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Rechtspolitischer Kongress in Berlin: Schöne neue Arbeitswelt

Online-Redakteur Mirko Schneidewind berichtet über die Digitalisierung der Arbeitswelt
Online-Redakteur Mirko Schneidewind berichtet über die Digitalisierung der Arbeitswelt

Hochkarätig und engagiert war das Forum zum Thema “Digitalisierung der Arbeitswelt“. Diskutiert wurde dabei über den Zustand und die aktuellen Herausforderungen des Datenschutzes - zwischen dem verbreiteten Gefühl der Ohnmacht gegenüber der digitalen Entwicklung und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin erinnerte in ihrem Eingangsvortrag an die Entwicklung des Datenschutzes in den letzten Jahrzehnten: Vom “Recht auf informationelle Selbstbestimmung” und der prinzipiellen Überwachungsfreiheit der Kommunikationswege wie dies im Volkszählungsurteil von 1983 einmal entwickelt wurde, scheine heute in vielen Lebensbereichen nicht mehr viel übrig geblieben zu sein. Vielmehr werde inzwischen in der Regel von einer “konkludenten Einwilligung” in eine weitgehende Datennutzung ausgegangen, sobald persönliche Daten irgendwo preisgegeben werden. Dass von einer Einwilligung im Rechtssinne meist gar nicht die Rede sein könne - weil niemand weiß, was mit seinen Daten eigentlich passiert - gehe in der Praxis oft unter.

Konkret wies Däubler-Gmelin auf die heutigen Herausforderungen des Datenschutzes hin: Beispielsweise die anlassfreie Überwachung öffentlicher Räume und das regelrechte “Staubsaugen” von Daten wie in der NSA-Affäre geschehen. Auch im Arbeitsverhältnis bestünden bereits entsprechende Rasterfahndungsmethoden: so würden jeden Monat Millionen von Arbeitnehmerdaten mit europäischen Terrorlisten abgeglichen.

Unter anderem den wirtschaftlichen Wert persönlicher Daten machte Paul Nemitz (EU-Kommission) anschaulich: Gemessen am Börsenwert des Unternehmens habe ein einziges “facebook“-Profil einen Wert von 140 Dollar, ein “WhatsApp“-Profil immerhin von 40 Dollar. Auf der anderen Seite gehe er aber davon aus, dass ein Vertrauensverlust in den Datenschutz ein Wachstumshemmnis für die digitale Wirtschaft darstellt.

Gerold Reichenbach (MdB) machte diesen ökonomischen Wert an den Möglichkeiten der Kontrolle, der Manipulation und der Vorhersage fest. Demgegenüber bestehe die politische Herausforderung darin, die wirtschaftliche Entwicklung auf der Grundlage von Grundrechten und Menschenwürde zu gestalten.

Einen Ausblick auf die vollkommen digitale Arbeitswelt, die in einzelnen Branchen bereits heute Realität ist, gab Prof. Dr. Marco Leimeister mit: Der Begriff des “cloudworking” oder “crowdworking” beschreibe eine Form der Arbeitsorganisation, in der nur noch Selbständige arbeiten, die sich auf entsprechenden Plattformen im Netz um Aufträge bewerben. Für die ausgeschriebenen Aufträge könnten sie dann ein Angebot abgeben und im Falle des Zuschlags bearbeiten. In dieser zum Teil bereits existierenden Arbeitswelt bestünden keine betrieblichen Zusammenhänge mehr, es gelten weder Tarifverträge noch Arbeitnehmerrechte, sondern die “crowdworker” arbeiten als Einzelkämpfer*innen - gegen eine globale Konkurrenz.

Gerade vor dem Hintergrund dieser Vision einer völlig anderen Arbeitswelt wirkte das Thema des Forums brennend aktuell. Die klassischen Fragen stellen sich immer wieder neu und gerade in der vernetzten Welt mit zunehmender Schärfe: Welche Arbeitswelt wollen wir erhalten, entwickeln, gestalten, welche Grundrechte schützen die Würde der Arbeitnehmer*innen und wie kann es gelingen, diese Grundrechte im Sinne eines menschlichen Arbeitslebens durchzusetzen ?

Mirko Schneidewind - Leipzig

Eine gute Erklärung des Begriffs Cloudworker findet sich hier: