Fehlt eine Regelung, wonach mit dem Rentenalter Schluss mit der Arbeit ist, wäre das "Arbeiten ein Leben Lang" eine denkbare, wenn auch nicht unbedingt erstrebenswerte Möglichkeit. Copyright by leremy
Fehlt eine Regelung, wonach mit dem Rentenalter Schluss mit der Arbeit ist, wäre das "Arbeiten ein Leben Lang" eine denkbare, wenn auch nicht unbedingt erstrebenswerte Möglichkeit. Copyright by leremy

Der Großteil der arbeitenden Bevölkerung wird wohl freiwillig den Schraubenschlüssel fallen lassen, wenn das Alter für eine Rente erreicht ist. Aber eben nicht alle. Und vermutlich ist aufgrund der Altersarmut der Anteil derer gestiegen, die über das Rentenalter hinaus weiterarbeiten wollen bzw. müssen.

Kein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses mit Rentenbeginn

Keineswegs endet ein Arbeitsverhältnis zwangsläufig, wenn das Rentenalter erreicht ist. Vielmehr bedarf es einer Regelung dazu.

Viele Arbeitsverträge, aber eben nicht alle, enthalten eine Klausel wie diese hier:
„Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente erreicht hat.“

Auch Tarifverträge verschiedener Branchen sehen eine solche Regelung vor.

Solche Altersgrenzen sind ebenso in Betriebsvereinbarungen wirksam. Betriebsrat und Arbeitgeber können in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln. Hierin liegt nach dem Bundesarbeitsgericht keine unzulässige Altersdiskriminierung.

Anspruch auf ein lebenslanges Arbeitsverhältnis bei der Rheinbahn AG

Fehlt eine Regelung zur Altersgrenze, besteht das Arbeitsverhältnis über das Alter hinaus fort, in dem die Beschäftigten die Regelaltersrente beziehen können.

So hat zum Beispiel die Rheinbahn AG etwa hundert Mitarbeitern die „falschen“ Verträge ausgestellt. Es fehlt die Regelung zur Altersgrenze und die Arbeitsverträge gelten bis ans Lebensende der Mitarbeiter. Natürlich nur, wenn das denn vom Beschäftigten so gewollt ist. So wie in unserem weiteren Beispiel:

Betriebsratsvorsitzende klagt sich zurück in den Job

Eine 1946 geborene Frau trat 1971 in die Dienste der Procter & Gamble Manufacturing GmbH ein. Zu dem Konzern gehören Marken wie Braun, Gillette und Oral-B.

Es gelten die Tarifverträge der Chemischen Industrie. Dort ist keine Altersgrenze für das Ende des Arbeitsverhältnisses geregelt. Eine solche Vereinbarung gibt es auch nicht arbeitsvertraglich.

2008 schließen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung über die „Betriebsordnung“.
Dort heißt es:
„Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats, in dem das jeweils gültige gesetzliche Rentenalter vollendet wird.“

Diese Altersgrenzenregelung gelte aber nicht für die Klägerin. Das entschied das hessische Landesarbeitsgericht (LAG). Da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis als beendet betrachtete, nachdem die Klägerin das gesetzliche Rentenalter erreichte, klagte sie. Während sie beim Arbeitsgericht Darmstadt unterlag, gab ihr das LAG in der Berufung Recht.

Es gilt die für die Arbeitnehmerin günstigere Regelung

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ende nicht ohne Zustimmung der Klägerin durch die Betriebsvereinbarung, so das LAG.
Der Grund: Im Verhältnis zwischen einer vertraglichen Regelung und einer Betriebsvereinbarung gilt das Günstigkeitsprinzip.

Als arbeitsvertragliche Regelung gibt es nur ein Einstellungsschreiben. Das lautet
„Nach Ablauf der Probezeit treten die üblichen gesetzlichen und sozialen Bestimmungen in Kraft (Urlaub, Kündigung, usw.).“
Für das LAG war klar: Die Betriebsvereinbarung über die Betriebsordnung fällt nicht unter „übliche soziale Bestimmungen“. Vertraglich sei zwischen den Parteien weder eine Befristung noch eine Altersgrenze vereinbart. Deshalb gelte für die Klägerin nicht die Altersgrenze aus der Betriebsvereinbarung, sondern die günstigere Regelung aus dem Arbeitsvertrag.

Arbeitsverhältnis besteht über Juli 2011 hinaus fort

Das LAG berief sich dabei auf eine ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach muss derjenige, der eine Regelung geschaffen hat, bei Unklarheiten die ihm ungünstige Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Der Arbeitgeber muss also damit leben, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Damit muss er auch schon lange leben. Das Urteil stammt aus dem Jahr 2011. Die Klägerin ist noch immer im Dienst und noch immer Vorsitzende des Betriebsrats. Sehr zum Ärger der Geschäftsführung.


LINKS:
Das vollständige Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 18. Mai 2011(8 Sa 1979/10) können Sie hier nachlesen.

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