Eingeplante Pausen im Bereitschaftsdienst können auch im Urlaub als Arbeitszeit zählen. © Adobe Stock inspiretta
Eingeplante Pausen im Bereitschaftsdienst können auch im Urlaub als Arbeitszeit zählen. © Adobe Stock inspiretta

Der rheinland-pfälzische Polizeioberkommissar der Bundespolizei stritt mit seinem Dienstherrn um Pausenzeiten, die er seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben haben wollte. Er war als Kontroll- und Streifenbeamter einer Dienstgruppe bei einer Bundespolizeiinspektion im Dienst zu wechselnden Zeiten eingesetzt. Die Dienstzeiten ergaben sich aus monatlichen Schichtplänen. In verschiedenen Monaten rechnete der Dienstherr die einzuhaltenden Ruhepausen von 30 oder 45 Minuten nur an solchen Tagen auf die Arbeitszeit an, an denen der Beamte Schichtdienst leistete. Tage, an welchen er wegen Erkrankung, Erholungs- oder Sonderurlaubs vom Dienst freigestellt war, blieben unberücksichtigt.

 

Mit dem gewerkschaftliche Rechtsschutz ging es durch die Instanzen

 

Vertreten vom DGB Rechtsschutz setzte sich der Mann im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht durch. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hob das Urteil jedoch auf und wies die Klage auf die Berufung der Gegenseite hin insgesamt ab. Der Weg zum Bundesverwaltungsgericht brachte dem Beamten den gewünschten Erfolgt. Angelika Kapeller vom Centrum für Revision und Europäisches Recht nahm den Verhandlungstermin wahr und drehte das Ergebnis wieder zu Gunsten ihres Mandanten. Nun muss das OVG nochmal ran und die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) festgestellten Fehler beheben.

 

Dabei teilte das BVerwG die Auffassung der Vorinstanz, wonach dem Kläger zumindest nach dem Bundesbeamtengesetztes in Verbindung mit der geltenden Arbeitszeitverordnung ein Anspruch auf Anrechnung von Ruhepausen auf die Arbeitszeit in Zeiten der krankheits- oder urlaubsbedingten Dienstabwesenheit nicht zusteht. Rechtliche Grundlage für eine Zeitgutschrift könne jedoch der aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn abzuleitende Grundsatz sein, wonach krankheits- oder urlaubsbedingt nicht geleisteter Dienst vom Beamten nicht nachzuholen ist. Das habe das OVG zutreffend so gesehen.

 

Eine Rechtsverletzung der Vorinstanz liege jedoch darin, dass die getroffenen tatsächlichen Feststellungen aus Sicht des BVerwG nicht ausreichten. Das führte zur Zurückverweisung des Verfahrens an das OVG.

 

Was regelt die Arbeitszeitverordnung?

 

Rechtsgrundlage für die Anrechnung von Ruhepausen ist regelmäßig die Arbeitszeitverordnung. Dem Kläger ging es um die Anrechnung von Pausenzeiten während seiner krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit. Dazu gibt es aber keine Regelung in der Arbeitszeitverordnung. Diese findet regelmäßig dann Anwendung, wenn die Voraussetzungen der Erschwerniszulagenverordnung vorliegen.

 

Das bedeutet, dass monatlich mindestens 35 Nachtdienststunden zu leisten sind, oder die Anrechnung bei operativen Tätigkeiten in Einsatzbereichen, in denen die ständige Einsatzfähigkeit gewährleistet werden muss, zum Ausgleich der damit verbundenen Belastungen zugelassen ist. Vorausgesetzt ist dabei immer eine tatsächliche Dienstausübung. Bei einer Dienstabwesenheit infolge von Krankheit, Erholungs- oder Sonderurlaub findet die Arbeitszeitverordnung keine Anwendung.

