Ob der Notarztwagen oder ein einfacher Rettungswagen anrücken muss, entscheidet die Leitstelle nach ärztlicher Beurteilung. Copyright by Adobe Stock/VanHope
Ob der Notarztwagen oder ein einfacher Rettungswagen anrücken muss, entscheidet die Leitstelle nach ärztlicher Beurteilung. Copyright by Adobe Stock/VanHope

In Rheinland-Pfalz regelt das Rettungsdienstgesetz die Beförderung von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen mit Krankenwagen. Das gilt für Einsätze des Rettungsdienstes und des Notfall- oder Krankentransportes.
 

Die ärztliche Beurteilung ist maßgeblich

Die Beförderung von kranken Personen, die in der Regel nach ärztlicher Beurteilung keiner fachgerechten Hilfe oder Betreuung bedürfen, richtet sich demgegenüber nicht nach dem Rettungsdienstgesetz. Für sie werden Krankentransportwagen zur Verfügung gestellt. Der Notfalltransport erfolgt demgegenüber mit Notarzt- und Rettungswagen.
 
Die Leitstelle nimmt alle Hilfeersuchen entgegen, koordiniert die Einsätze der Rettungsmittel und weist an, welches Transportmittel zum Einsatz kommt. Dabei muss die Leitstelle darauf achten, dass jeweils das dem Einsatzort nächstbefindliche Rettungsmittel die Fahrt übernimmt.
 

Der Rettungswagen muss innerhalb von 15 Minuten da sein

Der Landesrettungsdienstplan sieht vor, dass im Notfall Einsatzorte in der Regel innerhalb einer Fahrzeit von 15 Minuten nach Eingang des Hilfeersuchen erreicht werden müssen. Für allgemeine Krankentransporte gilt eine Wartezeit bis zum Eintreffen des Krankenwagens von bis zu 40 Minuten.
 
Das Besatzungsmitglied beim Krankentransport muss mindestens eine Ausbildung zum Rettungssanitäter vorweisen. Es trägt die medizinische und organisatorische Verantwortung während des Einsatzes.
 

Es gibt „qualifizierte“ und „nicht qualifizierte“ Krankentransporte

Sprachlich werden die Notfalleinsätze von allgemeinen Krankentransporten dahingehend abgegrenzt, dass ein Notfalleinsatz ein „qualifizierter Krankentransport“ ist, wohingegen der allgemeine Krankentransport „nicht qualifizierter Krankentransport“ genannt wird.
 
Der Kläger, ein ausgebildeter Rettungsassistent, sollte auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung einen Patienten von einem Krankenhaus zu einem in der Nähe liegenden Altenheim bringen. Die Leitungsstelle hatte diese Beförderung als qualifizierten Transport eingestuft.
 

Der Kläger bewertete die Situation anders als die Leitstelle

Der Kläger sah das anders. Er meinte, der Patient könne durchaus noch einige Stunden im Krankenhaus bleiben. Er selbst müsse mit seinem Fahrzeug für die Notfallrettung zur Verfügung stehen. Wenn er die angeordnete Fahrt übernehme, sei die Notfallrettung nicht mehr gewährleistet.
 
Zu diesem Zeitpunkt standen nämlich nur das Notfall-Einsatzfahrzeug und der Rettungswagen einer benachbarten Wache zur Verfügung. Nachdem es der Kläger abgelehnt hatte, die Fahrt zu übernehmen, übernahm ein anderer Krankentransportwagen die Fahrt.
 

Der Kläger erhielt eine Abmahnung

So geht das nicht, meinte der Arbeitgeber des Klägers und erteilte ihm eine Abmahnung. Es sei nicht Sache des Arbeitnehmers, zu entscheiden, ob es sich um einen qualifizierten oder einen nicht qualifizierten Krankentransport handelt. Das entscheide allein die Leitstelle.
 
Der Kläger wandte sich an das DGB Rechtsschutzbüro Trier. Gemeinsam mit den dortigen Kolleg*innen klagte er beim Arbeitsgericht auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Er müsse bei einem Krankentransport schließlich während der gesamten Zeit die medizinische Verantwortung für den Patienten übernehmen. Solle er einen nicht qualifizierten Krankentransport machen, stünde sein Fahrzeug für den Notfalleinsatz nicht mehr zur Verfügung.
 

Der Kläger geht von einer rechtswidrigen Weisung der Leitstelle aus

Die  Leitstelle habe den Transport mit dem Rettungstransportwagen außerdem rechtswidrig angeordnet. Sie verstoße damit gegen das Rettungsdienstgesetz. Rein objektiv betrachtet habe es sich um keinen qualifizierten Rettungstransport gehandelt. Der Patient sei ganz normal aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er habe bei der Fahrt ins Altenheim keiner besonderen Hilfe bedurft.
 
