Arbeit ja, aber erst nach Sicherheitskonzept mit dem Betriebsrat. Copyright by Adobe Stock/ Quality Stock Arts
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Viele Beschäftigte sind nach Wochen im Home Office froh, wieder in den Betrieb zurückkehren zu können. Der Arbeitgeber muss aber, bevor er seine Beschäftigten zurückholt, einiges beachten. So sind Fragen des Arbeits-und Gesundheitsschutzes zu klären. Außerdem müssen Dienstpläne erstellt und möglicherweise auch eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden. All das sind Fragen, über die sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat vorher einigen muss.
 

Arbeitsgericht Neumünster: Betrieb muss geschlossen bleiben

Ein Betrieb in Neumünster beachtete das nicht und rief seine Beschäftigten zurück, ohne mit dem Betriebsrat vorher über ein Schutzkonzept beraten zu haben. Dagegen ging der Betriebsrat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor, und zwar mit Erfolg: das Arbeitsgericht entschied, dass der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat Verhandlungen aufnehmen müsse. Solange müsse der Betrieb geschlossen bleiben.
 

Anordnungen des Arbeitgebers zum Schutz vor Corona-Infektionen nur mit Zustimmung des Betriebsrats

Ähnliche Entscheidungen haben auch andere Arbeitsgerichte getroffen. So haben die Arbeitsgerichte Berlin und Stuttgart entschieden, dass der Betriebsrat gegen Anordnungen des Arbeitgebers, die gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Arbeits-und Gesundheitsschutz verstoßen, vorgehen und die Rückkehr der Beschäftigten in die Betriebe stoppen kann. In einem Fall, über den das Arbeitsgericht Wesel zu entscheiden hatte, installierte der Arbeitgeber sogar ohne Beteiligung des Betriebsrats Videokameras, um den Sicherheitsabstand zwischen den Beschäftigten zu kontrollieren. Sein Einwand, dass die Gesichter der Beschäftigten verpixelt und damit nicht zu erkennen seien, half ihm da nicht: er musste die Anlagen abmontieren.
 

Gesundheitsschutz geht vor

Die Gerichte haben ihre Beschlüsse damit begründet, dass das hohe Infektionsrisiko durch den Corona-Virus die Gesundheit der Beschäftigten gefährdet. Aus diesem Grund müssen Arbeitgeber wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, bevor sie ihre Beschäftigten auffordern, wieder in ihre Betriebe zurückzukehren. Der Betriebsrat besitzt nach den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes Mitbestimmungsrechte, die der Arbeitgeber zwingend beachten muss. Tut er das nicht, stellt das eine Verletzung seiner Pflichten dar, die der Betriebsrat nicht hinnehmen muss. Der Betriebsrat ist daher berechtigt, Maßnahmen des Arbeitgebers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzugreifen.
Er muss auch nicht das Ergebnis eines Einigungsstellenverfahrens abwarten, da das zu lange dauert.
 
 
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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Abstandsüberwachung?

Das sagen wir dazu:

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Arbeitgeber zur Normalität zurückkehren, ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Die Arbeitsgerichte haben klargestellt, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten nur dann zu Dienstleistungen heranziehen kann, bevor er eine Einigung mit dem Betriebsrat über die Dienstpläne ( § 87 Abs. 1 Nr 2 BetrVG), die Umsetzung der Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr 3 BetrVG) und die zu ergreifenden Arbeits-und Gesundheitsschutzmaßnahmen (§ 87 Abs. 1 Nr 7 BetrVG) erreicht hat. Er muss unter Umständen auch zusammen mit dem Betriebsrat eine Gefährdungsbeurteilung (§ 87 Abs. 1 Nr 7 BetrVG) durchführen, um festzustellen, welche Arbeitsschutzmaßnahmen an einzelnen Arbeitsplätzen durchgeführt werden müssen.

Besonders dreist verhielt sich der Arbeitgeber in den Fall, über den das Arbeitsgericht Wesel zu entscheiden hatte. Die Montage der Videoanlage stellte nicht nur eine Arbeit-und Gesundheitsschutzmaßnahme dar. Sie verletzte auch ein weiteres Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Nach § 87 Abs. 1 Nr 6  BetrVG ist der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, zu beteiligen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber das beabsichtigte.

Es lohnt sich also für die Betriebsräte, sich gegen solche Maßnahmen des Arbeitgebers zu wehren.

Rechtliche Grundlagen

Betriebsverfassungsgesetz

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat