Betriebsratsvorsitzender und gleichzeitig Datenschutzbeauftragter? Kein Widerspruch! Copyright by Ralf Geithe/Adobe Stock
Betriebsratsvorsitzender und gleichzeitig Datenschutzbeauftragter? Kein Widerspruch! Copyright by Ralf Geithe/Adobe Stock


Der Kläger, ein freigestellte Betriebsratsvorsitzender, wurde von seinem Arbeitgeber zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt mit dem Ziel, nicht nur in der Firma, sondern im gesamten Konzern einen einheitlichen Datenschutzstandard zu erreichen.

Datenschutzbeauftragter sieht Interessenkonflikt


Eigentlich war der Kläger in Sachsen beschäftigt, wo auch die beklagte Firma ihren Sitz hat. Der Sitz des Mutterkonzerns ist aber Erfurt. Der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit meinte daher, in dieser Angelegenheit zuständig zu sein.

Er vertrat die Auffassung, dass der Kläger nicht über die notwendige Zuverlässigkeit verfüge, betrieblicher Datenschutzbeauftragter zu sein. Er müsse nämlich als Betriebsratsvorsitzender nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes den betrieblichen Datenschutz überwachen, aber gleichzeitig Grundsätze für den konzernweiten Datenschutz entwickeln. Das sei nicht miteinander vereinbar.

Der Arbeitgeber des Klägers berief ihn daraufhin ab und bestellte einen anderen Datenschutzbeauftragten. Dagegen ging der Kläger vor.

Sächsisches Landesarbeitsgericht: Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragter unwirksam


Nachdem bereits das Arbeitsgericht Dresden dem Kläger Recht gegeben hat, entschied auch das Sächsische Landesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber den Kläger zu Unrecht als Datenschutzbeauftragter abberufen hatte.

Es überzeuge nicht, dass der Kläger nicht über die notwendige Zuverlässigkeit verfüge, weil er Betriebsratsvorsitzender sei. Dabei verwies das Sächsische Landesarbeitsgericht auf ein älteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts, in dem dieses ausdrücklich festgestellt hatte, dass die bloße Mitgliedschaft im Betriebsrat diese Person für das Amt des Beauftragten für den Datenschutz nicht unzuverlässig mache.

Warum für den Kläger als freigestellten Betriebsratsvorsitzenden etwas anderes gelten solle, sei nicht nachzuvollziehen, so das Sächsische Landesarbeitsgericht. Der Arbeitgeber des Klägers konnte daher die Bestellung des Klägers zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten nicht widerrufen.

Wann liegt ein wichtiger Grund für die Abberufung vor?


Dabei half es der beklagten Firma auch nicht, sich auf den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz zu berufen. Dieser sei nur den Mutterkonzern und die Schwestergesellschaften der beklagten Arbeitgeberin mit Sitz in Thüringen zuständig. Für die Beklagte mit Sitz in Dresden sei der sächsische Datenschutzbeauftragte zuständig. Der habe jedoch nicht verlangt, dass der Kläger als Datenschutzbeauftragter abberufen werden sollte.

Das Gericht hatte sich auch mit der Frage zu beschäftigen, wann ein Grund für eine Abberufung des Datenschutzbeauftragten vorliegen könnte. Das sei auch nach dem neuen Bundesdatenschutzgesetz nur der Fall, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des Kündigungsschutzrechts vorliegt.

Dazu gehört zum Beispiel Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter. Bei dem Kläger würden diese Voraussetzungen aber nicht vorliegen. Das Ziel der Arbeitgeberin, durch die Bestellung eines einzigen Datenschutzbeauftragten für den gesamten Konzern einen einheitlichen Datenschutz zu erreichen, sei zwar sinnvoll und nützlich. Das habe mit der Tätigkeit des Klägers als Datenschutzbeauftragter für die Beklagte aber nichts zu tun.

Urteil des sächsischen Landesarbeitsgericht, Az: 9 Sa 268/18, 10 Ca 234/18 ArbG Dresden vom 19. August 2019

Das sagen wir dazu:

Das sagen wir dazu

Das Sächsische Landesarbeitsgericht wiederholt das, was auch das Bundesarbeitsgericht vor einigen Jahren entschieden hat: Betriebsratstätigkeit und Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte/r stellen keine Interessenkollision dar. Das ist auch nachzuvollziehen, da beide zu Verschwiegenheit und zu vertraulichen Umgang mit Daten verpflichtet sind.

