In vielen Landkreisen mit Inzidenzen von mehr als 200 sollen solche Ausflüge ab 15 km von zu Hause nicht mehr zulässig sein. Copyright by Adobe Stock/Heiner Witthake
In vielen Landkreisen mit Inzidenzen von mehr als 200 sollen solche Ausflüge ab 15 km von zu Hause nicht mehr zulässig sein. Copyright by Adobe Stock/Heiner Witthake

Bundesweit haben Landkreise Allgemeinverfügungen erlassen, wonach in der Corona-Pandemie bei Inzidenzen von mehr als 200 Infizierten pro 100.000 Einwohner eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Bürger möglich ist.
 

Die 15-km-Regel gilt für Wiesbaden und Gießen

Tagestouristische Ausflüge und Freizeitaktivitäten sollen dann nur noch in einem räumlichen Bereich von 15 km um den eigenen Wohnort herum zulässig sein. Die Allgemeinverfügungen in Gießen und Wiesbaden bezeichnen diesen Bereich als „politische Gemeinde“.
 
Die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Gießen haben jetzt dazu in Eilverfahren entschieden. Beide kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
 

Die Regel muss vollständig und klar sein

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hielt die 15-km-Regel für teilweise rechtswidrig. Die betroffenen Bürger müssten aus einem Erlass genau erkennen können, wie sie sich zu verhalten hätten. Die Regeln müssten demnach vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein. Diesen Anforderungen genüge der hessische Erlass nicht.
 
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hielt bereits den Begriff „politische Gemeinde“ für bedenklich. Dieser sei für einen Großteil der Bevölkerung aus sich heraus nicht verständlich. Dies gelte beispielsweise für Gemeinden mit mehreren, weit voneinander entfernten Ortsteilen. Aus dem Wortlaut des Erlasses erschließe sich nicht, ob die Grenzen des jeweiligen Ortsteils oder diejenigen der Gesamtgemeinde gemeint seien.
 

Gilt der Rand oder der Mittelpunkt der Gemeinde?

Dem Gericht erschließt es sich darüber hinaus nicht, wie die 15 km zu messen seien. Solle das ab dem Rand des Kreises geschehen oder ab dem Mittelpunkt einer Gemeinde? Der Allgemeinverfügung selbst ließe sich das nicht entnehmen. Erklärungshinweise habe der Kreis nicht veröffentlicht. Außerdem bleibe offen, ob sich die 15-km-Regel auf den betroffenen Landkreis allein beschränke oder auch über dessen Grenzen hinausreichen solle.
 
Die Richter des Verwaltungsgerichts Wiesbaden stellten darüber hinaus fest, dass auch der Begriff „tagestouristischer Ausflug“ nicht näher erklärt werde. Dass es sich hierbei um alle Unternehmungen handeln solle, die der Freizeitgestaltung ohne Übernachtung dienten wie vom Landkreis behauptet, ergebe sich nicht zwingend aus dem Wortlaut der Verfügung. Der Begriff werde in anderen Landkreisen durchaus anders verstanden.
 

Werden Ausflüge beschränkt, treffen sich die Menschen verstärkt drinnen

Ob die Beschränkung des Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge ernsthaft zur Senkung der Infektionsquelle im Betroffenen Landkreis beitragen könne, bezweifele das Gericht. Es sei vielmehr damit zu rechnen, dass sich stattdessen viele Menschen drinnen mit anderen Personen treffen würden.
 
Rechtmäßig sei demgegenüber die nächtliche Ausgangsbeschränkung im Kreis, die die Allgemeinverfügung ebenfalls regele. Damit könne eine Kontaktbeschränkung für den privaten und den öffentlichen Raum erzielt werden. Dies sei ein Schritt in die richtige Richtung.
 

Gießen: in Gebieten mit hohen Inzidenzwerten geht öffentliches Interesse vor

Auch das Verwaltungsgericht Gießen entschied zur 15-km-Regel. Es bezweifelte zwar, dass diese Maßnahme geeignet sei. Bei Reisen in Gebieten mit hohen Inzidenzwerten gehe das öffentliche Interesse jedoch vor. Dies gelte auch im Blick auf Virusmutationen.
 
Die Verfügung greife zwar in die Handlungsfreiheit des Antragstellers ein. Dieser Eingriff sei jedoch überschaubar. Das müsse er zum Schutz von Leib und Leben hinnehmen.

Verwaltungsgericht Wiesbaden, Beschluss vom 15. Januar 2021

Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 14. Januar 2021