Bevor es losgeht, muss erst mal die ganze Schutzausrüstung angelegt werden. Bei der Menge kann das dauern. Copyright by Adobe Stock/Gérard Bottino
Bevor es losgeht, muss erst mal die ganze Schutzausrüstung angelegt werden. Bei der Menge kann das dauern. Copyright by Adobe Stock/Gérard Bottino

Viele Jahre lang arbeitete der Kläger schon als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz des Landes Berlin. Dazu stellte der Arbeitgeber ihm eine Dienstuniform und persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung. Auf der Oberbekleidung der Uniform stand in weißer Schrift deutlich sichtbar der Schriftzug „POLIZEI". Der Kläger durfte seine Uniform auch schon zu Hause vor Antritt seiner Arbeit anlegen.
 

Der Kläger verfügt über eine Schusswaffe und ein Waffenschließfach

Der Arbeitgeber stellte ihm auch eine Waffe zur Verfügung. Der Kläger verfügte über ein Waffenschließfach an seiner Dienststelle. Allerdings war es ihm auch gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen und dort zu verwahren.
 
Der Kläger arbeitete im Schichtdienst, durchaus auch an Feiertagen sowie an Wochenenden. Sein Arbeitgeber vergütete ihm nur die reinen Arbeitszeiten ab dem Antritt des Dienstes am Dienstort. Für Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten zahlte er nichts.
 

Der Kläger legt die Uniform zu Hause an

Der Kläger bemerkte dazu, er habe auf der Dienststelle keine ausreichenden Möglichkeiten, sich umzuziehen. Deshalb mache er das zu Hause. Anschließend fahre er zu seinem Waffenschließfach, lege die Waffe an und fahre weiter zu seinem Einsatzort. Schließlich mache er sich gemeinsam mit seinen Kollegen auf den Weg zu seinem Schutzobjekt.
 
Die Zeit zum Umkleiden und zum Anlegen seiner Waffe müsse der Arbeitgeber als Arbeitszeit vergüten. Das gelte auch für die Wegezeiten. Er trage schließlich eine sehr auffällige Kleidung und müsse seine Waffe mit sich führen. Die Fahrtzeiten in dieser Dienstkleidung erfolgten im Interesse des Arbeitgebers. Sie seien damit „fremdnützig“ und deshalb müsse der Arbeitgeber insbesondere auch diese Fahrzeiten als Arbeitszeit vergüten.
 

Umkleide- und Rüstzeiten sind Arbeitszeit

Das gelte auch für dienstfreie Feiertage ebenso wie für Zeiten des Urlaubes. Die Umzugs-, Rüst- und Fahrzeiten müsse der Arbeitgeber hier anteilig bei der Berechnung seiner Vergütung berücksichtigen.
 
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitgeber ihm die Umkleide- und Rüstzeiten vergütet. Das ergebe sich aus dem Gesetz, aber auch aus dem anwendbaren Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für die Länder. Der Kläger erbringe insoweit nämlich eine zusätzliche Arbeitsleistung.
 

Arbeit ist das, was auf Weisung des Arbeitgebers geleistet wird

Arbeit, die der Arbeitgeber vergüten müsse, sei nämlich nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhänge. Der Arbeitgeber verspreche die Vergütung für alle Dienste, die er vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich aufgrund seines Weisungsrechts verlange. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste sei damit jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene.
 
Das bestimme das Gesetz. Der vorliegend anwendbare Tarifvertrag weiche von dieser gesetzlichen Regelung nicht ab.
 

An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb ist Arbeitszeit

Für Umkleidezeiten bedeutet dies, dass das An- und Ablegen einer Dienstkleidung Arbeitszeit sei. Das gelte zumindest dann, wenn der Arbeitgeber vorschreibe, eine bestimmte Kleidung zu tragen und sich im Betrieb umzukleiden.
 
In diesem Fall weise der Arbeitgeber nämlich an, die Arbeitskleidung erst im Betrieb anzulegen und sich an einer Stelle umzuziehen, die vom Arbeitsplatz getrennt sei. Dies sei eindeutig fremdnützige (Arbeits-)Zeit.
 

Für unauffällige Dienstkleidung gilt etwas anderes

Ziehe der Beschäftigte seine Dienstkleidung zu Hause an, sei das anders. Das geschehe nicht ausschließlich fremdnützig. Die dafür benötigte Zeit stelle damit auch keine Arbeitszeit dar. Das gelte zumindest dann, wenn die Dienstkleidung nicht besonders auffalle und deshalb auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden könne.
 
Bei auffälliger Dienstkleidung stelle sich das Umkleiden demgegenüber regelmäßig als fremdnützig dar. Der Arbeitnehmer habe nämlich an der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit, die Dienstkleidung an- bzw. auszuziehen beruhe auf der Anweisung des Arbeitgebers, diese Kleidung während des Dienstes zu tragen.
 

Umkleidezeit des Klägers ist fremdnützig

Aus diesem Grund müsse der Arbeitgeber im Falle des Klägers auch die Umkleide- und Rüstzeiten vergüten. Dies gelte sowohl für die Fälle, in welchen der Kläger sich zu Hause umziehe, aber auch für Zeiten, die der Kläger aufwende, um sich an der Dienststelle umzuziehen und mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen sowie seiner Dienstwaffe zu rüsten.
 