 

Auch die Vorinstanz hatte das so herausgefunden. Nach dem zweitinstanzlichen Urteil sehen die geltenden Dienstvorschriften vor, dass die Anrechnung von Ruhepausen auf die Arbeitszeit nur bei tatsächlich wahrgenommenen Dienstgeschäften, nicht aber bei Abwesenheit vom Dienst infolge von Krankheit oder Erholungs- und Sonderurlaub in Betracht kommt.

 

Der Dissens war nicht unbekannt

 

Die erlassenen Dienstvorschriften bezweckten, die darin zugelassene Anrechnung von Pausenzeiten auf die Arbeitszeit, einen Ausgleich für eine tatsächliche Belastung während tatsächlich wahrgenommener Dienstgeschäfte im Einzelfall zu schaffen, so das OVG. Die Anrechnung sei erlaubt, wenn konkrete Einsatzgeschehen im Voraus nicht planbar und der Dienstablauf einschließlich Lage und Dauer der Ruhepausen unvorhersehbar seien. In diesen Fällen könne eine Kompensation in Form einer Zeitgutschrift erfolgen, weil unter solchen Einsatzbedingungen genommene Pausen wegen der zeitlichen und sonstigen Bedingungen nicht den Erholungswert einer Ruhepause ermöglichten.

 

Infolgedessen sei es 2019 zu einem Erlass des zuständigen Bundesministeriums mit der Anordnung gekommen, dass eine Pausenanrechnung bei Dienstabwesenheit infolge Krankheit oder Urlaub zu unterlassen und für die Vergangenheit aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab Juli 2019 zu korrigieren war.

 

Aus der Fürsorgepflicht ergibt sich etwas anderes

 

Der Anspruch des Klägers auf Gutschrift zusätzlicher Stunden auf dem Arbeitszeitkonto für die Zeit seiner krankheits- und urlaubsbedingten Dienstabwesenheit könne sich aber aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergeben, so das BVerwG. Es gelte der Grundsatz, dass nicht geleisteter Dienst von Beamt:innen regelmäßig nicht ersatzweise nachzuholen ist. Dieser Grundsatz komme auch im Bundesbesoldungsgesetz zum Ausdruck. Im Krankheitsfall und im Urlaubsfall seien Beamt:innen von der Dienstleistungspflicht freigestellt. Die in diesen Zeiträumen angefallene "Soll-Zeit" sei bei der Arbeitszeiterfassung als "Ist-Zeit" zu berücksichtigen.

 

Der geschuldete Dienst bestimme sich nach der formalen Dienstleistungspflicht, während eines bestimmten Zeitraums an einem bestimmten Ort die jeweils übertragenen Dienstpflichten zu erfüllen. Die Arbeitszeitverordnung regele den Dienst jeweils in zeitlicher Hinsicht. Im Arbeitszeitmodell des Schichtdienstes, wie des Dienstes zu wechselnden Zeiten, bleibe dabei das zu erfüllende Arbeitszeitvolumen vollzeitbeschäftigter Beamt:innen gleich. Werde in einem Schichtplan die Dienstleistungspflicht zeitlich konkretisiert, seien diese Zeiten tägliche Soll-Arbeitszeit. Außerhalb dieser Zeiten müsse keine Dienstleistung erbracht werden.

 

Arbeitsfreie Zeit führt normalerweise nicht zur Zeitgutschrift

 

Trete Dienstunfähigkeit innerhalb einer verbindlichen Schichtplanung auf, erfolge eine Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto in dem Umfang, in dem Betroffene gemäß Dienstplan zur Dienstleistung verpflichtet gewesen seien. Folglich entstehe eine Differenz zur täglichen Regelarbeitszeit an solchen Tagen, an denen die nach dem Schichtplan festgesetzte Dienstzeit dahinter zurückbleibt.

