Eine E-Mail an den Vorsitzenden einer Einigungsstelle sollte dem Betriebsratsvorsitzenden einer ostwestfälischen Firma zur Herstellung von Schubkasteneinsätzen zum Verhängnis werden: Weil diese Mail aus Sicht des Arbeitgebers eine diffamierende persönliche Beleidigung des Einigungsstellenvorsitzenden darstellte, betrieb er das gerichtliche Verfahren zum Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat.

Eine „unsägliche“ Mail

Folgendes hatte der Betriebsratsvorsitzende, Mitglied der IG Metall und seit Jahren engagierter Interessenvertreter seiner Kolleg*innen, dem Arbeitsrichter, der den Vorsitz von zwei Einigungsstellen im Betrieb hatte, per E-Mail geschrieben:

„Es ist regelrecht ein Skandal, wie immer wieder in den Einigungsstellen überwiegend von Richtern des Landesarbeitsgerichts die Auffassungen der Arbeitgeber angenommen werden, eventuell nur, weil diese die Vorsitzenden bezahlen.“

Arbeitgeber betreibt Betriebsratsausschluss

Darin sah der Arbeitgeber einen Grund, das gerichtliche Ausschlussverfahren aus dem Betriebsrat nach § 23 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz gegen den Vorsitzenden einzuleiten, zumal der Einigungsstellenvorsitzende als Konsequenz im Anschluss an die Mail den Einigungsstellenvorsitz niederlegte.

Auch die prompte Entschuldigung des Betriebsratsvorsitzenden stimmte den Arbeitgeber nicht um. Schließlich habe der Betriebsrat seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt und gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen. Auch der Betriebsfrieden sei gestört, zumal die Arbeit der Einigungsstelle behindert worden sei, weil dessen Vorsitzender sein Amt niedergelegt habe.

Arbeitsgericht Herford weist Arbeitgeberantrag ab

Das Arbeitsgericht Herford folgte dem Arbeitgeber nicht. Es erhob zwar deutlich den warnenden Zeigefinger, indem es die Mail des Betriebsratsvorsitzenden als „unsägliche Provokation“ einstufte. Aber auch solche Äußerungen sind, so das Gericht, vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Danach darf eine subjektive Meinung auch scharf und überspitzt sein, und sie darf provokativ, abwertend, übersteigert, polemisch und ironisch geäußert werden.

Berücksichtigt hat das Gericht auch die Entschuldigung des Betriebsratsvorsitzenden sowie dessen Klarstellung, es sei nicht seine Absicht gewesen, zu erklären, dass der Einigungsstellenvorsitzende vom Arbeitgeber gekauft worden sei.

Grundrecht auf Meinungsfreiheit war zu beachten

Georg Weese, Teamleiter des Herforder Büros der DGB Rechtsschutz GmbH, der den Betriebsratsvorsitzenden gerichtlich vertrat, freute sich: „Zu Recht hat das Arbeitsgericht Herford das Grundrecht der Meinungsäußerung als so bedeutsam gewertet, dass es den Ausschlussantrag abgelehnt hat. Anderenfalls hätten Arbeitgeber die Möglichkeit, durch Ausschlussverfahren Einfluss auf die Zusammensetzung des Betriebsrats zu nehmen und so ihnen unbequeme und kämpferische Betriebsräte einfach los zu werden.“

Dies sah wohl auch der Arbeitgeber so: Er legte keine Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford ein.

Anmerkung der Redaktion

Es darf vermutet werden, dass es dem Arbeitgeber hier nicht nur um den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ging. Dies sollte vermutlich nur der erste Schritt sein, um den unbequemen IG Metaller insgesamt los zu werden. Mit einem rechtskräftigen Ausschluss aus dem Betriebsrat hätte dieser nämlich seinen Kündigungsschutz verloren. Und, was weitgehend unbekannt ist, auch einen nachwirkenden Kündigungsschutz gibt es nach § 15 Absatz 1 Satz 2 letzter Halbsatz Kündigungsschutzgesetz nach erfolgreichem gerichtlichen Ausschluss nicht.

 

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Im Praxistipp: Kündigungsschutzgesetz (KSchG) § 15 Unzulässigkeit der Kündigung und Betriebsverfassungsgesetz § 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Kündigungsschutzgesetz und § 23 Betriebsverfassungsgesetz

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.
(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.
(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.
(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.
(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

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Betriebsverfassungsgesetz
§ 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten

(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.
(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.