Viele werden sich erinnern, wer im Kreis Gütersloh wohnt ganz sicher: Den einen Lockdown grade hinter sich, mussten wegen des erheblichen Corona-Ausbruchs beim Fleischverarbeiterer in Rheda-Wiedenbrück im ganzen Kreis Schulen und Kitas wieder schließen.
Bei einer Reihentestung des Gesundheitsamtes hatten in der „Zerlegung“ eine extrem hohe Anzahl von Mitarbeiter*innen einen positiven Befund auf das Coronavirus (etwa 700 von 1.000). Der Landrat des Kreises Gütersloh ordnete daraufhin die Schließung des Betriebsstandortes in Rheda-Wiedenbrück an.
Für die Arbeitnehmer*innen, die aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne mussten, den Lohn aber für die Zeit weiterhin erhielten, beantrage das Unternehmen eine Erstattung beim Land NRW.
Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz
Der Arbeitgeber hat gegenüber der zuständigen Behörde dann einen Anspruch auf Erstattung getätigter Zahlungen an den Arbeitnehmer, wenn dieser einen Verdienstausfall erlitten hat.
Die ersten beiden Sätze in § 56 IfSG lauten:
„Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für eine Person, die nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, abgesondert wird oder sich auf Grund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung absondert. “
Arbeitgeber können dann eine Erstattung bekommen, wenn die Arbeitnehmerin / der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch gegenüber der Behörde hat, weil sie oder er infolge einer Absonderungsverfügung einen Verdienstausfall erlitten hat.
Im Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Minden ging es um so eine Entschädigung für Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz. Das Land NRW hatte den Antrag auf Erstattung von Lohn, der an einen Arbeitnehmer weitergezahlt worden war, abgelehnt. Das Unternehmen verklagte daraufhin das Land.
Quarantäne war nicht die einzige Ursache für den Verdienstausfall
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass dem klagenden Unternehmen keine Erstattung gezahlter Verdienstausfallentschädigung nach Infektionsschutzgesetz zusteht.
Verdienstausfall könne nur erstattet werden, wenn die alleinige Ursache die Absonderung nach dem Infektionsschutzgesetz sei. Zwar gäbe es einen Verdienstausfall. Aber wegen der Betriebsschließung habe der Arbeitnehmer seine Arbeit auch ohne die behördlich angeordnete Absonderung nicht erbringen können. Es fehle daher an dem notwendigen Zusammenhang zwischen der Absonderung und dem Verdienstausfall.
LINKS:
Corona räumt im Schlachthof auf
Das sagen wir dazu:
Da die Entscheidung noch nicht im Volltext vorliegt, kann für die Begründung bisher nur auf die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts zurückgegriffen werden. Diese liest sich gut – ebenso logisch wie vom Ergebnis zufriedenstellend.
Es hat allerdings rund um das Ereignis, also dem massenhaften Ausbruch von Corona beim Fleischverarbeiter, auch andere Entscheidungen gegeben. Das Verwaltungsgericht Minden hatte im Januar 2022 das Land NRW verurteilt, Verdienstausfallentschädigung infolge behördlich angeordneter Quarantäne zu erstatten. Geklagt hatte hier eine in Rheda-Wiedenbrück ansässige Zweigniederlassung eines rumänischen Unternehmens, rechtlich verbunden mit der Tönnies-Unternehmensgruppe. Es geht also um Mitarbeiter*innen, die Verträge mit dem rumänischen Unternehmen hatten und in der Fleischverarbeitung im Tönnies-Werk eingesetzt waren. Zugrunde liegt also das gleiche Geschehen.
Das VG beschäftigte sich hier mit der Frage, ob eine Entschädigung zu versagen ist, weil das klagende Unternehmen allein oder weit überwiegend verantwortlich für das Ausbruchsgeschehen war.
Es ging dabei von Verstößen gegen arbeitsschutzrechtliche Pflichten aus. So waren nicht alle Schutzmaßnahmen konsequent umgesetzt worden, was das Abstandsgebot bzw. Schutzalternativen wie das Anbringen von Abtrennungen oder das Tragen einer FFP2-Maske betraf. Die Vorwürfe reichten aber für das Gericht nicht, um von einer alleinigen oder überwiegenden Verantwortung auszugehen.
Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 – 7a K 424/21
Mit der Kausalität zwischen Absonderung und Verdienstausfall beschäftigte sich das VG hier auch. Diese sei gegeben, da es keine anderen Gründe für den Wegfall des Lohnanspruchs gebe. Der Einsatz des Arbeitnehmers als Fleischer in einem anderen Betrieb wäre ohne Quarantäneanordnung grundsätzlich möglich gewesen. Der Unterschied liegt damit im Wesen des Werkvertrags begründet. Geschlossen war der Betrieb des Auftraggebers, was ohne Einfluss blieb.
Rechtliche Grundlagen
§ 56 Infektionsschutzgesetz (in Auszügen)
§ 56 Entschädigung
(1) 1Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. 2Das Gleiche gilt für eine Person, die nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, abgesondert wird oder sich auf Grund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung absondert. 3Eine Entschädigung in Geld kann auch einer Person gewährt werden, wenn diese sich bereits vor der Anordnung einer Absonderung nach § 30 oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 vorsorglich abgesondert oder vorsorglich bestimmte berufliche Tätigkeiten ganz oder teilweise nicht ausgeübt hat und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, wenn eine Anordnung einer Absonderung nach § 30 oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 bereits zum Zeitpunkt der vorsorglichen Absonderung oder der vorsorglichen Nichtausübung beruflicher Tätigkeiten hätte erlassen werden können. 4
(...)
(2) 1Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. 2Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. 3Vom Beginn der siebenten Woche an wird die Entschädigung abweichend von Satz 2 in Höhe von 67 Prozent des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls gewährt; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2 016 Euro gewährt. 4Im Fall des Absatzes 1a wird die Entschädigung von Beginn an in der in Satz 3 bestimmten Höhe gewährt.
(3) 1Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht, vermindert um Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang (Netto-Arbeitsentgelt).
(...)
Das sagen wir dazu