Als Betriebsrat darf man sich nicht schmieren lassen. Aber darf man das erhaltene Geld eigentlich behalten? Copyright by DDRockstar/Adobe Stock
Als Betriebsrat darf man sich nicht schmieren lassen. Aber darf man das erhaltene Geld eigentlich behalten? Copyright by DDRockstar/Adobe Stock

In dem Fall, den das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zu entscheiden hatte, war ein freigestellter Betriebsratsvorsitzender kurz nach der Wahl befördert worden. Als die Arbeitgeberin später die Lohnerhöhung zurückforderte, setzte er sich dagegen zur Wehr.
 

Lohnerhöhung nach Wahl zu Betriebsratsvorsitzenden

Mit der Betriebsratswahl 2014 hatte der Kläger den Vorsitz des Betriebsrats übernommen, dem er bereits seit 2002 angehörte. Außerdem erhielt er eine vollständige Freistellung. Zum Zeitpunkt der Wahl arbeitete der Kläger in der Stabsabteilung Sicherheitsmanagement. Dieser Tätigkeit entsprach eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11.
 
Ab April 2015 erhielt der Kläger eine Vergütung gemäß Entgeltgruppe 14. Diese fußte auf einem Vermerk des damaligen Geschäftsführers und eines leitenden Personalmitarbeiters. Nach der betriebsüblichen Entwicklung hätte der Kläger die Leitung der Abteilung Kfz-Werkstätten übernommen, die entsprechend vergütet werde.
 
Als die Arbeitgeberin  - ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs  - mit einem anderen Unternehmen Anfang 2018 fusioniert hatte, überprüfte sie die Eingruppierung. Als Ergebnis der Prüfung vergütete sie den Vorsitzenden ab April 2018 nach der Entgeltgruppe 11.
 
Dies entsprach einer monatlichen Differenz von fast 1.700 Euro brutto. Für die Zeit von Oktober 2017 bis März 2018 forderte die Arbeitgeberin den Betrag zurück, da die Vergütung gemäß Entgeltgruppe 14 eine unzulässige Begünstigung darstelle.
 

Betriebsräte dürfen nicht bevorzugt werden

Die Mitglieder des Betriebsrats und andere betriebliche Interessenvertreter der Arbeitnehmerschaft dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt, aber auch nicht begünstigt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Das Begünstigungsverbot verbietet die materielle Besserstellung. Dazu gehört auch eine unberechtigt hohe Vergütung.
 
Die Betriebsratsmitglieder erhalten daher das Entgelt, das sie bei Übernahme des Amts für ihre reguläre Arbeit erhalten haben. Das bedeutet aber nicht, dass das Gehalt nie steigt. Zu berücksichtigen sind die Lohnerhöhungen, die „vergleichbare« Arbeitnehmer“ mit gleicher Qualifikation erhalten.
 
Bei Betriebsratsmitgliedern ist also die hypothetische Entwicklung zu Grunde zu legen. Sie sind so zu vergüten, wie sie zu vergüten wären, wenn sie ihr Amt nicht innehätten.
 

Maßstab der Vergütung ist die hypothetische Karriere

Diese hypothetische Entwicklung sah das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall aber grade als widerlegt an. Der Kläger war bereits im Jahre 2013 Abteilungsleiter Fahrzeugtechnik Kraftfahrzeuge gewesen. Die Tätigkeit war mit der Entgeltgruppe 14 vergütet. Den Posten hatte er allerdings verloren, weil Mitarbeiter angewiesen hatte, seinen Privat-PKWs und den seiner Ehefrau zu reparieren.
 
Seitdem war er in der gegenwärtigen Abteilung beschäftigt. Das Gericht hielt es für unwahrscheinlich, dass der Kläger bereits anderthalb Jahre später in die Entgeltgruppe 14 aufgestiegen wäre.
 
Trotzdem müsse der Betriebsratsvorsitzende das zu viel gezahlte Geld nicht zu zurückzahlen. Denn der Arbeitgeber habe mit der Zahlung ebenfalls rechtswidrig gehandelt. Daher könne er die Vergütung für die Vergangenheit nicht zurückfordern.
 
Links
Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
 
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Das sagen wir dazu:

Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass der Betriebsratsvorsitzende das Geld behalten darf, obwohl es ihm nicht zusteht und er dies wohl auch wusste. Allerdings wäre die Alternative noch weniger nachvollziehbar gewesen. Wenn die Arbeitgeberin das Geld nämlich zurückerhalten hätte.

Arbeitgeberin wusste, dass sie rechtswidrig handelt

Denn auch sie wusste, dass der Betriebsratsvorsitzende nicht in naher Zukunft in eine Leitungsposition aufgestiegen wäre. Hierfür hatte er sich hinreichend disqualifiziert. Als Prozessvertreter ist die hypothetische Entwicklung oft schwierig darzulegen, aber ein Karrieresprung wie im vorliegenden Fall kann niemand ernsthaft für möglich halten.

Die fürstliche Gehaltserhöhung um immerhin monatlich fast 1.700 € basierte also nicht auf einer fundierten Prognose. Da drängt sich der Verdacht auf, sie habe in erster Linie der „innerbetrieblichen Landschaftspflege“ gedient.

Das Gesetz hat für den Fall, in dem beide Vertragspartner in böser Absicht handeln, eine klare Regelung getroffen: Die Rückforderung von Leistungen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen ist ausgeschlossen. Damit trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass es derjenige, der etwas zahlt, obwohl er weiß, dass es verboten ist, den ersten Schritt tut. Er ist also weniger schutzwürdig als derjenige, der diese verbotene Frucht „nur“ entgegennimmt.

Noch nicht das Ende vom Lied

Das Urteil sollten Betriebsräte jedoch keinesfalls als Aufforderung verstehen, nun ungeniert Schmiergelder anzunehmen, weil sie diese ja nicht zurückzahlen müssen. Es drohen nämlich weitere Sanktionen in Form von Strafverfolgung, wie man es beispielsweise aus dem VW-Skandal kennt.

Außerdem droht ein „betriebsverfassungsrechtliches Impeachment“, da die Annahme derartiger Geschenke sicher ein schwerer Amtsverstoß ist.

Und auch für Arbeitgeber erschöpft sich die Sache nicht in der Frage der Vergütung und deren Rückzahlung. Denn wer die Tätigkeit des Betriebsrats behindert oder stört, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Rechtliche Grundlagen

§ 817 BGB Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten

§ 817 Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten
War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.