Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit steht tatsächlich auch im Gesetz. Copyright by Adobe Stock/metamorworks
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Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat im Januar dieses Jahres zu Schulungs- und Fahrtkosten eines Betriebsratsmitglieds anlässlich eines Seminars in Saarbrücken entschieden. Verdi hatte zu einer eintägigen Veranstaltung eingeladen. Thema waren die damaligen Tarifgespräche mit dem Arbeitgeberverband zum Bundesmanteltarifvertrag und dessen Auswirkungen nach § 80 Betriebsverfassungsgesetz.

 

 

Fünf Mitglieder eines Unternehmens meldeten sich zur Schulung an

Die fünf Mitglieder des Betriebsrates eines Unternehmens in Rheinland-Pfalz meldeten sich zu dieser Veranstaltung an. Die Teilnahme hatte der Betriebsrat zuvor ordnungsgemäß beschlossen. Der Arbeitgeber erhielt eine Mitteilung hierüber.
 
Dieser Mitteilung war folgender Satz angefügt: „Sollten wir innerhalb der nächsten 14 Tage nichts von Ihnen hören, gehen wir davon aus, dass der Seminarteilnahme aus Ihrer Sicht nichts entgegensteht“.
 

Der Arbeitgeber widersprach nicht

Der Arbeitgeber widersprach nicht. Die Betriebsräte nahmen an der Schulung teil. Dennoch weigerte sich der Arbeitgeber, die Fahrtkosten und Parkgebühren hierfür zu übernehmen. „Die Veranstaltung von Verdi war grenzwertig im Sinne der Erforderlichkeit“, meinte der Prozessbevollmächtigte der DGB Rechtsschutz GmbH aus Mainz, Christoph Hahn. Dennoch gelang es ihm, den Prozess vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zu gewinnen.
 
Bereits das Arbeitsgericht Koblenz hatte zuvor positiv entschieden. Gegen diesen Beschluss leitete der Arbeitgeber das Beschwerdeverfahren beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ein. Die Übernahme der Kosten käme nur in Betracht, wenn die Veranstaltung erforderlich gewesen sei. Die Themen, mit welchen sich die Schulung befasst habe, hätten jedoch nicht die Aufgaben des Betriebsrates betroffen. Zumindest sei die Schulung nicht für fünf Betriebsräte erforderlich gewesen.
 

Für das Landesarbeitsgericht war es unerheblich, wie viele Betriebsratsmitglieder sich für die Schulung angemeldet hatten

Für das Landesarbeitsgericht war es unerheblich, wie viele Betriebsratsmitglieder sich für die Schulung angemeldet hatten. Es musste sich nämlich nur mit dem Fall desjenigen Mitglieds des Betriebsrates befassen, der auch die Fahrtkosten und Parkgebühren getragen hatte.
 
Nach dem Betriebsverfassungsgesetz müsse der Arbeitgeber die Kosten tragen, die durch die Tätigkeit des Betriebsrates entstehen. Das Betriebsverfassungsgesetz bestimme darüber hinaus, dass auch für die Kosten einer Schulung gelte, und zwar immer dann, wenn dort Wissen vermittelt werde, dass für die Betriebsratsarbeit erforderlich sei.
 

Grundwissen ist immer erforderlich

Grundwissen sei immer erforderlich. Das Betriebsratsmitglied werde dadurch erst in die Lage versetzt, seine Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Ob eine Schulung erforderlich sei, könne der Betriebsrat selbst entscheiden. Er habe dafür auch einen gewissen Beurteilungsspielraum.
 
Gerichte könnten diesen Beurteilungsspielraum nur eingeschränkt rechtlich prüfen. Fehlerhaft sei eine Entscheidung des Betriebsrates nur dann, wenn die Grenzen des Beurteilungsspielraumes überschritten würden. Eine Schulung sei nicht notwendig, wenn die entsprechenden Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden seien.
 

Der Betriebsrat konnte hier in Erwägung ziehen, zumindest ein Mitglied zur Schulung zu schicken

Hier habe der Betriebsrat zumindest in Erwägung ziehen können, zumindest ein Mitglied zur Schulung zu schicken. In der Schulung sei es um den aktuellen Stand und die noch gültigen länderspezifischen Tarifverträge gegangen. Eine sachgerechte Arbeit des Betriebsrates erfordere ausreichende Kenntnisse über den geltenden Tarifvertrag. Der Betroffene habe bisher auch noch keine Schulungen besucht. Er sei neu im Betriebsrat gewesen.
 
Darüber hinaus gebiete es jedoch auch das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz, die Reisekosten zu erstatten.
 

Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werden durch Rechte und Pflichten bestimmt

Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat würden durch Rechte und Pflichten bestimmt. Diese seien im Betriebsverfassungsgesetz niedergelegt. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sei ein Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben hätten. Sie müssten dabei immer auch auf die Interessen des jeweils anderen Rücksicht nehmen.
 
Die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sollten auf Zusammenarbeit gerichtet sein. Sie seien verbunden durch das gemeinsame Ziel des Wohles der Arbeitnehmer und des Betriebes. Das schließe es nicht aus, dass gegensätzliche Interessen wahrgenommen würden. Diese gegensätzlichen Interessen sollten aber möglichst durch eine gegenseitige vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgeglichen werden.
 

Es geht dabei auch um gegenseitige „Ehrlichkeit und Offenheit“

Es gehe dabei auch um gegenseitige „Ehrlichkeit und Offenheit“. Das habe das Bundesarbeitsgericht schon 1959 so gesehen. Vertrauensvoll sei eine Zusammenarbeit dann, wenn jeder dem anderen trauen könnte. Gleiches gelte, wenn man dem Wort des jeweils anderen Glauben schenken dürfe.
 
Im anhängigen Verfahren gehe es um einen Betriebsrat, der neu gewählt worden sei. Nur eines der Mitglieder sei zuvor schon Betriebsrat gewesen. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber in der Vergangenheit für Schulungen mit vergleichbaren Inhalten die Kosten erstattet.
 

Der Betriebsrat konnte erwarten, dass es auch in Zukunft bei dieser Entscheidung verbleibt

Der Betriebsrat konnte damit erwarten, dass es auch in Zukunft bei dieser Entscheidung verbleibt. Wenn der Arbeitgeber an dieser bisherigen Praxis nicht mehr festhalten wollte, so hätte er den Betriebsrat nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit hierüber unterrichten müssen.
 
Das Landesarbeitsgericht führte des Weiteren aus, der Betriebsrat habe in seiner Mitteilung an den Arbeitgeber auch darauf hingewiesen, er gehe davon aus, dass der Teilnahme am Seminar nichts entgegenstehe, wenn er innerhalb der nächsten 14 Tage nichts vom Arbeitgeber höre.
 

Dadurch, dass der Arbeitgeber geschwiegen hat, machte er es dem Betriebsrat unmöglich, weitere Unterlagen anzufordern

Dadurch dass der Arbeitgeber geschwiegen habe, machte er es dem Betriebsrat unmöglich, noch vor der Schulung vom Veranstalter weitere Unterlagen zu den Inhalten anzufordern. Der Betriebsrat habe dadurch vorher auch nicht mehr überlegen können, ob es angesichts der zu erwartenden Kostenlast nicht zu riskant sei, an der Schulung teilzunehmen. Schließlich sei dem Betriebsrat die Möglichkeit genommen worden, im Vorfeld der Veranstaltung ein gerichtliches Verfahren einzuleiten.
 

Dem Arbeitgeber war es zumutbar, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen

Dem Arbeitgeber sei es auch zumutbar gewesen, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Der Arbeitgeber sei nicht überfordert, dem Betriebsrat einen formlosen Hinweis zu machen, wenn er Bedenken habe, ob eine Schulung erforderlich sei.
 
Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ging aufgrund dessen zu Gunsten des Betroffenen Betriebsratsmitglieds aus.
 
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2020

Das sagen wir dazu:

Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit scheint in vielen Betrieben unterzugehen. Das könnte man zumindest meinen, wenn man erkennt, warum und worüber Betriebsräte mit ihren Arbeitgebern streiten (müssen).

Es ist schön, dass sich nun ein zweitinstanzliches Gericht mit diesem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit einmal mehr befassen konnte. Es wäre schön, könnte es gelingen, in der Zukunft zu erreichen, dass genau dieses Gebot auch in der Praxis mehr Relevanz bekommt.

Es richtet sich schließlich nicht an Betriebsräte sondern auch an Arbeitgeber. Viele Unternehmen zeigen, dass das funktionieren kann.

Rechtliche Grundlagen

§ 2, 37 und 40 BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz
§ 2 Stellung der Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.
(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.
(3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

Betriebsverfassungsgesetz
§ 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis

(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.
(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.

Betriebsverfassungsgesetz
§ 40 Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats

(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.
(2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.