Durch die Entscheidung wird auch klar, dass der Arbeitgeber einen einmal bestellten Datenschutzbeauftragten nicht ohne weiteres abberufen kann. Er muss sich auf einen wichtigen Grund berufen können, der ihn auch berechtigen würde, ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Das ist im neuen Datenschutzgesetz ebenso wie im alten ausdrücklich so geregelt.

Wie der Rechtsstreit ausgegangen wäre, wenn der sächsische und nicht der thüringische Landesdatenschutzbeauftragte die Abberufung des Klägers verlangt hätte, bleibt aber offen. Hier muss die weitere Rechtsentwicklung abgewartet werden.

Lesen Sie hierzu auch:

Betriebsratsmitglied darf weiterhin Datenschutz-Beauftragte sein - DGB Rechtsschutz GmbH

Rechtliche Grundlagen

Bundesdatenschutzgesetz

§ 38
(1) Ergänzend zu Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 benennen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten, soweit sie in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Nehmen der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter Verarbeitungen vor, die einer Datenschutz-Folgenabschätzung nach Artikel 35 der Verordnung (EU) 2016/679 unterliegen, oder verarbeiten sie personenbezogene Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung, der anonymisierten Übermittlung oder für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung, haben sie unabhängig von der Anzahl der mit der Verarbeitung beschäftigten Personen eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten zu benennen.
(2) § 6 Absatz 4, 5 Satz 2 und Absatz 6 finden Anwendung, § 6 Absatz 4 jedoch nur, wenn die Benennung einer oder eines Datenschutzbeauftragten verpflichtend ist.
§ 6
(1) Die öffentliche Stelle stellt sicher, dass die oder der Datenschutzbeauftragte ordnungsgemäß und frühzeitig in alle mit dem Schutz personenbezogener Daten zusammenhängenden Fragen eingebunden wird.
(2) Die öffentliche Stelle unterstützt die Datenschutzbeauftragte oder den Datenschutzbeauftragten bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben gemäß § 7, indem sie die für die Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Ressourcen und den Zugang zu personenbezogenen Daten und Verarbeitungsvorgängen sowie die zur Erhaltung ihres oder seines Fachwissens erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellt.
(3) Die öffentliche Stelle stellt sicher, dass die oder der Datenschutzbeauftragte bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben keine Anweisungen bezüglich der Ausübung dieser Aufgaben erhält. Die oder der Datenschutzbeauftragte berichtet unmittelbar der höchsten Leitungsebene der öffentlichen Stelle. Die oder der Datenschutzbeauftragte darf von der öffentlichen Stelle wegen der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden.
(4) Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach dem Ende der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte oder als Datenschutzbeauftragter ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Jahres unzulässig, es sei denn, dass die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist.
(5) Betroffene Personen können die Datenschutzbeauftragte oder den Datenschutzbeauftragten zu allen mit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und mit der Wahrnehmung ihrer Rechte gemäß der Verordnung (EU) 2016/679, diesem Gesetz sowie anderen Rechtsvorschriften über den Datenschutz im Zusammenhang stehenden Fragen zu Rate ziehen. Die oder der Datenschutzbeauftragte ist zur Verschwiegenheit über die Identität der betroffenen Person sowie über Umstände, die Rückschlüsse auf die betroffene Person zulassen, verpflichtet, soweit sie oder er nicht davon durch die betroffene Person befreit wird.
(6) Wenn die oder der Datenschutzbeauftragte bei ihrer oder seiner Tätigkeit Kenntnis von Daten erhält, für die der Leitung oder einer bei der öffentlichen Stelle beschäftigten Person aus beruflichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, steht dieses Recht auch der oder dem Datenschutzbeauftragten und den ihr oder ihm unterstellten Beschäftigten zu. Über die Ausübung dieses Rechts entscheidet die Person, der das Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen zusteht, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann. Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der oder des Datenschutzbeauftragten reicht, unterliegen ihre oder seine Akten und andere Dokumente einem Beschlagnahmeverbot.