Der Kläger trage nämlich eine besonders auffällige Dienstkleidung mit der Aufschrift "POLIZEI". Er verfüge über persönliche Ausrüstungsgegenstände wie ein Reizstoffsprühgerät, Handfesseln, Schlagstock und Taschenlampe sowie die Schusswaffe. Ein eigennütziges Interesse, diese Gegenstände zu tragen, habe der Kläger nicht. Deshalb handele es sich insgesamt auch bei den Umkleide- und Rüstzeiten grundsätzlich um vergütungspflichtige Arbeitszeit.
 

Der Kläger trägt die Dienstuniform ausschließlich im Interesse betrieblicher Belange

Die Pflicht, diese Zeiten zu vergüten, entfalle auch nicht etwa deshalb, weil die Objektschützer die freie Wahl hätten, wo sie sich umziehen. Soweit der Kläger seine Dienstuniform sowie seine persönlichen Ausrüstungsgegenstände zu Hause an- und ablege, sei dies ausschließlich fremdnützige Arbeit. Die Entscheidung, sich zu Hause umzuziehen, habe der Kläger nicht aus selbstbestimmten Gründen getroffen.
 
Der Kläger trage die Dienstuniform ausschließlich im Interesse betrieblicher Belange. Der Kläger müsse sich dafür umziehen. Wo er das tue, spiele keine Rolle. Es diene immer den Interessen des Arbeitgebers.
 

Wegezeiten sind keine Arbeitszeit

Die Wegezeiten wertete das Gericht allerdings nicht uneingeschränkt als Arbeitszeit. Der Kläger meinte, ihm stünde eine Vergütung für die normalen Wegezeiten zu seinem Objekt zu. Gleiches gelte auch für diejenigen Zeiten, die er aufbringen müsse, um seinen Waffenspind aufzusuchen. Dieser befinde sich nämlich nicht an seiner Dienststelle und auch nicht am Ort des Objektes, an welchem er eingesetzt sei. Den damit verbundenen Umweg müsse der Arbeitgeber vergüten.
 
Hier differenzierte das Landesarbeitsgericht. Den normalen Weg von zu Hause zur Arbeit lege der Arbeitnehmer im eigenen Interesse zurück. Es handele sich hierbei um keine fremdnützige Tätigkeit. Anders sei es jedoch bei dem Umweg zum Waffenspind.
 

Die Fahrt gehört nicht zur vertraglich geschuldeten Arbeit

Die Fahrt zum Objekt sei nicht Teil der Gesamttätigkeit eines Objektschützer. Selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit dort außerhalb seines eigenen Betriebes erbringe, liege der Schwerpunkt der geschuldeten Tätigkeit auf der Bewachung des ihm zugewiesenen Objektes. Suche er das Objekt auf, diene das dem Erreichen des Arbeitsplatzes. Das sei aber nicht Bestandteil der vertraglichen Hauptleistungspflicht des Klägers als Objektschützer. Deshalb müsse der Arbeitgeber die Zeit, die der Kläger für das Zurücklegen dieses Weges aufbringe, nicht vergüten.
 
Daran ändere auch nichts, dass der Kläger eine auffällige Dienstkleidung trage. Den Weg zum Objekt lege der Kläger ausschließlich deshalb zurück, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen und dort als Objektschützer zu arbeiten.
 

Der Weg bleibt Privatsache, auch bei einem Umweg

Der Kläger könne den Weg zur Arbeit in jeder Hinsicht selbst bestimmen. Das Land Berlin verlange dem Kläger auf dem Weg zur Arbeit auch in Dienstleistung keine „Arbeit“ ab.
 
Daran ändere auch nichts, dass der Kläger einen Umweg über das Waffenschließfach machen müsse, um an seine Dienstwaffe zu gelangen bzw. diese auf dem Rückweg wieder abzulegen. Nach dem Umweg über das Waffenschließfach trete der weitere Weg wieder an die Stelle des ursprünglichen Weges zur Arbeit, der nicht vergütet werde. Lediglich hinsichtlich des Umweges könne der Kläger einen Anspruch auf Vergütung geltend machen.
 

Das Waffenschließfach befindet sich auf einem Umweg

Zum Erreichen des Waffenschließfaches wende der Kläger fremdnützige Zeit auf. Ein eigenes Interesse am Tragen einer Dienstwaffe habe der Kläger nicht. Deshalb seien auch die Zeiten des An -und Ablegens der Waffe Wegezeiten, die der Kläger zusätzlich benötige, um zur Polizeidienststelle und zu seinem Waffenschließfach zu gelangen. Diese Zeiten müsse der Arbeitgeber vergüten.
 
Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass der Kläger die Waffe durchaus auch zu Hause aufbewahren dürfe. Dies stelle lediglich eine Option dar. Der Kläger sei dazu nicht verpflichtet.
 
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Das sagen wir dazu:

Die Parteien dieses Verfahrens streiten übrigens zur Zeit weiter vor dem Bundesarbeitsgericht. Wann wir da ein Urteil erwarten können, steht noch nicht fest. Zugelassen hatte das Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht für den Kläger wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die von ihm geltend gemachten Wegezeiten vergütet werden müssen. Das gilt insbesondere auch für den Umweg zum Waffenschließfach.

Man wird dazu nun ebenfalls eine höchstrichterliche Rechtsprechung erwarten dürfen. Für die weiteren, vom Kläger geltend gemachten Ansprüche, sah das Landesarbeitsgericht keinen Grund, die Revision zuzulassen. Damit wird es beim Bundesarbeitsgericht nur noch um die Wegezeiten und die Rüstzeit gehen. Das Bundesarbeitsgericht wird sich mit der Umkleidezeit und die eigentliche Rüstzeit des Klägers daher wohl nicht mehr befassen (müssen).