 

Die nicht im Schichtplan als Dienst ausgewiesene Zeit stehe den Beamt:innen als Freizeit zu Verfügung und werde durch eine früher oder später noch zu erbringende Mehrleistung im Schichtmodell ausgeglichen. Innerhalb einer verbindlichen Dienstplanung bestehe im Krankheitsfall ein Anspruch auf Gutschrift dieser arbeitsfreien Zeiten nicht. Eine Schlechterstellung sei damit nicht verbunden. Beamt:innen würden arbeitszeitrechtlich so behandelt, als hätten sie die vorgesehene Dienstleistung im Schichtdienst erbracht und damit die reguläre Dienstpflicht erfüllt. Gleiches gelte, wenn innerhalb einer verbindlichen Schichtplanung Erholungs- oder Sonderurlaub gewährt werde.

 

Im Krankheits- und im Urlaubsfall sei nicht geleistete Arbeitszeit "Ist-Zeit", die nicht nachgeholt werden müsse. Von diesen Maßstäben ging das OVG nach Ansicht des BVerwG zwar zutreffend aus. Es habe aber seine Überzeugung, dass dem Kläger danach ein Anspruch auf Gutschrift zusätzlicher Stunden für die Zeit seiner Dienstabwesenheit infolge von Krankheit oder Urlaub nicht zusteht, unter Verstoß gegen die hierfür geltenden Verfahrensregeln gewonnen. Die in dem angefochtenen Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen würden die Ablehnung des Hauptantrags nämlich nicht tragen.

 

Das OVG hatte sich widersprochen

 

Nach den Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts bleibe unklar, ob im Fall der regulären Dienstpflichterfüllung im Schichtplanmodell in den Dienstgruppen bei den Bundespolizeiinspektionen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit stets ohne oder nur mit Anrechnung der Pausen erreicht werde.

 

Das OVG habe einerseits angenommen, dass die Dienstplanung der Frage nach der Anrechnung von Ruhepausen vorgelagert sei. Sie gehe von einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 41 Stunden und darauf bezogen von einer täglichen Soll-Arbeitszeit aus, die sich jeweils aus der im Schichtplan benannten reinen Anwesenheitszeit nach Abzug der arbeitszeitrechtlich vorgesehenen Ruhepausen von 30 oder 45 Minuten ergebe.

 

Andererseits gehe das OVG davon aus, durch die Nichtberücksichtigung von Ruhepausen an dienstfreien Tagen könne es dazu kommen, dass die auf den Monat bezogene Stundensollzeit unterschritten werde und dadurch eine negative Buchungsdifferenz entstehe. Die müsse dann nachfolgend ausgeglichen werden. Damit habe das OVG gedanklich darauf abgestellt, dass die Ruhepausen in die Arbeitssollzeit doch eingerechnet würden.

 


Die Vertreterin der GdP konnte die Differenzen aufklären

 

Hier kam - was im Revisionsrecht keineswegs üblich ist – den Erörterungen zum konkreten Sachverhalt vor Ort im Verhandlungstermin vor dem BVerwG eine besondere Bedeutung zu. Das Gericht hatte der Beklagten aufgegeben, eine:n Vertreter mit umfassenden Kenntnissen über die tatsächliche Dienstplangestaltung zum Termin mitzubringen.

 

Das nahm Angelika Kapeller vom DGB Rechtsschutz zum Anlass, ihrerseits um Unterstützung der GdP zu diesem Verhandlungstermin zu bitten. Eine versierte Kollegin der GdP Bundespolzei brachte mit ihren Auskünften und Darstellungen die gewünschte Wendung. Das BVerwG führt dazu in der Entscheidung aus:

 

