Vor dem Bundesverfassungsgericht fand am 17.01.2018  eine Verhandlung zur Verfassungsmäßigkeit des Streikverbotes für Beamte statt. Eine Entscheidung hat das Gericht nicht getroffen. Sie wird erst in einigen Monaten erwartet. 

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gewährt Rechtsschutz

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt die Verfassungsbeschwerden von vier beamtete Lehrerinnen und Lehrer, die wegen der Teilnahme an Streiks Disziplinarstrafen bekommen hatten. Dabei beruft sich die Gewerkschaft auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Ein Streikverbot dürfe nicht für Beamte gelten, die mit ihrer Tätigkeit keine hoheitlichen Aufgaben verrichten.

Stellungnahme von Innenminister de Maiziere irritierend 

In der Verhandlung hat insbesondere die Stellungnahme von Innenminister Thomas de Maiziere  Kopfschütteln bei den Interessenvertretern und Sympathisanten der Betroffenen ausgelöst. Er zog sich auf die jahrhundertealte Begründung zurück, Beamte stünden  in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat. Das Streikverbot sichere die Funktionsfähigkeit der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger. Beamte seien unkündbar und dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie seien zudem gut versorgt und dürften im Gegenzug eben nicht streiken. „Rosinenpickerei“ gebe es mit ihm nicht und er werde dafür kämpfen, dass alles beim Alten bliebe. Auch sei eine Unterscheidung zwischen hoheitlichen und übrigen Aufgaben kaum möglich. Ähnliche Positionen vertrat auch der Deutsche Beamtenbund, dem offensichtlich altes Statusdenken mehr am Herzen liegt, als die Interessen seiner Mitglieder.

Dabei geht es auch der GEW nicht darum, das Berufsbeamtentum mit seinen besonderen Rechten und Pflichten in Frage zu stellen. Ihr Interesse ist vielmehr, dass den betroffenen Beamtinnen und Beamten endlich auch in unserem Staat Rechte gewährt werden, die für freiheitlich-demokratische Rechtsstaaten selbstverständlich sind.

Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK): Streikrecht darf nur den Beamten verwehrt werden, die hoheitliche Aufgaben versehen

Wie zwischen hoheitlichen und nicht hoheitlichen Aufgaben unterschieden werden kann, geht klar aus der Rechtsprechung des EGMR und der EMRK hervor: Ein Streikrecht darf nur denen verwehrt werden, deren Tätigkeit für die nationale oder öffentliche Sicherheit und zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten notwendig ist. Hoheitliche Aufgaben sind außerdem  Aufgaben, die dem  Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und den Schutz der Gesundheit dienen. Der EGMR hat betont, dass andere Aufgaben nicht dazu gehören. Insbesondere kommt es nicht auf die „Funktionsfähigkeit der Verwaltung“ an. Dass diese durch einen Streik beeinträchtigt wird, ist für dessen Wirksamkeit sogar notwendig. Beeinträchtigt wird sie auch, wenn angestellte Bedienstete des Staates streiken. Der EGMR hat deshalb mehrfach ausgeführt, dass sich ein Streikverbot nicht auf alle Beamte beziehen darf. In Frage kommen vor allem die Streitkräfte und die Polizei.

Entscheidungen erst in einigen Monaten

Mit Entscheidungen über die anhängigen Streitsachen ist in einigen Monaten zu rechnen. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

Im Praxistipp: Artikel 11 Europäische Menschenrechtskonvention

Rechtliche Grundlagen

Artikel 11 Europäische Menschenrechtskonvention:

Europäische Menschenrechtskonvention
Abschnitt I - Rechte und Freiheiten (Art. 2 - 18)
Art. 11
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

(1) Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.
(2) 1Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. 2Dieser Artikel steht rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung nicht entgegen.