Der Betriebsrat ist eine Angelegenheit der Arbeitnehmer*innen im Betrieb. Sie bestimmen durch ihre Wahl, wer Mitglied im Gremium wird. Der Arbeitgeber hat sich da herauszuhalten. Mehr noch: er kann sich sogar strafbar machen, wenn er die Wahl beeinflusst. Deshalb dürfte für viele überraschend sein, dass Arbeitgeber*innen gleichwohl die Möglichkeit haben, den Betriebsrat von einem Arbeitsgericht auflösen zu lassen.

Betriebsrat und Arbeitgeber müssen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs vertrauensvoll zusammenzuarbeiten

Das ist freilich nicht einfach. Kein Arbeitgeber kann erwarten, dass der Betriebsrat mit seinen Entscheidungen stets einverstanden ist. Schließlich vertritt der Betriebsrat die Beschäftigten und deren Interessen sind oft nicht dieselben wir die der Arbeitgeberseite. Deshalb reicht es nicht, wenn der Arbeitgeber nur mit der Arbeit des Gremiums nicht einverstanden ist oder dieses ihn einfach nur nervt. Nur aus diesem Grund wird er den Betriebsrat zum Glück nicht los.
Nach dem Gesetz sind sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat aber verpflichtet, zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs vertrauensvoll zusammenzuarbeiten (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Das ist der viel gepriesene „Kooperationsgrundsatz“ des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dieser bedeutet aber nicht, dass die Interessensgegensätze von Kapital und Arbeit im Betrieb aufgehoben sind.

Der Grundsatz bildet vielmehr einen Maßstab für den Umgang miteinander: die Betriebsparteien sollen unnötige Konflikte bei Auseinandersetzungen vermeiden und Streitfälle mit friedlichen Mitteln lösen.

Grob ist eine Verletzung von Pflichten nur, wenn sie objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist.

§ 23 Absatz 1 BetrVG regelt, dass der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen kann, dass das Gericht den Betriebsrat auflöst, weil er seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Entscheidungen erklärt, dass es nicht reicht, wenn der Betriebsrat irgendwelche Pflichten verletzt hat. Grob ist die Pflichtverletzung nur, wenn sie objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist.

Objektiv erheblich hat ein Betriebsrat gegen seine Pflichten verstoßen, wenn er gegen die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes handelt. Offensichtlich schwerwiegend ist sein Handeln, wenn es für die Belegschaft oder den Arbeitgeber untragbar ist, dass der Betriebsrat sein Amt weiter ausübt.

Das LAG Düsseldorf hat jetzt einen Fall entschieden, in dem es darum ging, dass der Betriebsrat einen Personalleiter nicht mehr als Ansprechpartner akzeptieren wollte, der es mit seinen eigenen Pflichten nach dem BetrVG nicht sonderlich ernst meinte.
Die Arbeitgeberin unterhält einen Betrieb zur Herstellung von Leichtmetallfelgen mit knapp 700 Mitarbeiter*innen. Im Jahr 2018 wählte die Belegschaft einen 13-köpfigen Betriebsrat.

Der Arbeitgeber bestimmte einen Ansprechpartner, zu dem der Betriebsrat kein Vertrauen hatte

Die Arbeitgeberin hatte bestimmt, dass sie bei Verhandlungen mit dem Betriebsrat durch den Personalleiter vertreten wird.

Im September 2018 beschloss der Betriebsrat, nicht mehr mit dem Personalleiter des Arbeitgebers zusammenzuarbeiten. In einem weiteren Schreiben an die Werks- und Personalleitung teilte er mit, dass die Zusammenarbeit beendet werde und forderten den Arbeitgeber auf, einen neuen Ansprechpartner zu benennen.

Zudem strich der Betriebsrat den Personalleiter aus dem Verteiler und leitete Mitteilungen und Beschlüsse an andere Mitarbeiter weiter. Obwohl der Arbeitgeber den Betriebsrat aufforderte, wieder mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten, verblieb der Betriebsrat bei seiner Haltung und teilte mit Schreiben an die Werksleitung vom November 2018 mit, dass er erneut beschlossen habe, die Zusammenarbeit zu beenden.

Bereits zuvor hatte der Betriebsrat mit einer Mail mitgeteilt, dass er an Sitzungen nicht teilnehmen werde, an denen auch der Personalleiter teilnehme.

Der Betriebsrat hatte die Monatsgespräche auf den Betriebsratsausschuss delegiert

Im Januar 2019 delegierte der Betriebsrat durch Beschluss die Monatsgespräche auf den Betriebsratsausschuss. Diese Regeltermine wurden in Outlook vorgeplant und wurden von der Mehrheitsliste regelmäßig - wenn überhaupt - maximal durch ein oder zwei Mitglieder wahrgenommen. Der Arbeitgeber hatte den Betriebsrat bereits im November 2018 darüber informiert, dass er jeweils alle Betriebsratsmitglieder einlade, um alle in Kenntnis zu setzen.
Das Arbeitsgericht Solingen hat den Betriebsrat aufgelöst, weil es zu der Auffassung gelangt ist, dass er grob gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen habe. Und zwar insbesondere dadurch, dass er die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter verweigere. Das LAG Düsseldorf hat diese Entscheidung jetzt bestätigt.

Der Betriebsrat hätte sich mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts zur Wehr zu setzen müssen

Die weitere Amtsausübung des Betriebsrats erscheint nach Auffassung des Gerichts untragbar. Dies ergebe sich daraus, dass der Betriebsrat sich weigere mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten. Er habe diese Weigerungshaltung förmlich beschlossen und tatsächlich über einen längeren Zeitraum nachhaltig umgesetzt.

Kraft ihrer Organisationshoheit obliege es aber der Arbeitgeberin, für sie den Ansprechpartner zu bestimmen. Selbst wenn der Personalleiter nicht in allen Punkten konform mit dem Betriebsverfassungsrecht handele, hätte der Betriebsrat nicht im Wege der Selbsthilfe die Zusammenarbeit mit ihm einstellen dürfen. Vielmehr hätte er sich mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts zur Wehr zu setzen müssen. Weil er sich nachhaltig geweigert habe, mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten, habe der Betriebsrat schwerwiegend gegen das Kooperationsgebot verstoßen.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Dem Betriebsrat hat noch die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht zu erheben. Erst mit Eintritt der Rechtskraft ist der Betriebsrat aufgelöst.
 
Hier geht es zur Pressemitteilung des LAG Düsseldorf

Rechtliche Grundlagen

§ 23 Betriebsverfassungsgesetz
Verletzung gesetzlicher Pflichten

(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.
(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.