Auch für Plastiktüten gibt es Regeln. Copyright by vladteodor/Fotolia
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So musste auch einer Mitarbeiterin des Flughafens Saarbrücken erfahren. Sie brach im August 2018 zu einer privaten Flugreise auf. Dabei führte sie an der Luftverkehrssicherheitskontrolle am Flughafen Frankfurt einen unverschlossenen Sicherheitsbeutel eines Duty-Free-Shops mit sich. In diesem Beutel befanden sich mehrere Flüssigkeiten.

Vom Sicherheitspersonal des Flughafens Frankfurt wurde sie daraufhin angesprochen. Sie soll dabei angegeben haben, sie sei am Flughafen Saarbrücken beschäftigt. In der Regel würden dort diese Beutel nicht verschlossen. Dies gelte insbesondere für Mitarbeiter des Flughafens. Sie habe den Beutel im Übrigen auch rein zufällig mit sich geführt. Im Rahmen der Kontrolle soll sie anschließend auch ihren Flughafenausweis vorgelegt haben.

Ihr Arbeitgeber sah darin einen erheblichen Pflichtenverstoß. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit seiner Mitarbeiterin fristlos. Diese war zum Zeitpunkt der Kündigung bereits über 50 Jahre alt und seit 17 Jahren beschäftigt.

Bewusster Verstoß gegen geltende Sicherheitsbestimmungen

Nach Auffassung des Arbeitgebers hätte die Mitarbeiterin aufgrund ihrer Schulungen wissen müssen, dass sowohl der Besitz als auch die Verwendung des Beutels unzulässig sei. Er trägt im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess vor, dass alleine dadurch der Einwand der Klägerin, den Beutel rein zufällig verwendet zu haben, unglaubwürdig werde. Dies gelte auch hinsichtlich deren Angaben, dessen persönliche Nutzung erst bei der Kontrolle erkannt zu haben. Der Beutel sei schließlich besonders gekennzeichnet gewesen.

Der Beschäftigten wird außerdem vorgeworfen, sie habe einem Bundespolizisten gegenüber wahrheitswidrig behauptet, die Mitnahme offener Plastikbeutel dieser Art sei beim Personal des Flughafens Saarbrücken zulässig und üblich. Besonders gravierend sei darüber hinaus, dass sie ihren Flughafenausweis vorgelegt habe. Diese bewussten erheblichen Verstöße gegen geltende Sicherheitsbestimmungen rechtfertigten auch die fristlose Kündigung der langjährigen Mitarbeiterin.

Das Arbeitsgericht Saarbrücken konnte hiervon jedoch nicht überzeugt werden. Den Prozessvertretern der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Saarbrücken, ist es in dem sich anschließenden Kündigungsschutzprozess gelungen, die Kündigung außer Kraft zu setzen.

Das Arbeitsgericht Saarbrücken stellte fest, dass die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hatte. Es sprach der Klägerin darüber hinaus auch weitergehende Vergütungsansprüche für den Zeitraum nach der fristlosen Kündigung zu.

Regelmäßig ist keine fristlose Kündigung ohne Abmahnung möglich

Das Arbeitsgericht Saarbrücken führte in seiner Entscheidung vom April 2019 aus, die Kündigung durch den Flughafen Saarbrücken sei unverhältnismäßig gewesen. Eine außerordentliche Kündigung sei immer das allerletzte rechtliche Mittel. Es müsse deshalb immer zuerst geprüft werden, ob eine Abmahnung für die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ohne erneute Pflichtverletzung ausgereicht hätte.

Eine Abmahnung sei lediglich dann entbehrlich, wenn es sich um eine erhebliche Pflichtverletzung handele. Die Pflichtverletzung müsse so gravierend gewesen sein, dass der Arbeitnehmer von vorneherein nicht damit habe rechnen können bei einem solchen schwerwiegenden Pflichtenverstoß weiterbeschäftigt zu werden.

Hierbei sei dann auch der gesamte Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Ein langjähriges Arbeitsverhältnis habe einen höheren Bestand als ein kurzes. Bei der Klägerin habe das Arbeitsverhältnis schon viele Jahre bestanden. Gravierende Pflichtverletzungen seien dabei nicht aufgetreten. In dieser Situation sei davon auszugehen, dass nach Ausspruch einer Abmahnung das Verhalten künftig entsprechend angepasst werde. Bezogen auf die Klägerin sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass diese wegen der Schutzbestimmungen im Tarifvertrag ordentlich nicht mehr gekündigt werden konnte.

Unterschiedliche Angaben zum Geschehensablauf

Im Prozess lagen die Ausführungen des Arbeitgebers und der Klägerin hinsichtlich der Einzelheiten des Geschehens weit auseinander. Das hatte für das Arbeitsgericht jedoch keine rechtlichen Konsequenzen.

