Bundesarbeitsgericht legt Versorgungsordnung zu Gunsten von Spätehen aus, Copyright: Adobe Stock/GordonGrand.
Bundesarbeitsgericht legt Versorgungsordnung zu Gunsten von Spätehen aus, Copyright: Adobe Stock/GordonGrand.

 

 

Die Witwe eines verstorbenen Arbeitnehmers hatte gegen dessen ehemalige Arbeitgeberin auf betriebliche Witwenrente geklagt. Als sie ihren Mann geheiratet hatte, war dieser bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hatte eine unverfallbare Anwartschaft auf Betriebsrente erworben. Er bezog aber noch keine Altersrente.

 

Auf die Versorgungsregelung kommt es an

 

Bei der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung, die eine Witwen-/Witwerrente vorsieht. Diese entfällt, wenn:

 

  • „die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist“ oder
  • „erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde“


Die Beklagte meint, eine Witwenrente sei auch ausgeschlossen, wenn die Ehe nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung eingegangen wurde. Sie hatte deshalb die Zahlung einer Witwenrente verweigert.

 

 

Witwenrente ist zu gewähren, wenn keine Ausnahme eingreift

 

Dies sah das Bundesarbeitsgericht anders und sprach der Klägerin ihre Witwenrente zu. Der vorliegende Fall – Eheschließung nach Ausscheiden und vor Altersrente – sei in der Versorgungsordnung nicht geregelt.

 

Versorgungsregelungen, die eine Hinterbliebenenversorgung ausschließen oder beschränken sollen, seien aber hinreichend klar zu fassen. Wenn die Ausnahme nicht klar geregelt sei, müsse man davon ausgehen, dass ein Anspruch bestehe.

 

Der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung ergebe sich aus der unverfallbaren Anwartschaft und dem Ableben des unmittelbar versorgungsberechtigten Arbeitnehmers.

 

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts

 

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Das sagen wir dazu:

 

Wenn eine Witwenrente erst dann ausgeschlossen ist, wenn die/der Berechtigte schon in Rente ist, dann ist sie nicht ausgeschlossen, wenn dies noch nicht der Fall ist. Auf diese simple Formel lässt sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bringen.

 

Vorschriften müssen vorhersehbar sein

 

Die Entscheidung zeigt, dass das Bundesarbeitsgericht nicht jeden Tag wegweisende Entscheidungen treffen kann, sondern gelegentlich auch Selbstverständlichkeiten noch einmal klarstellen muss. Prozessual ist dies dem Umstand geschuldet, dass eine Versorgungsordnung und damit eine innerbetriebliche Norm auszulegen war.

 

An diese ist wie an alle Rechtsnormen der Maßstab der Normenklarheit anzulegen. Das Bundesverfassungsgericht versteht darunter, dass Vorschriften für Verwaltung und Gerichte (nach-)vollziehbar und ihre Anwendung für Betroffene vorhersehbar sind.

 

Die Versorgungsordnung sieht hier zwei sehr klar umrissene Ausnahmen vor, unter denen eine Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen ist. Da keine der beiden auf diesen Fall passt, gibt es keine Grundlage, die Witwenrente zu versagen.

 

Arbeitnehmer*innen müssen sich auf Versorgungsordnung verlassen können

 

Die ehemalige Arbeitgeberin war dennoch der Ansicht, man könne den Fall des vor-zeitigen Ausscheidens vor Altersrente genauso behandeln. Dies ist aus ihrer Sicht sogar ein Stück weit verständlich: Der Arbeitnehmer war nicht mehr aktiv im Betrieb, sodass es unwahrscheinlich war, dass über die Betriebsrente hinaus neue Ansprüche entstehen.

 

Da er zum Zeitpunkt des Ausscheidens noch nicht verheiratet war, rechnete die ehe-malige Arbeitgeberin offenbar nicht mit weiteren Forderungen. Hätte sie diese vollständig ausschließen wollen, hätte dies in der Versorgungsordnung deutlicher zum Ausdruck kommen müssen.

 

So konnte sich die Witwe darauf verlassen, dass ihr ein Anspruch auf Hinterbliebe-nenversorgung zusteht.