„Diese sich widersprechenden Ausführungen haben sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht durch die informatorische Befragung der Beteiligten auflösen lassen. Die Beklagtenvertreter führten zur Erläuterung aus, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der im Schichtdienst tätigen Beamten werde stets ohne Anrechnung der Pausenzeiten erreicht. Auf die Arbeitszeit anzurechnende Ruhepausen würden auf einem Überarbeitszeitkonto geführt. Diese Zeiten seien zur Ableistung der geschuldeten Arbeitszeit nicht erforderlich. Die Klägerbevollmächtigte ist dieser Darstellung indes substantiiert entgegengetreten. Bereits nach den Dienstbuch-Einlegeblättern ergebe sich im Krankheitsfall eine negative Buchungsdifferenz zwischen Stunden-Soll und Stunden-Ist für den betroffenen Beamten, die entgegen der Angaben der Beklagtenvertreter auch nicht nachträglich bei der Arbeitszeiterfassung bereinigt werde. Das fünfwöchige Schichtplanmodell führe erst nach fünf Jahren zu einem ausgeglichenen Arbeitszeitkonto. Durch Krankheit versäumte Ruhepausen, die im Falle der Dienstleistung auf die Arbeitszeit angerechnet würden, seien daher faktisch nachzuarbeiten, weil andernfalls die geschuldete regelmäßige Arbeitszeit nicht erfüllt werde.“

 

Das überzeugte das Gericht. Weil eine Verpflichtung für den vom Dienst wegen Krankheit oder Urlaubs freigestellten Beamten nicht besteht, muss das OVG nun noch einmal weiter ermitteln. Dabei wird - ggf. mit sachverständiger Hilfe - aufzuklären sein, von welchen Berechnungsparametern das elektronische Zeiterfassungssystem der Beklagten bei der prognostischen Vorausplanung des Dienstes ausgeht, wie diese Vorausplanung bei der Festlegung der Sollstundenzahl in den monatlichen Dienstplänen umgesetzt wird und wie davon ausgehend die individuelle Arbeitszeiterfassung der im Schichtdienst tätigen Beamten in Soll- und Ist-Zeiten oder Überzeit erfolgt.

 

Das sagen wir dazu:

Ausgangspunkt für diese Entscheidung war die Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen an eine Ruhepause iSd. Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. In dem Verfahren hatte ein tschechischer Feuerwehrmann Vergütung für „Pausen“ verlangt, die keine waren. Der EuGH stellte fest:

„Die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der er, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, ist als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie einzustufen, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen“.

 

Der Feuerwehrmann bekam Recht.

Daraufhin gab es mehrere Folgeverfahren im Bereich der GdP, die vom Gewerkschaftlichen Rechtsschutz geführt wurden. Diese mündeten in einer Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts:

„Ruhepausen, in denen der Beamte Einsatzkleidung tragen, die Dienstwaffe mit sich führen und seine ständige Erreichbarkeit sicherstellen muss, sind als Arbeitszeit zu bewerten.“ (BVerwG 13.10.2022 – 2 C 24/21)

 

Im Verfahren vor dem BVerwG, das am 22. Juni 2023 verhandelt wurde, habe keine Einigkeit darüber erzielt werden können, ob die Dienstplanung tatsächlich unter Einbeziehung der anzurechnenden Pausen erfolgt war, erläutert Angelika Kapeller, die den Verhandlungstermin wahrnahm. Die Gegenseite habe behauptet, die Dienstplanung erfolge mit der reinen Dienstzeit; angerechnete Pausen gäbe es „On top“. Die Berichterstatterin sei dieser Darstellung zunächst auch gefolgt.

 

Mit der Hilfe der zur Unterstützung angereisten GdP-Kollegin EPHKin Erika Krause-Schöne, stellvertretende Vorsitzende des Hauptpersonalrates der Bundespolizei beim BMI und als solche ständig mit Fragen der Dienstplangestaltung, insbesondere auch mittels ePlan BUND, befasst, konnten wir verhindern, dass die Darstellung der Gegenseite zur Grundlage der Entscheidung gemacht wurde, kommentiert Kapeller den Gang der Verhandlung. Die Sache wurde zur weiteren Aufklärung der Dienstplangestaltung an das OVG zurückverwiesen, damit das OVG aufklärt, wie die Dienstplanung im Einzelnen erfolgte.