Toralf Schütze; mit Ausdauer erfolgreich gegen „störrische“ Unfallkasse. Copyright by heina dannemann
Toralf Schütze; mit Ausdauer erfolgreich gegen „störrische“ Unfallkasse. Copyright by heina dannemann

Manchmal werden Alpträume wahr. Wie in diesem Fall: ein elfjähriges Kind verunglückt im Schulunterricht schwer als  sein Arm in eine elektrische Hobelmaschine gerät. Ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt mit zahlreichen Operationen und Hauttransplantationen waren die Folge. Natürlich wollten die Eltern des Jungen wissen, was passiert war. Aber die Schule hüllte sich in Schweigen. 

Wahrheitswidrige Auskunft der Unfallkasse

Schulunfälle sind Arbeitsunfälle. Deren Aufklärung obliegt der Unfallkasse. Was liegt in diesem Fall näher, als diese Behörde um Auskunft zum Unfallgeschehen zu bitten? Einen entsprechenden Anspruch sieht das Informationsfreiheitsgesetz der Länder vor, welches alle Behörden verpflichtet, auf einen entsprechenden Antrag hin ihr Wissen mit den Bürgern zu teilen.

Nachdem die Unfallkasse (UK) den Eltern zunächst wahrheitswidrig mitteilte, ihr lägen zum Unfallgeschehen keine Informationen vor, hieß es dann im anschließenden Widerspruchsbescheid, Informationen könnten wegen eines anhängigen Regress- und Präventionsverfahrens gegen die Schule nicht preisgegeben werden. 

Namenlose Mitglieder des Widerspruchsausschusses weisen Widerspruch zurück

Mit dieser Entscheidung wollten sich die Eltern nicht abfinden. Immerhin war unmittelbar vor der Sitzung des Widerspruchsausschusses noch eine Stellungnahme des Informationsfreiheitsbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern bei der UK eingegangen. In diesem wurde darauf hingewiesen, dass Ablehnungsgründe hier nicht bestehen. 

Was an dem ablehnenden Widerspruchsbescheid der UK auffiel: Die Personen des Widerspruchsausschusses, welche die Entscheidung zu verantworten hatten, waren namentlich nicht aufgeführt. 

UK-Geschäftsführer verweigert Auskunft

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob Toralf Schütze, Rechtsschutzsekretär des Büros Schwerin, Klage. Zugleich begehrte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Verwaltungsgericht (VG) Schwerin und beantragte zudem Auskunft, wer denn den Widerspruchsbescheid erlassen hatte. 

Zu dieser Vorgehensweise sah sich der Verfahrensbevollmächtigte des verunglückten Kindes veranlasst, nachdem der Geschäftsführer der UK, mit einer geradezu hanebüchenen Begründung das Auskunftsbegehren ablehnte. Aufgrund „maßgeblicher Bestimmungen“, sei eine Bekanntgabe der Namen der Mitglieder des Widerspruchsausschusses nicht möglich. 

In dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid „untermauerte“ die UK die von ihr ins Feld geführten „maßgeblichen Bestimmungen“ damit, dass die Mitglieder des Widerspruchsausschusses nicht wünschen würden, dass ihre Namen offenbart werden. 

Wie nicht anders zu erwarten: Auch dieser Widerspruchsbescheid ließ nicht erkennen, welche Mitglieder des Widerspruchsausschusses meinten zu dem Ergebnis kommen zu müssen, dass eine Abhilfe nicht möglich sei. 

Akteneinsicht bringt Licht ins Dunkel

Als der Prozessbevollmächtigte Akteneinsicht nahm, traute er seinen Augen nicht

Denn hierbei stellte sich heraus, dass beide Widerspruchsbescheide von denselben Personen unterzeichnet waren. Das zeigt, dass der Widerspruchsausschuss bei seiner letzten Entscheidung befangen war. 

Auffassung der Unfallkasse geradezu abwegig

Nachdem sich das Auskunftsbegehren bezüglich der Namensangabe der Mitglieder des Widerspruchsausschusses durch die Akteneinsicht erledigt hatte, hatte das Gericht nur noch über die Kosten zu entscheiden. Das Gericht urteilte, dass die Auffassung der UK, die Namen der Ausschussmitglieder seien geheim zu halten, geradezu abwegig ist. 

In einer Stellungnahme des Bundessozialministeriums zu diesem Verfahren wird dies wie folgt weiter begründet:

„Bei einem mehrköpfigen Gremium (z.B. Widerspruchsausschuss) muss zumindest ein Mitglied des für die Widerspruchsentscheidung zuständigen Gremiums den Bescheid unterschreiben, die übrigen Mitglieder des Gremiums müssen grundsätzlich genannt werden, damit Verfahrensbeteiligte ggf. den Ausschluss der an der Entscheidung mitwirkenden Personen wegen der Befangenheit gemäß § 60 Absatz 3 SGG bzw. §§ 16, 17 SGB X überprüfen können.“

 

Geläuterte Unfallkasse?

Die Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern erklärte mittlerweile, sie habe ihre Vorgehensweise zwischenzeitlich überdacht und geändert.

Auch das gerichtliche Eilverfahren auf Informationserteilung zum Unfallgeschehen endete zu Gunsten des geschädigten Kindes. 

Einsicht in die Akten der Unfallkasse erhielten die Eltern des Kindes allerdings erst, nachdem sie die gerichtliche Entscheidung vollstreckt haben. Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Unfallereignis gab es für sie damit endlich Gewissheit.

Rechtliche Grundlagen

Informationsgesetz, was ist das denn?

Informationsfreiheitsgesetze gewähren den Bürgern einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf den Zugang zu amtlichen Informationen von Bundes- und Landesbehörden. Sie sind auf Bundesebene und in 13 Bundesländern auf Landesebene beginnend ab 2000 durch die Parlamente verabschiedet worden. Die Behörden sind nach diesen Gesetzen grundsätzlich verpflichtet, jede Art von Informationen dem Bürger zugänglich zu machen.

Ein Ablehnungsrecht besteht nur nach den Gründen, die in den Gesetzen abschließen aufgezählt sind. Insbesondere die Preisgabe von personenbezogene Daten wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ist nicht gestattet. Der Bürger braucht lediglich einen formlosen Antrag zu stellen, wobei die Behörde zusätzlich verpflichtet ist, den Bürger hierbei zu beraten und zu unterstützen.

Es empfiehlt sich, bereits bei Antragstellung auf das Informationsfreiheitsgesetz hinzuweisen, da vielen Behörden die Existenz dieser Gesetze unbekannt sein dürfte.

Informationen sind unverzüglich herauszugeben. Sofern die Behörde Ablehnungsgründe geltend macht, sind diese in einem Bescheid aufzuführen. Hiergegen steht dem Bürger der Rechtsweg offen. Zusätzlich haben der Bund und die Länder einen Beauftragten für Informationsfreiheit bestellt, an den sich die Bürger ebenfalls wenden können.

Hierdurch soll der Einsatz von Rechtsbehelfen vermieden werden, um schneller ein den Zielen des Gesetzes entsprechendes Ergebnis zu erreichen. Denn für Klagen ist das Verwaltungsgericht zuständig und Eilverfahren haben grundsätzlich nur äußerst geringe Erfolgsaussichten, weil mit der Erteilung selbst die Hauptsache typischerweise vorweggenommen wird.