Rechtswidrige Weisungen müsse er nicht befolgen.
 

Rettungstransportwagen müssen nicht alle Krankentransporte durchführen

Das Gesetz bestimme auch keineswegs, dass ein Rettungstransportwagen automatisch alle Krankentransporte durchführen müsse. Nur im Ausnahmefall bestehe die Pflicht, Transporte durchzuführen, die keine Notfälle seien.
 
Das gelte beispielsweise, wenn  Beatmungspatienten verlegt und dabei von einem Arzt begleitet würden. Gewöhnliche Krankentransporte dürften nicht mit einem Rettungstransportwagen durchgeführt werden, da dieser damit zweckentfremdet werde. Dies führe zu Risiken für Notfallpatienten, die dann nicht mehr rechtzeitig behandelt werden könnten.
 

Niemand möchte auf den Notarzt warten müssen

Die Auffassung des Rettungsassistenten ist nachvollziehbar. Wer möchte schon im Notfall länger auf einen Krankenwagen warten müssen, weil dieser gerade eine*n Patient*in ohne dringenden medizinischen Grund vom Krankenhaus in ein Pflegeheim fährt.
 
Das Arbeitsgericht bewertete die Situation aber anders. Zwar habe der Kläger als Rettungsassistent während eines Einsatzes die Verantwortung für den Patienten in seinem Fahrzeug. Diese Verantwortung erstrecke sich jedoch nicht darauf, entscheiden zu dürfen, ob eine Fahrt ein qualifizierter oder ein nicht qualifizierter Krankentransport sei. Das lege allein die Leitstelle fest. Der Kläger müsse sich an die dortigen Weisungen halten.
 

Nur die Weisung der Leitstelle zählt

Die Weisung, den Krankentransport mit dem Rettungswagen durchzuführen, sei nicht rechtswidrig gewesen. Der zuständige Disponent der Leitstelle habe davon ausgehen dürfen, dass es sich um einen qualifizierten Krankentransport gehandelt habe. Maßgeblich dafür sei die vorliegende ärztliche Verordnung.
 
Nach dem Gesetz seien Beförderungen von kranken Personen nur dann „nicht qualifizierte“ Krankenfahrten, wenn diese nach ärztlicher Beurteilung keiner fachgerechten Hilfe oder Betreuung bedürften. Das Gesetz stelle damit auf eine ärztliche Beurteilung als maßgebliches Kriterium ab.
 

Nur Ärzte haben das notwendige Fachwissen

Zwar könne eine ärztliche Verordnung für eine Krankenfahrt fehlerhaft sein. Die Beurteilung obliege dennoch ausnahmslos dem Arzt. Nur der habe das notwendige Fachwissen und die Kenntnisse über den Gesundheitszustand des Patienten. Diese Kenntnisse fehlten den Disponenten der Leitstelle. Die Disponenten müssten sich deshalb an die ärztliche Beurteilung halten.
 
Der Kläger habe einen Krankentransport verweigert, ohne wissen und beurteilen zu können, ob ein qualifizierter Transport erforderlich war. Der Kläger habe sich über eine Weisung nicht hinwegsetzten dürfen, nur weil er vermutete, es liege eine Fehleinschätzung vor. Die Abmahnung sei deshalb gerechtfertigt, so das Arbeitsgericht.
 
Arbeitsgericht Trier, Urteil vom 21. Januar 2021

BAG, Urteil vom 18. Oktober 2017

Das sagen wir dazu:

Immer wieder müssen sich Arbeitsgericht mit der Frage befassen, ob Arbeitnehmer*innen generell  alle Weisungen ihres Arbeitgebers befolgen müssen. Zu unbilligen Weisungen haben wir schon mehrfach berichtet.

Sind auch unbillige Weisungen erstmal zu befolgen?

Unbillige Weisungen: 5. Senat gibt bisherige Rechtsprechung auf

Befolgung unbilliger Weisungen – Entscheidung des Großen Senats
Unbillige Weisungen müssen Arbeitnehmer*innen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung inzwischen nicht mehr befolgen. Das hatten die Gerichte früher anders gesehen.

Hier ging es aber nicht um eine „unbillige“ Weisung. Mag sein, dass die Weisung der Leitstelle fehlerhaft war, sie stütze sich aber auf eine ärztliche Anordnung und hatte deshalb ihren Grund. Das ist nicht „unbillig“. Deshalb musste der Kläger sich auch daran halten.