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Bundesarbeitsgericht: Bilanz und Ausblick

Zum Jahresbeginn lud die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Frau Ingrid Schmidt, zu einem Pressegespräch. Sie zog Bilanz und gab einen Ausblick auf das neue Jahr.

Zum Jahresbeginn lud die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Frau Ingrid Schmidt, zu einem Pressegespräch. Sie zog Bilanz und gab einen Ausblick auf das neue Jahr.

Präsidentin Schmidt beleuchtete sowohl die Statistik des Gerichts als auch einzelne Verfahren, die im zurückliegenden Jahr oder in Zukunft von Interesse sein könnten.

Verfahren werden komplexer

Die Anzahl der neu eingegangenen Verfahren habe sich im Jahre 2016 gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verändert. Die Bearbeitungsdauer liege derzeit bei etwa sieben Monaten pro Verfahren.

Insgesamt sei festzustellen, dass die Verfahren umfangreicher und angesichts der zunehmenden Durchdringung des Arbeitsrechts durch europäisches Recht auch komplexer geworden seien. Ein Anstieg der Vorlagen zum Europäischen Gerichtshof sei dennoch nicht auszumachen.

Den größten Anteil der Fälle machten, wie in den vergangenen Jahren auch, die Kündigungsschutzverfahren aus, wobei ein deutlicher Anstieg im Bereich der Befristung zu verzeichnen sei. Auch Entgelte seien ein häufiger Streitgegenstand.

Gewöhnliches und Außergewöhnliches

Die Arbeit des Bundesarbeitsgerichts, so Schmidt, sei im Wesentlichen geprägt von Routine. Dazu gehöre gelegentlich auch, Selbstverständlichkeiten klarzustellen. So habe das Gericht tatsächlich entscheiden müssen, dass ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Überstundenvergütung hat, wenn die Überstunden unter Verletzung des Arbeitszeitgesetzes geleistet wurden.

Aber es habe auch durchaus spektakuläre Fälle gegeben, wie die Entscheidung zur Schadensersatzplicht der Gewerkschaften bei rechtswidrigem Streik. Dabei hatte insbesondere die Tatsache Kritik hervorgerufen, dass ein Streik selbst dann rechtswidrig sein soll, wenn ein einzelnes Streikziel, sei es noch so unbedeutend, rechtswidrig ist.

Ebenfalls für Aufsehen gesorgt hatte die Entscheidung, wonach der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung des Facebook-Auftritts eines Unternehmens habe. Hier verwahrte sich Schmidt entschieden gegen die Unterstellung, das BAG habe das Internet nicht verstanden.

Untersagt habe der Senat nur, das Arbeitgeber Besuchern einseitig die Möglichkeit eröffnen, auf die Facebook-Pinnwand zu posten. Die Entscheidung beziehe sich ausdrücklich nicht auf die Möglichkeit, unter vom Unternehmen gepostete Beiträge Kommentare zu setzen. Schmidt: „Insofern hat das Internet das BAG nicht verstanden!“

Ausblick 2017: Digitalisierung und Fußball

Das Thema Digitalisierung wird das Bundesarbeitsgericht auch in diesem Jahr weiter beschäftigen. Zur Entscheidung liegt etwa die Frage an, inwieweit der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, wenn der Arbeitgeber den Zugang zu dienstlichen E-Mails sperrt, um Ruhezeiten zu gewährleisten.

Auch im Kündigungsrecht ist die Digitalisierung angekommen: Fehlverhalten und Arbeitszeitverstöße können durch moderne IT nachgewiesen werden. Fraglich ist dann, ob der Arbeitgeber die Auswertung des Browserverlaufs oder sogar der Anschläge an der Tastatur gegen den Arbeitnehmer verwenden darf.

Nicht vor Jahresende erwartet Schmidt eine Entscheidung des ehemaligen Bundesligatorwarts Heinz Müller, der gegen die Befristung seines Vertrags geklagt hatte. Die Entscheidung zur Befristungsmöglichkeit bei Profifußballern wird auch in der Öffentlichkeit mit Spannung erwartet.

Und sonst noch?

Zum Befristungsrecht stünden außerdem noch einige Entscheidungen aus, etwa zum Verbot der Anschlussbefristung. Hier stehe noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Im Allgemeinen, so Schmidt, könne man davon ausgehen, dass Vorlagen an den EuGH oder das BVerfG ein Verfahren um etwa zwei Jahre verlängerten.

Auf der Agenda steht weiterhin ein Urteil zum Mindestlohn für Postzusteller, nachdem in diesem Jahr die erste obergerichtliche Entscheidung zum Mindestlohn ergangen ist. Auch das kirchliche Arbeitsrecht wird das BAG noch beschäftigen.

Nicht mehr in diesem Jahr rechnet Schmidt mit einer Entscheidung über die Verzugspauschale von 40 Euro. Von Arbeitgeberseite wird bestritten, dass diese im Arbeitsrecht überhaupt anwendbar ist.

Die Arbeit des Bundesarbeitsgerichts resümierte Präsidentin Schmidt, sei eine Konstante in unruhigen Zeiten. Man darf den Richterinnen und Richtern dennoch viel Erfolg wünschen.
Jahresbericht des Bundesarbeitsgerichts hier direkt zur Ansicht und zum Download