Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Mindestbesetzung einer Pflegestation? Die Frage bleibt weiter spannend.
Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Mindestbesetzung einer Pflegestation? Die Frage bleibt weiter spannend.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Kiel war ein Paukenschlag: Weil Unterbesetzung die Gesundheit der Beschäftigten gefährdet, kann der Betriebsrat eine Mindestbesetzung durchsetzen. Der Fall lag nun beim Bundesarbeitsgericht, aber die höchste Instanz äußert sich zur Sache nicht.
 

Einigungsstelle legt Mindestbesetzung fest

In einer Klinik war es häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen der Betreiberin und dem Betriebsrat darüber gekommen, wie viel Pflegepersonal auf bestimmten Stationen tätig sein muss. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat richteten deshalb eine Einigungsstelle ein.
 
Diese holte mehrere Gutachten ein, die zu dem Ergebnis kamen, dass die Belastung der Beschäftigten eine kritische Grenze erreicht habe. Auf Basis der Gutachten legte die Einigungsstelle schließlich fest, welche Schichtbesetzung auf welchen Stationen in welchen Situationen mindestens vorhanden sein muss.
 
Die Arbeitgeberin war mit diesem Ergebnis nicht einverstanden. Die Entscheidung sei unwirksam, weil das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht so weit gehe, eine solche Mindestbesetzung festzulegen.
 

Mitbestimmung wegen Gesundheitsschutz contra Personalhoheit des Arbeitgebers

Das Arbeitsgericht Kiel hatte in einem viel beachteten Beschluss den Antrag abgewiesen. Der Betriebsrat sei befugt, über die Besetzungsstärke auf den Stationen mitzuentscheiden. Dies folge aus dem Aspekt des betrieblichen Gesundheitsschutzes.
 
Dieser beziehe sich auch auf Schutzmaßnahmen gegen Gesundheitsschäden durch Gefahren, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden sind. Die Festlegung einer Mindestbesetzung sei eine solche Maßnahme, so dass eine Einigungsstelle diese durch Spruch anordnen könne.
 
Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hatte die Entscheidung allerdings keinen Bestand: Nach Ansicht des LAG ist die Vorgabe einer Mindestbesetzung ein Eingriff in die Personalplanung und damit die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers. Dieser Eingriff sei nicht durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gerechtfertigt. Somit könne die Einigungsstelle auch keine Mindestbesetzung festlegen.
 

Bundesarbeitsgericht vertagt Entscheidung

Mit großer Spannung war nun die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erwartet worden. Denn die Frage, ob der Betriebsrat bei der Personalbemessung mitbestimmen darf, hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Betriebe.
 
Es geht letztlich um die Frage, wie ernst man das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz nehmen darf. Oder anders formuliert: Ob die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers tatsächlich höher zu werten ist, als die Gesundheit der Mitarbeiter*innen.
 
Wer vom Bundesarbeitsgericht in dieser Sache eine klare Entscheidung erwartet hatte, wurde enttäuscht. In einer dreizeiligen Pressemitteilung teilt der entscheidende Senat mit, man habe dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben, ohne über die Zulässigkeit von solchen Regelungen als Maßnahme des Gesundheitsschutzes zu entscheiden.
 
Links
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts
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Das sagen wir dazu:

Die Verlautbarung des Gerichts ist in hohem Maße ungewöhnlich: In der Regel teilt das Gericht in seinen Pressemitteilungen mit, worüber es entschieden hat, mit welchem Ergebnis und welche wesentlichen Überlegungen diesem Ergebnis zu Grunde liegen. Hier beschränkt es sich auf die Mitteilung, dass es dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben habe und die Frage des Mitbestimmungsrechtes grade nicht entscheidungserheblich gewesen sei.

Es spricht einiges dafür, dass die angegriffene Entscheidung der Einigungsstelle aus anderen, formalen Gründen unwirksam war und dieser nicht von allgemeinem Interesse ist. Wahrscheinlich wollte es nur dem falschen Eindruck entgegen wirken, man habe über den Umfang des Mitbestimmungsrechts entschieden.

Denn nur die Antwort auf diese Frage war ja sehnsüchtig erwartet worden. Umso bedauerlicher ist, dass die erwartete Entscheidung ausgeblieben ist. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG zumindest in seiner schriftlichen Begründung eine Tendenz erkennen lässt. Und dass schon in naher Zukunft ein Fall vorliegt, der eine Entscheidung in der Sache erforderlich macht.

Rechtliche Grundlagen

§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
[…]
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.