechendes Beschäftigungsbedürfnis bei der Gruppe der Beschäftigten wegfalle, zu welcher die Klägerin gehöre. Nur dann habe das Gericht die Möglichkeit, die Entscheidung des Arbeitgebers zu prüfen.
 
Das habe die Beklagte nicht getan. Dem Gericht sei nicht klar, welche Arbeitsaufgaben die Beschäftigten im Arbeitsbereich der Klägerin hätten. Es sei außerdem nicht deutlich, in welchem Umfang Arbeitsaufgaben für diese Beschäftigtengruppe entfielen. Da die Beklagte nur Gesamtzahlen vorlege, könne das Gericht auch nicht nachprüfen, ob der Arbeitsplatz der Klägerin tatsächlich wegfalle.
 
Damit gibt das Gericht der Kündigungsschutzklage statt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht fort.

Hier geht es zum Urteil