Das Gericht unterstellte bei seiner Entscheidung den Sachverhalt, den auch der Arbeitgeber geschildert hatte. Es gelangte hierbei zu dem Ergebnis, dass selbst unter Berücksichtigung dieses Geschehensablaufes eine fristlose Kündigung der Klägerin nicht gerechtfertigt war.

Der Arbeitgeber hatte der Mitarbeiterin nämlich vorgeworfen, sie sei im Besitz eines unversehrten Plastikbeutels aus dem duty -free-Bereich des Saarbrücker Flughafens gewesen. Sie habe darin Flüssigkeiten bei ihrer Privatreise über den Frankfurter Flughafen aufbewahrt. Im Rahmen der Handgepäckkontrolle sei dies aufgefallen. Die Klägerin habe sich daraufhin mittels ihres Dienstausweises als Beschäftigte des Saarbrücker Flughafens zu erkennen gegeben. Sie habe des Weiteren geäußert, in Saarbrücken würden diese Beutel in der Regel nicht verschlossen. Das gelte vor allem für Mitarbeiter.

Hierin sah der Arbeitgeber einen Verstoß gegen bestehende Richtlinien. Die Beutel müssten verschlossen nach entsprechenden duty-free-Einkäufen an Flughäfen mit sich geführt werden. Jede Missachtung dieser Richtlinie führe zu einem erheblichen Sicherheitsverstoß. Es liege nämlich die Gefahr nahe, dass die Beutel dann missbraucht würden. Auch habe die Klägerin nicht erklären können, wie sie in den Besitz des Beutels gekommen sei.

Keine schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen

Die hiervon abweichenden Angaben der Klägerin hatten aus Sicht des Gerichts keine rechtliche Konsequenzen. Das Gericht sah in den Handlungen der Klägerin keine schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen. Dies gelte selbst wenn die Schilderungen des Arbeitgebers richtig sein sollten.

Schließlich habe die Klägerin bei einer privaten Flugreise einen Duty-Free-Beutel mit sich geführt. Im Besitz eines solchen Beutels gelange man normalerweise dadurch, dass man steuerfrei Waren am Flughafen erwerbe. Selbst wenn sie diesen Beutel entwendet haben sollte, rechtfertige dies nach 17 Jahren nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Auch wenn die Beklagte die allgegenwärtige Terrorgefahr im Verfahren bemüht habe, so unterstelle sie zumindest der Klägerin persönlich nicht ernsthaft, dass diese eine vergleichbare gefährliche Lage habe schaffen wollen. Was der Arbeitgeber zum Verhalten der Klägerin vorgetragen habe, rechtfertige keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung.


Ob der Beutel unversehrt oder gebraucht gewesen sei, könne dahinstehen und mache die Abmahnung ebenfalls nicht entbehrlich. Schließlich habe die Klägerin eine Plastiktüte auf einer privaten Reise mit sich geführt, die jeder Flugreisende erhalte, der steuerfrei am Saarbrücker Flughafen einkaufe.

Eine fristlose Kündigung könne hierauf nicht gestützt werden. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht mithin fort.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Es ist regelmäßig von Vorteil, wenn für ein Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag gilt. Es reicht insoweit aber nicht aus, dass es im Betrieb einen solchen gibt. Tarifgebunden ist ein Arbeitsverhältnis nur, wenn die*der Arbeitnehmer*in Mitglied der Gewerkschaft ist, die den Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber oder dem Arbeitgeberverband geschlossen hat, in dem der Arbeitgeber Mitglied ist.

In tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen gelten dann nämlich die dafür abgeschlossenen Tarifverträge. Manchmal finden sich auch in Arbeitsverträgen Hinweise, wonach bestimmte Tarifverträge gelten sollen. Welche Tarifverträge und insbesondere welche zeitliche Fassung von Tarifverträgen das dann im Einzelfall sind, ist vielfach Gegenstand schwieriger gerichtlicher Verfahren.

Ist eine Tarifbindung gegeben, so sind die geltenden Tarifverträge zwingend anzuwenden. Diese enthalten oft auch Regelungen zum Kündigungsschutz. Langjährige Mitarbeiter*innen ab einem gewissen Alter sind dabei oft unkündbar. Das bedeutet, dass eine fristgemäße Kündigung dieser Personen rechtlich nicht mehr möglich ist.

Wollen Arbeitgeber sich dennoch von diesen Mitarbeiter*innen trennen, so bleibt ihnen nur die Möglichkeit über eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine solche fristlose Kündigung unterliegt jedoch sehr strengen rechtlichen Anforderungen. Im Falle eines Pflichtenverstoßes muss das Arbeitsverhältnis so gravierend beeinträchtigt sein, dass dem Arbeitgeber dessen Fortsetzung nicht mehr zumutbar ist.

Jeder weniger gravierende Pflichtenverstoß muss vorher zunächst abgemahnt werden. Solche weniger gravierenden Pflichtenverstöße berechtigen im Regelfalle auch nicht zur fristlosen Kündigung. Tarifbindung schützt damit regelmäßig auch den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen.